Meron

»Das Unglück hätte verhindert werden können«

In Jerusalem bei der Beerdigung von Avrohom Daniel Ambon, einer der Opfer am Berg Meron Foto: Flash 90

Die Opfer der Katastrophe vom Berg Meron sind identifiziert. Alle Verstorbenen sind männlich und strengreligiös. Der Großteil von ihnen ist unter 30 Jahre alt, der jüngste erst neun Jahre alt. Unter den Toten sind auch zwei Brüderpaare. In der Nacht zu Freitag waren bei einer Massenpanik während Lag-Baomer-Feierlichkeiten 45 Menschen getötet worden. Mehr als 150 wurden verletzt, mehrere von ihnen schwer.

PANIK Das Desaster auf dem Berg im Norden Israels hatte sich ereignet, als Menschen nach Angaben von Sicherheitskräften auf Treppen in einem engen Korridor des Areals ausgerutscht und gestürzt waren. Die Opfer wurden in der entstehenden Panik zu Tode gequetscht.

Zehntausende Menschen nahmen am Sonntagabend virtuell bei den Beerdigungen von zwei jungen Amerikanern, einem Kanadier und einem Argentinier teil. Die Jeschiwa-Schüler Daniel Morris (19) aus Teaneck, Yossi Kohn (22) aus Cleveland, Dubi Steinmetz (21) aus Montreal und Avrohom Daniel Ambom (21) aus Argentinien waren bei der Massenpanik ums Leben gekommen.

SÄNGER Rabbi Shraga Gestetner aus Montreal war speziell für Lag Baomer nach Israel gereist. Der in der chassidischen Welt bekannte Sänger, der zuletzt in Monsey im US-Staat New York lebte, wurde in Jerusalem begraben. Er hinterlässt seine Frau und fünf Kinder.

Die Beisetzungen der Nicht-Israelis waren verschoben worden, damit Angehörige aus dem Ausland anreisen konnten. Insgesamt stammen zehn der Opfer aus dem Ausland. Es handelt sich um einen Argentinier, einen Briten, zwei Kanadier und sechs US-Amerikaner.

»Ich weiß, dass du von so vielen geliebt wurdest.«

Mirlana Morris

Mehrere Tausend Trauergäste waren zur Sha’alavim Jeschiwa gekommen, an der Daniel Morris studiert hatte. Die Jeschiwa verbindet religiöse Studien und den Militärdienst in Israel. »Ich habe so viele Fragen, aber so gut wie keine Antworten«, sagte seine Mutter Mirlana Morris unter Tränen. »Doch ich weiß, dass du von so vielen geliebt wurdest.« Der Tod ihres Sohnes sei mehr, als eine Mutter ertragen kann. Der 19-Jährige wurde auf dem Ölberg in Jerusalem beerdigt.

SZENEN Bei den Beisetzungen in verschiedenen Orten spielten sich herzzerreißende Szenen ab. Tausende kamen auch, um von Yossi Kohn und Dubi Steinmetz Abschied zu nehmen. Beide hatten an der Mir Jeschiwa in Jerusalem studiert.

Die Brüder Moshe Mordechai und Yosef David Elhadad aus Jerusalem, erst zwölf und 18 Jahre alt, wurden in der Nähe der Unglücksstelle Meron beerdigt. Andere Opfer wurden in Jerusalem, Bnei Brak und Beit Schemesch zu Grabe getragen, den Wohnorten vieler Opfer. Besonders bewegend war die Beisetzung von Yehuda Leib Rubin (27) auf dem Friedhof von Beit Schemesh. Sein vierjähriger Sohn Yonatan sprach das traditionelle Kaddisch-Gebet der Trauernden für seinen Vater.

SCHMERZ Präsident Reuven Rivlin sprach am Sonntag zu den Hinterbliebenen: »Der Schmerz der Familien ist unvorstellbar. Als der Schabbat begann, wussten viele noch nicht, was mit ihren Liebsten geschehen ist, als der Schabbat endete, mussten sie sie zu Grabe tragen. Ich teile Ihren Schmerz – alle Israelis teilen Ihren Schmerz«.

Der Präsident richtete sich auch an die Rettungskräfte und an die die Mitarbeiter der forensischen Institutes Abu Kabir. »Nehmen Sie sich Zeit und erlauben Sie sich zu atmen und diese traumatischen und schockierenden Ereignisse zu verarbeiten, bevor Sie weitermachen«, sagte er und dankte allen Helfern für ihren Einsatz bei dieser schweren Aufgabe.  

»Es ist ein Akt der Solidarität mit den Opfern dieser schrecklichen Katastrophe.«

Premier Benjamin Netanjahu

Hunderte von Israelis hatten nach dem Desaster Blut gespendet. Darunter auch Premierminister Benjamin Netanjahu. »Es ist ein Akt der Solidarität mit den Opfern der schrecklichen Katastrophe, die geschehen ist. In kritischen Zeiten kommt unser Volk zusammen – so wie jetzt.« Er versprach, mit der Regierung »alles zu tun, um den Familien der Opfer zu helfen«. Neben dem Ministerpräsidenten spendete der Direktor des Schaarei Zedek Krankenhauses in Jerusalem Blut.

Der Tod so vieler Menschen hat die charedische Gemeinde schockiert. Einige beginnen zu fragen, ob der Preis der sogenannten »ultraorthodoxen Autonomie« innerhalb des israelischen Staates nicht zu hoch sei. Immer mehr Warnungen werden bekannt, die in den Tagen, Wochen und Monaten vor der Veranstaltung wegen großer Sicherheitsbedenken ausgesprochen und ignoriert wurden.

UNTERSUCHUNG Der staatliche Kontrolleur Matanyahu Englman erklärte am Montag, dass er eine Sonderuntersuchung des Desasters einleiten werde. »Wir werden genauestens prüfen, wie dieses Geschehen hätte vermieden werden können«. Er nannte zwei Berichte, die von seiner Behörde in den vergangenen zwei Jahren zum Berg veröffentlicht wurden. Beide beschrieben »große Risiken für die Besucher der Pilgerstätte im Norden Israels«.

Nun soll vor allem der jetzige Entscheidungsprozess untersucht werden. Doch auch der Umgang mit dieser Stätte in den vergangenen Jahren und der mit Massenveranstaltungen in Israel im Allgemeinen werde beleuchtet. Dabei soll es auch um persönliche Verantwortlichkeiten gehen. Für Englman steht bereits jetzt fest: »Das Unglück hätte verhindert werden können.«

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