Auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite zu Israel wird seit Mitte Dezember ein Vorwurf als Tatsache dargestellt: Dort heißt es nun ausdrücklich, Israel begehe einen Völkermord an den Palästinensern. Diese Formulierung steht im Widerspruch zur aktuellen Rechtslage, denn weder internationale Gerichte noch ein Staatengremium haben bislang einen Genozid festgestellt.
Wie zuerst das »Jewish News Syndicate« berichtete, wurde der entsprechende Passus am 11. Dezember in den Artikel eingefügt. Trotz intensiver Debatten unter Wikipedia-Autoren sei die Änderung bislang nicht rückgängig gemacht worden, schreibt »The Jerusalem Post«. Die umstrittene Passage findet sich prominent im Einleitungsteil des Artikels, am Ende des dritten Absatzes.
Zuvor war der Abschnitt deutlich vorsichtiger formuliert. Er verwies darauf, dass Israels Vorgehen in den palästinensischen Gebieten international kritisiert werde und dass Menschenrechtsorganisationen sowie UN-Vertreter dem Land Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und auch Völkermord vorgeworfen hätten. Diese Darstellung machte klar, dass es sich um Anschuldigungen handelt, nicht um eine feststehende Tatsache.
Mangelnde Ausgewogenheit
In der aktuellen Version wird diese Unterscheidung verwischt. Dort heißt es nun, es habe zwar Diskussionen darüber gegeben, ob von Völkermord gesprochen werden solle, zugleich wird jedoch erklärt, Israel habe nach den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober 2023 damit begonnen, in Gaza einen Völkermord an den Palästinensern zu begehen. Die Aussage ist zudem mit einem eigenen Wikipedia-Eintrag zum sogenannten »Gaza genocide« verlinkt, in dem die Vorhaltung wiederholt wird.
Gerade dieser Artikel steht seit Längerem in der Kritik. Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales erklärte bereits im November, die Seite genüge nicht den Qualitäts- und Neutralitätsstandards der Plattform. »Dieser Artikel verfehlt unsere hohen Maßstäbe und benötigt dringend Überarbeitung«, sagte Wales und sprach grundsätzlich von einem Problem mangelnder Ausgewogenheit bei politisch sensiblen Themen.
In Gaza ging Israel nach den Massakern vom 7. Oktober 2023 gegen die Hamas vor, nicht aber gegen die Zivilbevölkerung. Die Streitkräfte (IDF) versorgten die Bevölkerung des Küstenstreifens, indem sie für die Einfuhr von mehr als zwei Millionen Tonnen an Hilfsgütern sorgten. Auch warnten sie Bewohner jeweils vor Angriffen gegen die Hamas, richteten Fluchtrouten und humanitäre Zonen ein.
Antisemitische Narrative
Auch auf politischer Ebene gibt es inzwischen Reaktionen auf die Wikipedia-Einträge. Im August leitete der Kontroll- und Reformausschuss des US-Kongresses eine Untersuchung ein. Dabei geht es um den Verdacht, dass staatliche Akteure oder organisierte Gruppen gezielt Einfluss auf Wikipedia-Artikel mit Israel-Bezug nehmen.
Hintergrund ist unter anderem ein Bericht der Anti-Defamation League vom März 2025. Darin heißt es, mindestens 30 besonders aktive Autoren hätten systematisch Inhalte verändert, um antisemitische und antiisraelische Narrative zu verbreiten. Diese Gruppe sei im Vergleich zu anderen Autoren über Jahre hinweg deutlich aktiver gewesen – sowohl bei Bearbeitungen als auch in internen Abstimmungen und Diskussionen.
Juristisch ist die Lage indes eindeutig differenzierter, als es die Wikipedia-Formulierung nahelegt. Der Internationale Gerichtshof (IGH) sprach in einem Verfahren zwar von einem »plausiblen Risiko« eines Völkermords, traf jedoch keine Feststellung, dass ein solcher tatsächlich stattgefunden habe. Auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ermittelt wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, hat aber bis Ende 2025 keine Anklage wegen Völkermords erhoben.
Deutsche Version
Auch in Israel werden die vorliegenden Klagen als absurd angesehen, denn Belege dafür gibt es bis heute nicht. Kritiker sehen in der aktuellen Darstellung auf Wikipedia eine faktisch falsche Behauptung mit erheblicher politischer Wirkung.
In der deutschen Version des Israel-Eintrages auf Wikipedia heißt es, Israels Vorgehen im Krieg in Gaza seit 2023 werde »von einer steigenden Anzahl von Genozidforschern und Organisationen wie Amnesty International als Völkermord eingeordnet.« Weder wird in dieser Passage Kritik an der Aussage zitiert, noch werden Fakten über den Krieg erwähnt, die dem Vorwurf widersprechen würden. ja