Diplomatie

Deutschland und Israel: Leichte Störungen zum Jubiläum

Die Präsidenten Isaac Herzog und Frank-Walter Steinmeier im Februar 2024 in Berlin Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Das Auswärtige Amt spricht von einer »Freundschaft, die ein Geschenk ist«: Vor genau 60 Jahren haben Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen. Das Jubiläum fällt vor allem wegen des Krieges im Gazastreifen in eine nicht einfache Zeit. Zur Feier des Jahrestages wird Israel Staatspräsident Isaac Herzog heute in Berlin erwartet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird dann am Dienstag und Mittwoch Israel besuchen.

Ein solcher Doppelbesuch, wie ihn das Bundespräsidialamt nennt, ist historisch einmalig. Beide Präsidenten werden von ihren Frauen Michal Herzog und Elke Büdenbender begleitet.

Bundeskanzler Ludwig Erhard und der israelische Ministerpräsident Levi Eschkol hatten am 12. Mai 1965 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart. Vorausgegangen war eine schrittweise Annäherung beider Staaten, deren Verhältnis durch den Holocaust, die Ermordung von rund sechs Millionen Juden durch Nazi-Deutschland extrem belastet gewesen war.

Enges Netz

Seitdem haben Deutschland und Israel ein enges Netz politischer, wirtschaftlicher, militärischer, wissenschaftlicher und kultureller Beziehungen geknüpft. Sie werden ergänzt durch einen regen Jugendaustausch und mehr als 100 Städtepartnerschaften. Die jüngste wurde soeben zwischen der deutschen Hauptstadt Berlin und der israelischen Metropole Tel Aviv besiegelt. Israel nennt Deutschland heute seinen zweitwichtigsten strategischen Partner in der Welt gleich nach den USA.

Die Normalisierung der Beziehungen spiegelt sich auch in gegenseitigen Besuchen wider. Im Februar 2000 sprach Bundespräsident Johannes Rau als erstes deutsches Staatsoberhaupt vor der Knesset, dem israelischen Parlament. Auf Deutsch, der Sprache der Täter des Holocaust, bat er um Vergebung für diese Taten. Und er betonte: »Die Mitverantwortung für Israel ist ein Grundgesetz deutscher Außenpolitik seit Gründung unseres Staates.«

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt im März 2008 eine Rede in der Knesset - als erste ausländische Regierungschefin überhaupt. Auch sie betonte Deutschlands Verantwortung für Israel und formulierte in Anlehnung an Rau ein bis heute gültiges Bekenntnis: »Diese historische Verantwortung ist Teil der Staatsräson meines Landes.«

Mahnmal Gleis 17

Nochmals zwölf Jahre später, im Januar 2020, sprach Steinmeier als erster Bundespräsident in der Gedenkstätte Yad Vashem beim Internationalen Holocaust Forum. Er stehe hier »beladen mit großer historischer Schuld«, sagte er mit Blick auf den »industriellen Massenmord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden«.

Lesen Sie auch

Steinmeier wird Herzog am Vormittag im Schloss Bellevue mit militärischen Ehren empfangen. An ein Gespräch der beiden Präsidenten wird sich eine Pressekonferenz anschließen. Steinmeier und Herzog werden später an einem Treffen von deutschen und israelischen Jugendlichen teilnehmen und am Mahnmal Gleis 17 des Bahnhofs Berlin-Grunewald der von hier aus in die Arbeits- und Konzentrationslager deportierten Juden gedenken.

Steinmeier wird in Israel dann unter anderem mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und mit Abgeordneten der Knesset sprechen. Auf dem Programm steht auch ein Besuch in einem Kibbuz. Vorgesehen ist zudem ein Besuch der neuen Nationalbibliothek sowie die Auszeichnung Steinmeiers mit der Ehrenmedaille des israelischen Präsidenten.

Schwierige Zeiten

Das Jubiläum wird in schwierigen Zeiten gefeiert. Die Kriegsführung Israels im Gazastreifen mit vielen toten Zivilisten und die katastrophale humanitäre Lage dort wurden von der alten Bundesregierung immer wieder kritisiert und werden auch von der neuen kritisch gesehen.

Dabei ist es die Hamas, die ihre eigene Bevölkerung als lebenden Schutzschild missbraucht und Israel somit zwingt, gegen Terroristen vorzugehen, die sich in zivilen Gebäuden verschanzen. Die Zivilsten werden jedoch von den israelischen Streitkräften IDF vor geplanten Angriffen gegen den Terror gewarnt. So sollen Opfer unter den Bewohnern so gut es geht vermieden werden. Zugleich kritisierte die ehemalige Bundesregierung wiederholt, dass die israelische Regierung zwei Monate lang keine Hilfsgüter in den Küstenstreifen gelassen hat.

