Jedwabne

Hakenkreuz auf jüdischer Gedenkstätte

»Sie waren leicht brennbar«: antisemitisches Graffito Foto: dpa

Ausgerechnet Jedwabne. Das Hakenkreuz auf dem Gedenkstein, der an ein grausames Pogrom von polnischen Katholiken an ihren jüdischen Nachbarn im Sommer 1941 erinnert, schockiert viele Polen bis heute. Am Mittwoch entdeckte ein Polizist die antisemitischen Schmierereien. Seitdem vergeht kein Tag, an dem nicht Politiker, Intellektuelle sowie die Botschafter Israels und der USA Stellung nehmen.

Scheune Neben dem Hakenkreuz prangte auf der niedrigen Mauer, die die Gedenkstätte umgibt, der zynische Kommentar »Sie waren leicht brennbar« und »Wir entschuldigen uns nicht für Jedwabne«. Einst stand hier eine Scheune. Als die deutschen Nazis die Sowjetunion überfielen, kamen sie auch durch den ostpolnischen Ort Jedwabne. Das Morden überließen sie den Polen. »Entweder ihr tut es oder wir.« In der Scheune verbrannten Hunderte Juden bei lebendigem Leib.

Obwohl die Quellen frei zugänglich waren, »entdeckte« erst der in New York lehrende polnisch-jüdische Soziologe Jan T. Gross das Verbrechen und machte es publik. Sein Essay Die Nachbarn löste im Jahr 2001 die größte historische Debatte in Polen seit Kriegsende aus. Denn anders, als auf dem offiziellen Gedenkstein für die »1.600 Juden Jedwadnes« stand, waren die Mörder nicht Deutsche, sondern Polen, die sich am Eigentum der jüdischen Nachbarn bereichern wollten.

Pogrom Insgesamt gab es während des Zweiten Weltkriegs rund 60 ähnliche Pogrome in Polen. Mit dem »Fall Jedwabne« brach der aus dem 19. Jahrhundert stammende Mythos von den Polen als »ewigen Helden und Opfern der Geschichte« in sich zusammen. Im Falle Jedwabnes und der anderen Pogrome waren polnische Katholiken zu grausamen Kollaborateuren der deutschen Nazis geworden. Bis dahin hatten auch polnische Intellektuelle den Vorwurf der Kollaboration immer empört von sich gewiesen.

Als 2001 der damalige Präsident Aleksander Kwasniewski zu einer Trauerveranstaltung nach Jedwabne einlud, weigerten sich Polens Bischöfe geschlossen, an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen. Für den damaligen Primas der katholischen Kirche Polens, Kardinal Jozef Glemp, handelte es sich bei der Feier, zu der auch zahlreiche Juden aus aller Welt anreisten, um ein »unwürdiges Schaulaufen«.

Kirche Eine Woche vor der Feier in Jedwabne entschuldigten sich die katholischen Bischöfe in einer Messe der Warschauer Allerheiligenkirche bei Gott für die Untaten einiger Mitglieder der katholischen Kirche. Zur gleichen Zeit konnte man in den Kellergewölben dieser Kirche antisemitische Broschüren und Bücher kaufen. Proteste der Warschauer jüdischen Gemeinde, deren Synagoge schräg gegenüber der Kirche liegt, fruchteten nichts. Der Episkopat fand, dass die Auseinandersetzung mit antijüdischen Positionen zum normalen Meinungsspektrum einer Demokratie gehöre. Erst als ein neuer Priester die Stelle in der Allerheiligenkirche übernahm, kündigte dieser den Mietvertrag mit dem antisemitischen Buchladen.

Als Polens Präsident Bronislaw Komorowski am 10. Juli 2011 zu einer Gedenkfeier anlässlich des 60. Jahrestages des Pogroms nach Jedwabne einlud, bat er im Namen all der katholischen Polen, die diesen Mord für ein Schandmal in der Geschichte Polens halten, um Verzeihung. In der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita, die der rechtsnationalen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter Jaroslaw Kaczynski nahesteht, wurde der Präsident dafür scharf kritisiert.

In Ostpolen werden seit Wochen polnisch-litauische Ortschilder zerstört, eine Synagoge mit Naziparolen beschmiert und die Haustüre eines polnisch-pakistanischen Ehepaares angezündet. Die polnische Antifa-Organisation »Nie wieder« beobachtet seit Monaten eine starke Zunahme rechtsradikaler Straftaten in Polen. Sichtbar ist der polnische Antisemitismus insbesondere in den Fußballstadien und im Internet. Polens Außenminister Radoslaw Sikorski, der mit der Publizistin Anne Applebaum verheiratet ist, kämpft offensiv in den Medien und vor Gericht gegen den Antisemitismus an. Doch Polens Richter sprechen die Täter fast immer frei. Antisemitische Schmierereien seien von »gesellschaftlich geringem Schaden«, finden sie.

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025