Tradition

Wir wollen lachen

Geht für einen guten Gag auch schon mal in die Luft: US-Comedian Jerry Seinfeld im Bee-Movie-Kostüm. Foto: dpa

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Wir wollen lachen

Warum das Judentum und der Humor eine besondere Verbindung haben

von Rabbiner Berel Wein  25.02.2010 00:00 Uhr

Er richtete sich nie gegen bestimmte Individuen, doch kommentierte er stets den Zustand einer Gesellschaft und die Zeitläufte. Er hatte immer eine düstere Seite, doch war er nie wirklich depressiv oder allzu bitter. Er erkannte menschliche Schwächen auch in den Großen und gab sie dem Gelächter preis, ohne je die Menschen zu verhöhnen.

Die besten Beispiele für osteuropäischen jüdischen Humor finden sich in den Werken von Scholem Aleijchem, der um die Wende zum 20. Jahrhundert lebte. Als Mark Twain ihn während Aleijchems Amerikareise in New York kennenlernte, merkte er an: »Man sagt, ich sei der amerikanische Scholem Aleijchem.«

Tatsächlich ähneln sich die Schriften der beiden in vielem. Beide legten Wert auf situationsbedingten Humor, statt schallendes Gelächter hervorrufende isolierte Witze zu erzählen.

Komiker Im amerikanischen Varieté und später im berühmten Borscht Belt blühte der jüdische Humor, und jüdische Komiker hatten ihre große Zeit. Namen wie Jack Benny, Eddie Cantor, Milton Berle, Henny Youngman, die Marx Brothers und viele andere kamen zu Ruhm und Reichtum, indem sie auf die situationsbedingte Komik setzten, die einst zum jüdischen Leben in Osteuropa gehörte. Sie waren die natürlichen Erben des Badchan – des Witzereißers, der auf jüdischen Hochzeiten in Osteuropa auftrat – und des Purim Raw, der zum festen Inventar bei Purimfestlichkeiten gehörte. Der Badchan verspottete die Braut und den Bräutigam, die Institution der Ehe an sich, die angeheiratete Verwandtschaft und all die Absonderlichkeiten des Familienlebens. Der Purim Raw ließ die Luft aus der Wichtigtuerei der religiösen Führer einer Gemeinde.

Nebbiche Sie und ihre amerikanischen Nachfahren haben sich selbst immer als Nebbiche, als individualistische und leicht bekloppte Menschen dargestellt. Sie warfen einen Blick auf das Leben und seine Zufälligkeiten und Gefahren und machten sich über sich selbst lustig: die beste Verteidigungswaffe gegen diese Welt.

Sie waren die wahren Vorfahren der Situationskomödien, die eine Zeitlang das amerikanische Fernsehen beherrschten. So gesehen standen Bill Cosby, Jerry Seinfeld und Ray Romano alle in der Tradition des osteuropäischen jüdischen Humors, auch wenn es ihnen nicht bewusst war.

Doch wahrscheinlich gehört ein solcher Humor der ganzen Menschheit an und beschränkt sich nicht auf eine bestimmte ethnische Gruppe oder Gesellschaft.

Lachen heilt viele menschliche Gebrechen. Und es ist fast instinktiv in uns, lachen zu wollen. Man muss nur einmal erlebt haben, wie früh in ihrer Entwicklung Babys lachen und kichern lernen.
Talmud Der Talmud selbst enthält zahlreiche Schilderungen komischer und ironischer Situationen und Kommentare zum Thema Humor. Er empfiehlt Lehrern, den Unterricht jeden Tag mit Humor zu beginnen. Und eine Rede mit einer lustigen Geschichte einzuleiten ist das beste Rezept, die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen – und es für den Rest der Ausführungen bei der Stange zu halten. Dem wird kein öffentlicher Redner widersprechen.

Die Stand-up-Comedy ist eigentlich nur eine andere Form der Vorstellung, die der Badchan auf jüdischen Hochzeiten zum Besten gab. Es ist viel schwieriger, mit dieser Form des Humors erfolgreich zu sein als mit der situationsbedingten Art von Komödie, die nicht auf ein Feuerwerk von Witzen, sondern auf die Entwicklung der Figuren baut.

Jiddisch In der jüdischen Welt waren beide Arten von Humor verbreitet. Jiddischer Humor grenzte bisweilen ans nicht ganz Salonfähige, überschritt aber nie die Grenze zum Obszönen und zur Unmoral. Leider lässt sich das für die Art des Humors, die heutzutage in der westlichen und israelischen Welt vorherrscht, nicht sagen.

Vielleicht ist das der Grund, warum der jüdische Humor in der religiösen jüdischen Welt heute kaum mehr anzutreffen ist. Die Menschen nehmen sich viel zu ernst und sind nicht imstande, sich selbst auf die Schippe zu nehmen – und das war immer ein Merkmal des jüdischen Humors.

In der jüdischen Welt ist an die Stelle des Badchan auf Hochzeiten zum großen Teil wildes Tanzen und ohrenbetäubende Musik getreten. Schade. Wir könnten alle gelegentlich einen befreienden ironischen Blick auf uns selbst gebrauchen. Aber diese Woche ist Purim. Vielleicht werden wir doch noch ein paar gute Beispiele von »Purim-Tora« und jüdische Witze hören. Happy Purim!

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