Justiz

Weil’s nicht zum Leben reicht

Kämpft um sein Aufenthaltsrecht in Deutschland: Rabbiner Moshe Navon Foto: Alexandra Umbach

Eigentlich ist Moshe Navon ein ausgeglichener und unaufgeregter Mensch. Doch seitdem die Ausländerbehörde der Stadt Bochum ihm mitgeteilt hat, dass er und seine Familie Deutschland bis Ende August verlassen müssen, ist es mit der Ruhe des Reformrabbiners vorbei. Die Behörde sieht die Sicherung seines Lebensunterhalts und den seiner Frau sowie ihrer vier schulpflichtigen Kinder nicht gewährleistet. Es droht die Abschiebung nach Israel.

»Seit Wochen kann ich an nichts anderes denken«, sagt Navon und geht aufgeregt in seiner Wohnung in der Bochumer Innenstadt auf und ab. »Wir leben gerne in Deutschland und möchten unbedingt bleiben und hier das liberale Judentum stärken.« Um dieses Ziel zu erreichen, hat er nun Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eingereicht. Er hofft, dass das Gericht ihm ermöglicht, beruflich weiter in Deutschland Fuß fassen zu können. Seit August 2009 bezieht der in der Sowjetunion Aufgewachsene Arbeitslosengeld.

perspektiven Grund zur Hoffnung gibt ihm die Einschätzung seiner Anwältin Annette Kärger-Steinhoff. »Die beruflichen Perspektiven der Eheleute Navon sind durchaus vielversprechend«, sagt sie und verweist darauf, dass Navons Frau gerade eine Beschäftigung als Tagesmutter auf 400-Euro-Basis gefunden hat. Moshe Navon selbst hat für das kommende Wintersemester drei Lehraufträge im Umfang von insgesamt acht Wochenstunden sicher. Der in Jerusalem promovierte Rabbiner soll an der Ruhr-Universität Bochum, der Evangelischen Fachhochschule Bochum sowie am Jüdischen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die Geschichte des Judentums lehren. Darüber hinaus ist er im Laufe der vergangenen zwei Jahre für die liberalen Gemeinden Unna, Oberhausen und Bad Pyrmont unverzichtbar geworden. Seit 2008 hält er dort regelmäßig Gottesdienste ab und wird dafür vom Zentralrat vergütet.

Doch auch wenn Navons und die Einnahmen seiner Frau nicht für den Lebensunterhalt ausreichen sollten, gelte es für das Gericht noch einen anderen Aspekt zu berücksichtigen, meint Kärger-Steinhoff. »Die Arbeit von Moshe Navon liegt im öffentlichen Interesse, denn sie trägt in hohem Maße zur Wiederbelebung des christlich-jüdischen Dialogs bei.« Und dass dieser Dialog floriere, zeige schon die Tatsache, dass sich Universitätsdozenten, Pfarrer, Lehrer und Studenten, zusammen 40 Personen, für den Rabbiner starkmachen. »Nicht zuletzt auch deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass unsere Klage Erfolg haben wird«, sagt die Anwältin.

Unterstützung Alles andere als optimistisch schätzt Barbara Gottschlich, Sprecherin der Stadt Bochum, die Lage ein. Auf Anfrage sagte sie der Jüdischen Allgemeinen, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Urteil Navons Aufenthaltsgenehmigung ausschließlich dann verlängern könne, wenn er nicht weiterhin auf finanzielle Unterstützung des Staates angewiesen sei. Dieses Kriterium müsse er erfüllen, denn für Nicht-EU-Bürger wie ihn sei dies eine Bedingung für das Bleiberecht.

Jan Mühlstein, dem Vorsitzenden der Union progressiver Juden in Deutschland, würde Navon gerne helfen, doch auch ihm sind die Hände gebunden. Zurzeit sei es den liberalen Gemeinden aus finanziellen Gründen nicht möglich, ihn als Rabbiner fest einzustellen. Das werde sich zwar spätestens 2013, wenn der Staatsvertrag mit dem Zentralrat verlängert werde, ändern, doch so viel Zeit hat Navon nicht. Die juristischen Anforderungen wird er bis Ende August wohl nicht erfüllen können. Er hofft dennoch, dass das Gericht seine Bemühungen anerkennt. Denn nach Israel zurückzukehren, wäre für ihn finanziell gesehen »eine Katastrophe«.

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025