Interview

»Viele queere Räume sind für uns mittlerweile verschlossen«

Vorstandsmitglied beim queer-jüdischen Verein Keshet Deutschland: Ariel Elbert Foto: Keshet Deutschland e.V.

Ariel Elbert, der »Pride Month« neigt sich seinem Ende zu. Wie hat »Keshet Deutschland« die queere Festzeit dieses Jahr begangen?
In Kooperation mit der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und ihren Regionalgruppen haben wir dieses Jahr vier »Pride Shabbatot« organisiert: in Frankfurt am Main, Halle an der Saale, Hamburg und Stuttgart. Das ist jedes Mal eine schöne Gelegenheit für queere Jüdinnen und Juden und ihre Verbündeten, in Räumen der jüdischen Gemeinden zusammenzukommen und jüdisch-queere Praxis zu erleben. Ein weiterer Pride Schabbat findet dieses Wochenende in der Synagoge Oranienburger Straße statt. Wir freuen uns schon sehr!

Am Samstag findet in Berlin mit dem »Christopher Street Day« (CSD) das wohl größte queere Event des Jahres in Deutschland statt. Wird Keshet Deutschland mit dabei sein?
Ja, wir werden eine offizielle Laufgruppe auf dem CSD stellen.

Kann man bei solchen Events ohne Probleme mit Davidstern und Israelflagge auftreten, wie es Keshet Deutschland normalerweise tut?
Beim CSD geht das noch am ehesten, die Veranstaltung bewegt sich im Mainstream und wird von zahlreichen Organisationen und Unternehmen gefördert. Auch hier läuft für uns nicht immer alles reibungsfrei, aber beim CSD sind immer genug Freunde und Verbündete dabei. Mittlerweile wird der CSD jedoch von vielen Gruppen boykottiert, die ihren eigenen Veranstaltungen organisieren, etwa die »Internationalist Queer Pride«, die jedes Jahr parallel zum CSD durch Berlin-Neukölln zieht. Diese Veranstaltung meiden wir lieber.

»Es gibt immer mehr Wendehälse, die sich dem israelfeindlichen Konsens in der Szene anschließen.«

Warum?
Wir sind dort nicht willkommen. Die Regenbogenfahne mit dem Davidstern ist verboten und die Veranstaltung wird von Gruppen getragen, die antisemitisch sind und die Ermordung israelischer Zivilisten befürworten. Auch im diesjährigen Aufruf zum »Palestine Bloc« wird die »Intifada« verlangt, ein Euphemismus für Terror gegen Israel, und ein Gleitschirmflieger abgebildet – eine positive Bezugnahme auf die Massaker vom 7. Oktober 2023 durch Hamas-Terroristen, die teilweise mit Gleitschirmen die Grenze zu Israel überquert hatten.

Was hat sich für queere Jüdinnen und Juden durch diese Entwicklung in der LGBTIQ-Szene seit dem 7. Oktober 2023 verändert?
Wir erleben einen stillen Boykott. Viele queere Räume sind für uns mittlerweile verschlossen – wir gehen nicht mehr hin und werden auch nicht eingeladen. Das ist auch für queere Israelis ein Problem, die sich außerhalb ihres Landes kaum noch bewegen können. Nirgendwo anders auf der Welt sind sie derzeit willkommen. Dieser Boykott hat zu einem völligen Erliegen des Austauschs geführt. Eine Nebeneinanderstellung von Perspektiven, einen Diskurs gibt es in der queeren Szene derzeit nicht. Das finde ich sehr schade. Zudem wird die Situation zunehmend schlimmer: Es gibt immer mehr Wendehälse, die sich dem israelfeindlichen Konsens in der Szene anschließen.

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Gleichzeitig wächst der Druck auf die LGBTIQ-Szene von rechts. Wie trifft das queere Jüdinnen und Juden?
Es führt uns vor Augen, wie isoliert wir sind. Wir würden eigentlich sehr gerne in breiteren Bündnissen gegen den Rechtsruck aktiv werden, fühlen uns außerhalb jüdischer Kontexte aber nicht sicher genug. Derzeit fokussieren wir uns daher auf uns selbst.

Gibt es einen Ausweg aus dieser Situation?
Wir haben noch keinen konkreten Plan, aber so viel ist klar: Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie wir aus queeren Räumen verdrängt werden. Das lassen wir nicht einfach auf uns sitzen.

Mit dem Vorstandsmitglied von Keshet Deutschland sprach Joshua Schultheis.

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