Vereinte Nationen für Menschenrechte

Am Pranger

Der Telekommunikationsriese Cellcom steht ebenfalls auf der Liste. Foto: Flash 90

Die Ankündigung war lange geplant. Am Ende kam sie trotzdem überraschend. Nur eine Stunde, bevor die Weltöffentlichkeit informiert wurde, erfuhren israelische Diplomaten in Genf, dass das Büro der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), Michelle Bachelet, nun doch die befürchtete »Schwarze Liste« veröffentlichen würde. Auf ihr stehen die Namen von 112 Unternehmen, die laut OHCHR aktiv den Siedlungsbau in den von Israel besetzten Gebieten unterstützen.

Auch 18 Firmen, die ihren Sitz außerhalb Israels haben, wie die Reisebuchungsseiten Expedia (USA), Opodo (Großbritannien) und Booking.com (Niederlande) sowie die Zimmerbuchungsseite Airbnb, wurden an den Pranger gestellt.

Unter den aufgelisteten wirtschaftlichen Aktivitäten im Westjordanland sind der Wohnungsbau, die Wasserversorgung und das Bankenwesen, aber auch der Dienstleistungssektor. Transportunternehmen wie der Busbetreiber Egged und die israelische Bahn, die Telekommunikationsriesen Bezeq und Cellcom, die Supermarktkette Rami Levy, aber auch kleinere Firmen wie Angel Bakeries und der Restaurantbetreiber Café Café werden namentlich erwähnt.

KNIEFALL Ursprünglich war die Veröffentlichung, die 2016 einstimmig vom UN-Menschenrechtsrat in Auftrag gegeben worden war, bereits für 2017 geplant. Sie wurde dann aber nach Protesten verschoben. Israel ist das weltweit einzige Land, das Zielscheibe einer solchen Liste der Vereinten Nationen ist.

»Ich bin mir bewusst, dass dieses Thema sehr umstritten ist und weiterhin sein wird«, erklärte Bachelet. Nach einer »ausgiebigen und akribischen Prüfung« sei sie jedoch überzeugt, dass die vom Rat vorgegebenen Anforderungen erfüllt worden seien, so die frühere chilenische Staatspräsidentin.

Außenminister Israel Katz nannte die Veröffentlichung einen »Kniefall« vor Ländern und Organisationen, die Israel schaden wollten.

Israel reagierte scharf. Präsident Reuven Rivlin sprach von einer »schändlichen Initiative«, die dem Friedensprozess schade. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte an, jegliche Zusammenarbeit mit Bachelets Büro vorerst zu suspendieren. »Jeder, der uns boykottiert, wird selbst boykottiert«, sagte er.

Außenminister Israel Katz nannte die Veröffentlichung einen »Kniefall« vor Ländern und Organisationen, die Israel schaden wollten. Auch sein amerikanischer Amtskollege schlug in diese Kerbe.

Er sei empört, sagte Mike Pompeo, und das Vorgehen des OHCHR zeige, dass die Vereinten Nationen Israel isolieren wollten. Die USA würden dabei aber nicht mitmachen und auch künftig keine Informationen nach Genf übermitteln, damit solche Listen erstellt werden könnten.

»REALITÄTSVERLUST« Oppositionsführer Benny Gantz warf Bachelet vor, unter »Realitätsverlust« zu leiden. Die israelische Organisation »NGO Monitor« erklärte, die Vereinten Nationen hätten sich nun »offiziell auf die Seite des antisemitischen BDS geschlagen«. Die Firmen auf der Liste hätten nichts Falsches getan, viele von ihnen böten sogar Waren und Dienstleistungen für die Palästinenser an.

Die betroffenen Unternehmen selbst hielten sich mit Reaktionen zurück. Ein Sprecher von General Mills sagte der »New York Times«, man betreibe eine Bäckerei in einem Gewerbegebiet in Ost-Jerusalem, wo unter anderem Brot und Croissants hergestellt würden. Die Hälfte der Arbeiter dort seien Palästinenser. Alle würden gleich behandelt, »unabhängig von ihrer Rasse, Religion oder Nationalität«.

Neben Airbnb und Expedia werden auch kleinere Firmen wie Cafés und Bäckereien genannt.

Zustimmung bekam UN-Hochkommissarin Michelle Bachelet dagegen von den Palästinensern. Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, nannte die »Schwarze Liste« den »ersten konkreten Schritt in einem halben Jahrhundert, um Israel zur Rechenschaft zu ziehen für sein illegales koloniales Siedlungsprojekt«.

