Pessach

Alles in Ordnung!

Der Sederabend besteht aus 14 Schritten, die genau vorgeschrieben sind. Foto: Flash 90

Pessach

Alles in Ordnung!

Was braucht man für einen Sederabend? Und wie soll er ablaufen?

von Ayala Goldmann  07.04.2020 18:00 Uhr

»Was heißt eigentlich »Seder«? Es kommt vom hebräischen Wort für Ordnung. Eine sehr bekannte Redewendung auf Iwrit lautet: »Beseder – in Ordnung!« Was brauchen wir, um diesen Zustand am Sederabend zu erreichen?

Wer an Pessach keinen Stress haben will, muss einige Tage vorher mit der Planung beginnen. In diesen Zeiten erst recht – die Zutaten müssen rechtzeitig besorgt werden. Nur dann kann man sich nach Pessachputz und Einkauf am Mittwochabend, dem 8. April, in Ruhe an den gedeckten Sedertisch setzen.

Wichtig ist, dass dann Folgendes vorhanden ist: ausreichend Mazze für den Seder und das Verstecken des Afikoman, ein kleines Geschenk für das Kind, das den Afikoman findet, ausreichend Wein (koscher für Pessach) und Traubensaft (jeder Teilnehmer des Seders soll vier Gläser Wein beziehungsweise Traubensaft trinken), die Zutaten für den Sederteller, eine Schüssel mit Salzwasser, ein Extrabecher für den Propheten Elijahu und eine reichliche Festmahlzeit.

Becher Und vielleicht stellen wir in diesem Jahr noch einen oder zwei Becher dazu – für die Menschen, mit denen wir gerne gefeiert hätten und die diesmal nicht dabei sein können?

Vor dem Leiter oder der Leiterin des Seders liegen drei Mazzot. Außerdem soll jeder eine Pessach-Haggada vor sich haben, damit man der Erzählung folgen kann. Wer keine Haggada hat, sollte sie in den Tagen vor Pessach schleunigst kaufen oder online bestellen.

In der Haggada ist der Sederabend in 14 Schritte gegliedert, die mit hebräischen Worten beschrieben werden. Und nicht vergessen: Außerhalb von Israel wird der Sederabend der Tradition zufolge zweimal abgehalten – am Donnerstagabend, dem 9. April, beginnt für alle, die es genau nehmen, der ganze Seder wieder von vorne.

Und wenn wir uns dabei an die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten erinnern, freuen sich viele bestimmt schon auf das Pessachfest im nächsten Jahr, wenn wir uns hoffentlich wieder überall frei bewegen dürfen und mit all unseren Freunden, Verwandten und den anderen Gemeindemitgliedern zusammen feiern können.

Tun wir etwas dafür. Seien wir »beseder«. Halten wir uns an die Vorschriften und feiern diesmal nur im ganz kleinen Kreis. Dann wird die Freude darüber, dass wir uns alle gesund wiedersehen dürfen, in der Zukunft umso größer sein.

DIE 14 Schritte

Kaddesch
Der Leiter oder die Leiterin des Seders spricht den Kiddusch, den Segensspruch über den koscheren Wein und/oder Traubensaft. »Baruch ata Adonai Elohejnu Melech haOlam bore pri Hagafen« (Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du die Frucht des Weinstocks geschaffen hast). Der erste Becher Wein wird getrunken. Der Seder hat begonnen!

Urchaz
Der Leiter oder die Leiterin des Sederabends übergießt sich die Hände mit Wasser, ohne dabei einen Segensspruch (Bracha) zu sagen. Diese Handlung erinnert uns daran, dass wir unsere Hände waschen müssen, wenn wir in Wasser getunktes Gemüse essen. Natürlich kann man das in Zeiten der Corona-Krise aber auch als Erinnerung an die nötige Hygiene auffassen.

Karpas
Jeder nimmt sich etwas Gemüse von der Sedertafel und tunkt es in Salzwasser, das in einer Schüssel oder einem Glas bereitsteht. Dazu sagt man den Segensspruch über Erdfrüchte: »Baruch ata Adonai Elohejnu Melech haOlam bore pri haAdama« (Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der die Frucht der Erde geschaffen hat)

Jachaz
Der Leiter oder die Leiterin des Seders nimmt die mittlere Mazza und bricht sie in zwei Teile. Das kleinere Teil bleibt auf dem Tisch. Man nimmt das größere Stück für den Afikoman, der Nachspeise nach dem eigentlichen Mahl, und versteckt es. Nach der Mahlzeit (Schulchan Orech, Schritt 10) dürfen die Kinder es dann suchen.

