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Sukka

Gleich gʼttlich, gleich würdig

In der Hütte: eine Frau mit Lulaw Foto: Gregor Zielke

Zwei talmudische Texte, eine Mischna im Traktat Sukka und eine im Traktat Kidduschin, ergänzen einander. Es ist daher angebracht, auf den Sinnzusammenhang hinzuweisen. Eine unbestrittene Halacha lautet: »Frauen, Sklaven und Minderjährige sind von der Laubhütte frei« (Sukka 28a). Nur die Befreiung der Frauen von der Sukka-Pflicht und von einigen anderen Mizwot soll uns jetzt beschäftigen.

Im Hinblick auf die religiöse Praxis ist anzumerken, dass Frauen in der Sukka sitzen dürfen und nach Ansicht vieler Dezisoren den entsprechenden Segensspruch sagen können. Die zitierte Mischna besagt, dass Frauen das Toragebot, in der Laubhütte zu essen und zu schlafen, freiwillig erfüllen können, sie sind vom Religionsgesetz jedoch nicht dazu verpflichtet.

Warum sind Frauen von der Sukka-Pflicht befreit? Eine formale Antwort finden wir in der folgenden Mischna, welche die eingangs zitierte ergänzt: »Zu allen von einer festgesetzten Zeit bedingten Geboten sind Männer verpflichtet, Frauen jedoch nicht. Zu allen von einer festgesetzten Zeit nicht bedingten Mizwot sind sowohl Männer als auch Frauen verpflichtet. Alle Verbote, einerlei, ob von einer Zeit bedingt oder nicht, gelten sowohl für Männer als auch für Frauen, ausgenommen das Verbot des Rundscherens, des Zerstörens des Bartrandes und der Verunreinigung an Toten« (Kidduschin 29a).

Drei Regeln stehen in unserer Mischna. Auch von den ersten zwei Regeln gibt es einige Ausnahmen, die wir hier jedoch nicht aufzulisten brauchen. Für unsere Betrachtung ist das Wohnen in der Sukka wichtig. »In Hütten sollt ihr wohnen sieben Tage« (3. Buch Mose 23,42). Das ist eindeutig eine Mizwa, die von einer festgelegten Zeit bestimmt ist. Deshalb sind Frauen zur Erfüllung dieses Gebots nicht verpflichtet.

Der Talmud hinterfragt die erste Regel, die in der Mischna steht: »Woher (kommt es), dass Frauen frei sind von Geboten, die von einer festgesetzten Zeit bedingt sind?«

Die Antwort lautet: »Es ist von den Tefillin zu folgern: Wie Frauen von den Tefillin befreit sind, ebenso sind sie von allen von einer festgesetzten Zeit bedingten Geboten frei. Hinsichtlich der Tefillin ist es vom Studium der Tora zu folgern: Wie Frauen vom Studium der Tora frei sind, ebenso sind Frauen von den Tefillin frei« (Sukka 34a).

»Es hat das g’ttliche Gesetz die Frauen nicht zur Erfüllung dieser Mizwot verpflichtet, weil es diese Verpflichtung für Frauen nicht für nötig erachtet!«

Der Talmud gibt uns eine nachvollziehbare halachische Ableitung der Regel, die in der Mischna in Kidduschin steht, jedoch keine überzeugende Erklärung, warum Frauen von Mizwot befreit wurden, die von einer festgelegten Zeit bedingt sind. Mehrere Autoren haben Vermutungen darüber geäußert, was den Gesetzgeber dazu veranlasst haben könnte, Frauen von zeitbedingten positiven Mizwot zu befreien.

In seinem Buch Glaube und Leben im Judentum (Heidelberg und Wiesbaden 1985) fasst der angesehene Bibelwissenschaftler Georg Fohrer die vorgebrachten Gründe wie folgt zusammen: »Dies (die Befreiung von bestimmten Mizwot) dient der Vermeidung einer Pflichtenkollision und geschieht aus Rücksicht auf die häuslichen Pflichten, nicht aber, weil das Judentum eine patriarchalische Struktur aufwiese oder die Frau als minderwertig betrachtete. Im Gegenteil, Bibel, Mischna und Talmud reden oft mit hoher Achtung von der Frau.«

Erwähnenswert ist eine andere Begründung für die erste Regel der Mischna in Kidduschin, die wir im Torakommentar von Rabbiner Samson Raphael Hirsch finden: »Es hat das g’ttliche Gesetz die Frauen nicht zur Erfüllung dieser Mizwot verpflichtet, weil es diese Verpflichtung für Frauen nicht für nötig erachtet!« Diese These setzt voraus, dass Männer und Frauen in unterschiedlichen Kreisen wirken und verschiedene Gebote benötigen.

Es wäre allerdings falsch zu vermuten, dass Rabbiner Hirsch eine geistige Überlegenheit der Frauen annimmt. Er bemerkte zum Vers »Männlich und weiblich hat Er sie erschaffen und segnete sie« (1. Buch Mose 5,2): »Beide (Mann und Frau) gleich g’ttlich, gleich würdig, keines G’tt ebenbildlicher als das andere, beide gesegnet.«

Mit Recht hat Rabbiner Elie Munk in seinem klassischen Werk Die Welt der Gebete (Basel 1975) festgestellt: »Die Verschiedenheit der Pflichten ist eine Grundlage des Judentums. Gleichheit des Rechts, Verschiedenheit des Aufgabenkreises. In dieser Forderung sieht das Judentum das Wohl der Welt begründet.«

Er zitiert einen Midrasch, der die jüdische Grundhaltung verdeutlicht: »Himmel und Erde rufe ich zu Zeugen, es sei Nichtjude oder Jude, Mann oder Frau, Knecht oder Magd, je nach den Taten des Menschen ruht der G’ttesgeist auf ihm« (Jalkut zu Richter 4,4).

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