Faktencheck

Gefälschte Abbildung illustriert erfundene KZ-Geschichte

Das frühere Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau Foto: picture alliance / newscom

Achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg steht das Gedenken an das Nazi-Regime, seine Vernichtungspolitik und die Schoah vor einer großen Herausforderung: Zeitzeugen, die jahrzehntelang direkt von den Verbrechen der Nazis erzählt haben, sind inzwischen fast alle gestorben. In Zukunft wird eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit ohne Zeitzeugen auskommen und nur noch auf »stummen« Quellen beruhen.

Vor diesem Hintergrund verbreitet sich im Internet eine angebliche Aufnahme aus dem Vernichtungslager Auschwitz. »In gedenken an die Auschwitz kinder«, steht unter dem Schwarz-Weiß-Bild, das einen offenbar von Hunger und Unterernährung ausgezehrten Mann mit Geige zeigt. In einem kurzen Text über der Aufnahme wird behauptet, der Mann heiße »Henek«. Er habe während des Zweiten Weltkriegs angeblich im Lagerorchester Geige gespielt, zum Beispiel »während Männer, Frauen und Kinder in den Tod geschickt wurden«. Doch hat das Bild tatsächlich mit dem Vernichtungslager zu tun?

Bewertung

Die Abbildung ist eine Fälschung mit Künstlicher Intelligenz (KI) und zeigt keine echten Auschwitz-Gefangenen. Obwohl während des Zweiten Weltkriegs in den Konzentrationslagern von Auschwitz mehrere Häftlingsorchester aktiv waren, kamen sie nie zum Einsatz, wenn Häftlinge in die Gaskammern getrieben wurden.

Fakten

Das Auschwitz-Museum hat auf Facebook auf die erfundene Geschichte reagiert. »Die Veröffentlichung falscher, KI-generierter Bilder von Auschwitz ist nicht nur eine gefährliche Verzerrung« der historischen Realität, schreibt das Museum. »Solche Erfindungen missachten die Opfer und quälen ihre Erinnerung.«

Das Museum weist auf drei Mängel in der erfundenen Geschichte hin:

Erstens sei der erwähnte Name »Henek« eine Falschschreibung des polnischen Namens Henryk. Außerdem werde kein Nachname erwähnt, was normalerweise der Fall sein sollte, wenn es sich um eine wahre Geschichte über einen berühmten Musiker und Holocaust-Überlebenden handelt.

Lesen Sie auch

Zweitens hätten die Orchester in Auschwitz nicht gespielt, wenn die Häftlinge zu den Gaskammern gingen, sondern seien hauptsächlich dazu eingesetzt worden, die Häftlinge zum Arbeiten marschieren zu lassen. Außerdem waren die Lager nach Geschlechtern getrennt - Männerorchester spielten in Männerlagern, schreibt das Auschwitz-Museum in seinem Statement. Es ist daher höchst unwahrscheinlich, dass ein Männerorchester mit einem Mädchen in Kontakt gekommen wäre, wie es in der Geschichte mit dem KI-Bild behauptet wird.

Wie echte Fotos aus Auschwitz zeigen, wurden die Häftlinge auch sämtlich geschoren. Eine Frisur, wie sie der angebliche Violinist auf der KI-Abbildung trägt, ist dort bei keinem Gefangenen zu sehen.

Emotionen und Klicks als Erlösmodell

In jüngster Zeit gab es weitere ähnliche Fälle mit gefakten Bildern. Facebookseiten hinter diesen Beiträgen zum Beispiel teilen ständig Geschichten, die auf die Gefühle der Leserinnen und Leser zielen und häufig mit KI-Bildern illustriert sind. Hier geht es offensichtlich um Clickbait, also die Erhöhung der Leserzahl mit fragwürdigen Mitteln.

Solche Fälle, die in verschiedenen Sprachen existieren, passen in einen neuen Trend in sozialen Netzwerken. Dabei werden die Namen echter Holocaust-Opfer verbunden mit fiktiven Geschichten und KI-Abbildungen oder echten Fotos, die bearbeitet wurden.

Das Auschwitz-Museum hat darauf wie erwähnt reagiert. In einem anderen Fall erklärte das Museum: »Dies ist ein tiefgreifender Akt der Respektlosigkeit gegenüber dem Andenken derer, die in Auschwitz gelitten haben und ermordet wurden. Es untergräbt die Integrität der historischen Wahrheit.«

Dass viele Seiten derartige Inhalten in verschiedenen Sprachen verbreiten, deutet darauf hin, dass es hier um ein Erlösmodell geht. Dank der Klicks und der Reaktionen können die Betreiber der Seiten im Content-Monetarisierungsprogramm von Facebook nämlich Geld verdienen. Allein 2024 zahlte das Programm zwei Milliarden Dollar aus.

So wird der Missbrauch der Schicksale von Holocaust-Opfern zu einer Geldmaschine: Das Thema bleibt gesellschaftlich relevant, es spricht die Emotionen von Internet-Nutzern an und beruht auf einer schier endlosen Liste von Namen. Die Künstliche Intelligenz macht dieses Geschäft mit Schicksalen noch einfacher. dpa/ja

Links

Post (archiviert) (Video archiviert)

dpa-Faktencheck

Statement vom Auschwitz-Museum (archiviert)

Echte Fotos aus Auschwitz (archiviert)

Haarescheren im KZ (archiviert)

Über Clickbait (archiviert)

Artikel EDMO (archiviert)

Beispiele in Englisch & Französisch (hier & hier archiviert)

Facebook Content Monetization (archiviert)

Zur Geschlechtertrennung im Vernichtungslager (archiviert)

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Kairo

Ägypten: Angeblich Pläne für USA-Reise von Präsident al-Sisi

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sollen Israels Premier und Ägyptens Staatschef keinen Kontakt gehabt haben. Wird sich al-Sisi mit Hilfe eines Gas-Deals zu einem Treffen in den USA bewegen lassen?

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025

Australien

Polizei in Sydney stoppt Verdächtige – Pläne vereitelt?

Nur wenige Tage nach den tödlichen Schüssen an Sydneys weltberühmten Bondi Beach gibt es einen Einsatz von Anti-Terror-Einheiten. Die Verdächtigen sollen auf dem Weg zum Strand gewesen sein

 18.12.2025