Maggid
Die Haggada mit der Pessach-Erzählung wird gelesen. In vielen Familien wechselt man sich mit dem Lesen reihum ab. Es beginnt mit dem »Ma nischtana« – den vier Fragen, die das jüngste Kind stellt. Der Abschnitt endet mit dem ersten Teil des Hallel (siehe Schritt 13), gefolgt von einem Segen für die Rettung aus der Knechtschaft. Danach wird der zweite Becher Wein getrunken, indem man sich anlehnt.

Rochza
Alle Teilnehmer des Sederabends waschen sich wie vor jedem anderen Essen gründlich die Hände und sprechen dabei den dafür üblichen Segensspruch: »Baruch ata Adonaj Elohejnu Melech haOlam ascher ziwanu al netilat-jadajim« (Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du uns befohlen hast, die Hände zu waschen).

Mazza
Man spricht den Segen über Brot und einen speziellen Segen über Mazza: »Baruch ata Adonai Elohejnu Melech haOlam haMozi lechem mi haAretz« (Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Brot aus der Erde hervorbringt). »Baruch ata Adonai Elohejnu Melech haOlam ascher kidschanu beMiwotaw vezivanu al achilat maza« (Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, Mazza zu essen).

Maror
Man isst etwas Bitterkraut und sagt den Segensspruch: »Baruch ata Adonai Elohejnu Melech haOlam ascher kidschanu beMizwotaw vezivanu al achilat Maror« (Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, Maror zu essen).

Korech
Man macht ein »Sandwich« aus Teilen der dritten Mazza und isst das ungesäuerte Brot mit Maror (Bitterkraut) und Charosset – in Erinnerung an den Weisen Hillel aus der Mischna, der diesen Brauch pflegte und zwischen zwei Scheiben Mazza Bitterkraut legte. Nein, dieser Brauch ist wohl nicht darauf zurückzuführen, dass die Israeliten sich Sandwichs gemacht hätten, bevor sie aus Ägypten flohen.

Schulchan Orech
Darauf haben alle schon sehnsüchtig gewartet: Das Festmahl kann beginnen. Es gibt so viel Essen, dass der Tisch sich biegt und es locker auch noch für den zweiten Sederabend reicht. Bei aschkenasischen Juden gibt es als Vorspeise meistens Mazzeknödelsuppe und Gefilte Fisch. Sefardische Juden dürfen an Pessach Reis essen, Aschkenasen ist Reis verboten. Allen gemeinsam ist: Kuchen wird aus Mazzemehl gemacht.

Zafun
Der Afikoman wird von den Kindern aus dem Versteck geholt und gegessen. Wer ihn findet, bekommt meistens ein Geschenk. Man nimmt den Afikoman und verteilt ein »Kesait« (das Volumen einer Olive) davon an alle Teilnehmer des Seders. Das Kesait erinnert an das Pessachopfer, das zweite an die Mazza, das mit dem Pessachopfer gemeinsam gegessen wurde. Danach ist die Mahlzeit beendet.

Barech
Man spricht das Tischgebet und trinkt angelehnt den dritten Becher Wein. Auch der Becher des Propheten Elijahu wird gefüllt. Man öffnet die Tür, damit Elijahu hereinkommen kann. In der jüdischen Tradition gilt der Prophet als Vorläufer des Maschiach, des Sohn Davids, der uns erlösen soll. Nach dem Hallel (Schritt 13) wird die Tür dann wieder verschlossen.

Hallel
Man spricht die Verse des zweiten Teils des Hallel und trinkt danach angelehnt den vierten Becher Wein. Das Hallel besteht aus den Psalmen 113 bis 118. Sie bilden im Siddur eine eigene Einheit im Zyklus der Gebete. Man kann diese Einheit als eine große Danksagung betrachten, als Ausdruck der Freude über eine Tat, bei der G’tt sein Volk vor einem Unheil beschützt hat.

Nirza
Abschluss des Seders. Man sagt: »Nächstes Jahr in Jerusalem!« Falls Elijahu nicht erschienen ist, wird der Wein aus seinem Glas wieder in die Flasche zurückgefüllt. Doch damit ist der Abend längst nicht beendet. Sehr beliebt sind das Lied vom Zicklein »Chad Gadja« und das Lied »Echad mi Jodea«. Und es gibt viele weitere Pessachlieder, die sich gut gemeinsam singen lassen. Man feiert bis tief in die Nacht.

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