JFBB

Provokativ und unterhaltsam

Szene aus dem Eröffnungsfilm »Shiva Baby«

2020 musste die feierliche Eröffnung des Jüdischen Filmfestivals Berlin & Brandenburg pandemiebedingt ausfallen. Umso größer ist die Vorfreude auf die Gala, die an diesem Donnerstagabend wieder in Potsdam stattfindet. Was die Stimmung ebenfalls heben dürfte: Die zu Recht viel gelobte Komödie Shiva Baby eröffnet das Festival. Das Langfilmdebüt der kanadischen Regisseurin Emma Seligmann über eine desorientierte bisexuelle Studentin und ihre Fehltritte während einer jüdischen Trauerveranstaltung ist eine echte Wohltat – provokativ, hintersinnig und mit der Hauptdarstellerin Rachel Sennott hervorragend besetzt, sodass die weniger als 80 Filmminuten im Potsdamer Hans-Otto-Theater wie im Flug vergehen werden.

»Shiva Baby ist der perfekte JFBB-Eröffnungsfilm. Er zeigt, wie viel unterschiedliche Töne in ein und demselben Film möglich sind – eine Diversität der Tonalitäten, Farben und Figuren, die sich durch das ganze Festivalprogramm ziehen wird«, sagt Lea Wohl von Haselberg aus dem neuen Programmkollektiv.

FILMAUSWAHL Ein Blick in das Programm des 27. Festivals zeigt, dass die Filmauswahl der neuen Veranstalter, die zudem das Filmfestival Cottbus verantworten, auch von Nicola Galliner sein könnte, 26 Jahre lang die Seele des JFBB. Der Pressemitteilung »Ein jüdisches Filmfestival muss politisch sein« und der etwas missverständlichen Ankündigung von Shiva Baby als »queerer schwarzer Komödie« hätte es nicht bedurft: Provokativ und politisch war das JFBB immer und ist es auch diesmal.

Gezeigt wird zum Beispiel die von der ersten Minute an spannungsgeladene israelisch-amerikanische Serie Our Boys (Regie: Joseph Cedar und Hagai Levi), die sich in den ersten Szenen um die Entführung und Ermordung dreier israelischer Teenager durch die Hamas im Sommer 2014 dreht. Danach geht es in insgesamt zehn Folgen um den Vergeltungsmord an einem arabischen Jugendlichen aus Ost-Jerusalem durch jüdische Fanatiker.

Israels inzwischen abgewählter Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte die Serie 2019 auf Facebook als »antisemitisch« bezeichnet und ihre Absetzung gefordert.

Israels inzwischen abgewählter Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte die Serie 2019 auf Facebook als »antisemitisch« bezeichnet und ihre Absetzung gefordert, worüber Joseph Cedar (Preisträger des Silbernen Bären für seinen Film Beaufort bei der Berlinale 2007) allerdings in einer Hinsicht nicht unglücklich war: »Das ist gut für die Publicity«, sagte er seinerzeit.

SCHOA Wie präsent die Schoa bis heute in jüdischen Familiengeschichten ist, zeigt die Zahl von Dokumentarfilmen, die anhand persönlicher Erfahrungen auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts aufarbeiten. Gute Chancen, den neuen »Wettbewerb Dokumentarfilm« zu gewinnen, hätte sicherlich Irmi (Regie: Susan Fanshel und Veronica Selver), das Porträt der deutschen Jüdin Irmi Selver, die in Chemnitz geboren wurde, 1939 in die USA auswandern konnte und trotz ihres tragischen Schicksals – ihr Mann und ihre beiden Kinder ertranken auf der Flucht – in New York eine neue Familie gründete.

Der Film basiert auf den Memoiren, die Irmi Selver noch mit über 80 Jahren verfasst hat – gelesen von Hanna Schygulla. Ein Film über den unbändigen Lebenswillen einer Frau, die immer wieder von vorne anfangen musste – und trotz des schrecklichen Verlustes ihre Fähigkeit zu lachen nicht verlernt hat.

Filme von Sharon Ryba-Kahn (Displaced) und Yael Reuveny (Promised Lands) erzählen (aber nicht ausschließlich) aus der Perspektive der dritten Generation von Schoa-Überlebenden, während der israelisch-russische Filmemacher Efim Graboy in The War of Raya Sinitsina eine 94-Jährige, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Belagerung von Leningrad gekämpft hat, in einer sehr persönlichen und liebevollen Dokumentation befragt.

DESSERT Und wer es etwas leichter beziehungsweise etwas süßer mag, ist mit Ottolenghi und die Versuchungen von Versailles (Regie: Laura Gabbert) gut bedient: Für eine Ausstellung zu Versailles im berühmten Metropolitan Museum of Art in New York bekommt der legendäre Koch Yotam Ottolenghi den Auftrag, ein Dessert-Buffet zu zaubern. Dafür besucht er auch das Schloss Versailles in Frankreich und erweitert seinen Horizont – und den der Zuschauer.

Hannover

»Wir sind hier und wir bleiben hier«

Im September wird die Liberale Jüdische Gemeinde 30 Jahre alt. Gegründet wurde sie einst von drei Frauen. Ein Gespräch mit Geschäftsführerin Rebecca Seidler über Generationen, Sicherheit und eine große Portion Optimismus

von Katrin Richter  04.09.2025

Osnabrück

Leben, Lieben, Lachen

Die Jüdische Gemeinde hat ihr erstes Jüdisches Kulturfestival auf die Beine gestellt – mit einem beeindruckenden Programm

von Sophie Albers Ben Chamo  04.09.2025

Frankfurt

Persönlichkeiten mit Haltung

Der Architekt Salomon Korn und der Mediziner Leo Latasch erhalten das Ehrensiegel der Jüdischen Gemeinde

von Eugen El  04.09.2025

Jewish Women* Empowerment Summit

Neue Bündnisse finden

Auch feministische Kreise schlossen jüdische Frauen nach dem 7. Oktober aus. Auf dem Kongress der Bildungsabteilung und der ZWST soll das thematisiert werden. Ein Essay der Keynote-Speakerin Merle Stöver

von Merle Stöver  03.09.2025

Darmstadt

Jüdische Kulturwochen: Großer Andrang bei Eröffnung

Das Programm schließt den Extremismusforscher Ahmad Mansour mit ein

von Imanuel Marcus  03.09.2025

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  02.09.2025

Universität

Starke junge Stimme

Seit dem 7. Oktober 2023 versucht der Verband Jüdischer Studenten in Bayern, mit seinen Aktivitäten vor allem auf dem Campus einen Weg zurück zur Normalität zu finden

von Luis Gruhler  02.09.2025

Hilfe

»Licht in den Alltag bringen«

Naomi Birnbach über den Berliner Mitzwa Express, der mit Kindern arbeitet und den vom Terror schwer getroffenen Kibbuz Kfar Aza unterstützt

von Christine Schmitt  02.09.2025

Unterstützung

38.000 jüdische Kontingentflüchtlinge erhielten Rentenausgleich

Nach Angaben der Stiftung Härtefallfonds des Bundes wurden insgesamt 169.000 Anträge geprüft

 01.09.2025