EuGH-Urteil

Produkte israelischer Siedler müssen gekennzeichnet werden

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Lebensmittel aus israelischen Siedlungen im Westjordanland und den Golanhöhen, die in der Europäischen Union vermarktet werden, dürfen aus Verbraucherschutzgründen nicht mehr das Label »Made in Israel« tragen, sondern müssen ausdrücklich als Siedlungsprodukte gekennzeichnet werden. Das hat der Europäische Gerichtshof am Dienstag in einem Grundsatzurteil entschieden.

In scharfen Worten kritisierten die Luxemburger Richter Israels Besatzungspolitik in den seit 1967 besetzten Gebieten. In den Siedlungen, die Israel im Westjordanland und den Golanhöhen errichtet habe, manifestiere sich eine »Umsiedlungspolitik«, die »dieser Staat außerhalb seines Hoheitsgebiets unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts« umsetze.

Verbraucher Das oberste Gericht der Europäischen Union stellte fest, dass gemäß EU-Recht das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels angegeben werden muss, da ansonsten eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre, und der Eindruck erweckt werden könnte,  ein Produkt stamme aus einem anderen als dem tatsächlichen Ursprungsland.

Der Begriff »Ursprungsland« werde in der betreffenden EU-Verordnung durch Verweis auf den Zollkodex der Union definiert. Danach gälten als Waren eines bestimmten Landes oder Gebiets jene, die entweder vollständig oder wesentlich auf dem Gebiet des betreffenden Landes hergestellt würden.

Verbraucher könnten irregeführt werden, wenn auf Lebensmitteln der Staat Israel als »Ursprungsland« angegeben werde, obwohl die Lebensmittel aus Gebieten stammten, die über einen eigenen völkerrechtlichen Status verfügten und im Sinne des Völkerrechts nur der eingeschränkten Hoheitsgewalt des Staates unterlägen.

Daher habe das Gericht entschieden, dass die genaue Angabe des Herkunftsgebiets der fraglichen Lebensmittel nach EU-Recht verpflichtend sei. Es gälte zu vermeiden, dass bei Verbrauchern der Eindruck erweckt würde, Israel sei in den besetzten Gebieten souverän.

Konsumenten Etiketten müssten so gestaltet sein, dass es Konsumenten möglich sei, unter Berücksichtigung nicht nur von gesundheitsbezogenen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen oder sozialen, sondern auch ethischen Erwägungen oder solchen, die die Wahrung des Völkerrechts betreffen, eine fundierte Wahl zu treffen. Solche Erwägungen könnten die Kaufentscheidung der Verbraucher beeinflussen, so die Richter.

Das Weingut Psagot, das seinen Sitz in der gleichnamigen israelischen Siedlung nördlich von Jerusalem hat, hatte gemeinsam mit einer jüdischen Organisation den französischen Staatsrat angerufen und sich gegen einen Erlass des Landwirtschaftsministeriums zur gesonderten Etikettierung von israelischen Waren aus dem Westjordanland und den Golanhöhen gewandt. Der Staatsrat legte den Fall daraufhin dem EuGH vor.

reaktionen Eine Sprecherin der Europäischen Kommission sagte in Brüssel, das Urteil bestätige die bisherige Haltung der EU. Man erachte die israelischen Siedlungen weiterhin als illegal.

Die EU werde Änderungen an Israels Grenzen von vor 1967 erst dann akzeptieren, wenn sich die betroffenen Parteien im Nahost-Friedensprozess gemeinsam darauf verständigt hätten. Dennoch fühle sich die EU der Sicherheit Israels verpflichtet und lehne auch die BDS-Kampagne kategorisch ab, fügte sie hinzu.

An Israel werden nach Worten des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, strengere Maßstäbe angelegt als an andere Staaten. »Während bei Israel genau hingeschaut wird, woher exakt ein Produkt stammt, erleben wir diese Überkorrektheit bei anderen umstrittenen Gebieten nicht«, kommentierte Schuster auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

umsetzung Israels Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, fordert Deutschland auf, das EuGH-Urteil zur Kennzeichnung von Produkten aus den besetzten Gebieten nicht umzusetzen. »Das Urteil des EuGH hebt Israel aus anderen umstrittenen territorialen Konflikten hervor und trägt nicht zu einer ausgehandelten politischen Lösung bei«, sagte Issacharoff der Zeitung »Die Welt«.

Von Israels Außenminister Katz kam scharfe Kritik. »Das Urteil ist sowohl moralisch als auch grundsätzlich inakzeptabel«, erklärte er in einer Pressemitteilung. Er wolle die EU-Außenminister dazu bewegen, diese »fehlgeleitete Maßnahme nicht umzusetzen«, so Katz. Das dürfte allerdings schwierig werden, denn der Luxemburger Richterspruch ist für alle EU-Mitgliedsstaaten direkt bindend. Eine Empfehlung der EU-Kommission aus dem Jahr 2015, wonach Siedlerprodukte gekennzeichnet werden müssen, wurde nicht von allen Ländern angewandt.

bds-bewegung »Die Manövrierfähigkeit der europäischen Länder wird nach diesem Urteil schwinden. Diejenigen, die Israel die Legitimität absprechen, können es gegen uns verwenden, sowohl auf rechtlicher Ebene als auch in der öffentlichen Wahrnehmung«, zitierte die »Times of Israel« einen namentlich nicht genannten Offiziellen. Eine andere Quelle nannte das Urteil eine Steilvorlage für die BDS-Bewegung.

Auch die European Jewish Association in Brüssel verurteilte das Urteil scharf. Es sei eine »perverse Ironie«, dass ausgerechnet an einem Tag, an dem viele Israelis starkem Raketenbeschuss aus Gaza ausgesetzt seien, ein solches Urteil gefällt würde, sagte EJA-Chef Rabbiner Menachem Margolin und fügte hinzu: »Diese Kennzeichnungspflicht ist eine fundamentale Diskriminierung des einzigen jüdischen Staates. Gibt es irgendein anderes Land auf der Welt mit umstrittenen Gebieten, dem gegenüber eine so offenkundig einseitige Politik praktiziert wird? Die Antwort ist nein«, erklärte Margolin.

Der deutsche Direktor des ebenfalls in Brüssel ansässigen Transatlantic Institute des American Jewish Committee, Daniel Schwammenthal, sieht es ähnlich. »Dieses Urteil wird wohl von all jenen ausgeschlachtet werden, die es darauf abgesehen haben, Israel zu delegitimieren«, sagte er. »Als Befürworter der Zweistaatenlösung sehen wir nicht, wie eine diskriminierende Kennzeichnungspflicht die Suche nach Frieden befördert.« Sie werde dadurch eher noch schwieriger, so Schwammenthal.  (mit kna)

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