STELLUNGNAHME Auch Amnesty International war voll des Lobes. »Zivilisten in besetzten Gebieten anzusiedeln, verletzt humanitäres Völkerrecht und kommt einem Kriegsverbrechen gleich«, sagte die Menschenrechtsorganisation in einer Stellungnahme. Durch die Veröffentlichung der Firmennamen sende die Weltgemeinschaft »eine klare Botschaft, dass Siedlungen niemals normalisiert werden dürfen«.

Der Schritt der UN-Behörde wird wohl vorerst keine praktischen Auswirkungen haben, auch wenn der Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mohammed Schtajjeh, bereits mit rechtlichen Schritten gegen die betroffenen Unternehmen drohte.

Das OHCHR in Genf sagte, die Aufnahme in die Liste stelle keine rechtliche Bewertung der Aktivitäten der genannten Unternehmen dar. Der Menschenrechtsrat müsse nun über die weiteren Schritte beraten.

Zustimmung bekam UN-Hochkommissarin Michelle Bachelet dagegen von den Palästinensern.

Auf der Tagesordnung des Rates, in dem 47 UN-Mitgliedsstaaten vertreten sind, gibt es einen ständigen Tagesordnungspunkt zur »Lage der Menschenrechte in Palästina und anderen besetzten arabischen Gebieten«.

SCHLAGSEITE Die USA hatten sich 2018 aus dem Gremium zurückgezogen, weil es politisch Schlagseite habe gegenüber Israel und sich kaum um die eigentlichen Menschenrechtsverletzer kümmere.

Für die Vereinten Nationen sind alle israelischen Siedlungen illegal. Die große Mehrheit der UN-Mitglieder erkennt den Staat Israel nur in den Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 an. Viele islamische Staaten tun dies aber gar nicht.

Benjamin Netanjahu hatte in den vergangenen Monaten wiederholt angekündigt, im Falle eines Wahlsieges bei den Knessetwahlen am 2. März die von Israel besiedelten Gebiete im Westjordanland zu annektieren.

Er bezieht sich auf den von US-Präsident Donald Trump Ende Januar vorgelegten Friedensplan, der Israel auch künftig die Hoheit über seine Siedlungen zugestehen würde.

Düsseldorf

Wolfgang Rolshoven mit Josef-Neuberger-Medaille geehrt

Mit der Auszeichnung würdigte die Jüdische Gemeinde Rolshovens jahrzehntelanges Engagement für jüdisches Leben und seinen entschlossenen Einsatz gegen Judenhass

 31.10.2025

Berlin/München

Nach Terror-Skandal beim ZDF: ARD überprüft Mitarbeiter in Gaza

Alle in Gaza tätigen Mitarbeiter hätten versichert, keinerlei Nähe zu Terrororganisationen zu haben, sagt der zuständige Bayerische Rundfunk

 31.10.2025

Nürnberg

»Nie wieder darf Hass die Oberhand gewinnen«

Kongressabgeordnete aus Washington D.C., Touristen aus China und Geschichtsinteressierte aus Franken: Das Interesse an den Nürnberger Prozessen ist 80 Jahre nach dem Start des historischen Justizereignisses ungebrochen

von Michael Donhauser  31.10.2025

Ankara

Offene Konfrontation zwischen Erdogan und Merz über Israel und Gaza

Eigentlich wollte der Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch neue Harmonie in die deutsch-türkischen Beziehungen bringen. Bei einer Pressekonferenz mit mit türkischen Präsidenten kommt es stattdessen zur offenen Konfrontation

von Anne Pollmann, Michael Fischer, Mirjam Schmitt  31.10.2025

Jerusalem/Düsseldorf

Yad Vashem will beim Standort in Deutschland eine schnelle Entscheidung

In Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Sachsen soll erstmals außerhalb Israels ein Bildungszentrum zum Holocaust entstehen. Die Entscheidung soll zügig fallen

 31.10.2025

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  31.10.2025

Halle

»Hetze gegen Israel«: Rektorin der Uni Halle gibt Fehler zu 

Die Veranstaltung an der (MLU) fand unter dem Titel »Völkermord in Gaza« statt

 30.10.2025

Bayern

Jüdischer Landesverband kritisiert Dehler-Preis für Imam Idriz scharf

Kritisch äußert sich der Verbandspräsident Josef Schuster insbesondere zu Äußerungen des Imams in Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza

 30.10.2025

Russland

Moskaus Kalkül

Warum der Kreml wenig Interesse daran hat, dass der US-Friedensplan für den Gazastreifen funktioniert

von Alexander Friedman  30.10.2025