Der Jahrestag der bilateralen Beziehungen sei Anlass zur Freude über das Wunder der deutsch-israelischen Versöhnung, heißt es im Bundespräsidialamt. Gleichzeitig wolle nicht so recht Feierstimmung aufkommen. »Wir schauen mit größter Sorge auf Israel. Wir schauen mit größter Sorge auf das Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.«

Hamas betreibt »Infrastruktur des Terrors«

Das Bundespräsidialamt kündigte an, Steinmeier werde in seinen Gesprächen die israelischen Partner dazu aufrufen, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schützen und das humanitäre Völkerrecht zu achten, obwohl Israel genau dies tut. »Er möchte seine Gesprächspartner auch dringend ermuntern, den Einstieg in politische Verhandlungen zu suchen.«

Herzog sagte dazu soeben in einem ZDF-Interview: »Wir schauen immer auf die Schmerzen von Menschen in Konflikten und wir befolgen das humanitäre Völkerrecht.« Man müsse aber auch verstehen, wem Israel gegenüberstehe. »Das ist eine Infrastruktur des Terrors. Und die wird gesteuert von Hamas in den Häusern, in den Wohnzimmern, in den Schlafzimmern.«

Israel wiederum beobachtet den wachsenden Antisemitismus in Deutschland mit großer Sorge. Dieser hat nach den Massakern, Geiselnahmen, Vergewaltigungen und Raketenangriffen der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 nochmals drastisch zugenommen, wie in einem Bericht der Bundesregierung vom Dezember vergangenen Jahres festgestellt wird. »Der terroristische Überfall hat auch die Bedrohungslage der Jüdinnen und Juden in Deutschland deutlich erhöht.«

Dringlicher denn je scheint heute ein Versprechen zu sein, das Steinmeier schon in seiner Rede in Yad Vashem 2020 abgab: »Wir bekämpfen den Antisemitismus! Wir trotzen dem Gift des Nationalismus! Wir schützen jüdisches Leben! Wir stehen an der Seite Israels!« (mit ja)

Meinung

Präventivschlag gegen eine existenzielle Bedrohung

Irans Atomprogramm verfolgt keine friedlichen Ziele. Nach dem Scheitern der diplomatischen Bemühungen ist Israels Angriff gerechtfertigt

von Ulrike Becker  13.06.2025

Krieg

»Diesmal fühlt es sich anders an«

Die meisten Israelis sind damit beschäftigt, die kommenden Tage zu planen, um in der Nähe guter Schutzräume zu sein

von Tobias Kühn  13.06.2025

Reisen

Lufthansa streicht Flüge in den Nahen Osten

Nach Israel fliegt die größte deutsche Fluggesellschaft seit Anfang Mai nicht mehr. Weil die Lage in der Region sich verschärft hat, kommen weitere Einschränkungen hinzu

 13.06.2025

Krieg

Jemen, Iran, Erdbeben?

Viermal in den Bunker. Wie unsere Korrespondentin und ihre Familie die Nacht des israelischen Angriffs auf die Atomanlagen im Iran und den Gegenangriff der Mullahs erlebt hat

von Sabine Brandes  13.06.2025

Israel

Israel hat die ranghöchsten iranischen Kommandeure getötet

Im Rahmen der Angriffe gegen Irans Atomanlagen wurden auch die mächtigsten Militärkommandeure sowie Atomwissenschaftler des Landes getötet

 13.06.2025 Aktualisiert

Israel

»Ich habe keine Angst, aber ich bin besorgt«

Noam Shaham lebt mit seiner Familie bei Tel Aviv. Ein Gespräch über Nachrichten, Sorgen und Freitagabend

von Katrin Richter  13.06.2025

Nationaler Sicherheitsrat

Offizielle Warnungen für Israelis und Juden im Ausland

Wachsamkeit, Kooperation und Zurückhaltung. Der israelische Nationale Sicherheitsrat hat Warnhinweise für Israelis und Juden im Ausland veröffentlicht

 13.06.2025

Nahost

Neue Welle von israelischen Angriffen im Iran

Auch die Atomanlage Natans ist wieder Ziel einer neuen Welle von Bombardierungen

 13.06.2025 Aktualisiert

Israel

Trost aus Israel: »Wir sind stark«

Meine Schwiegermutter ist der wohl resilienteste Mensch, den ich kenne. Sie tröstet die Familie in der Ferne, während der Iran mehr als 100 Drohnen auf Israel abgefeuert hat

von Sophie Albers Ben Chamo  13.06.2025