Erfurt

Neue Führungskräfte

Fachhochschule Erfurt: Eröffnung des Masterstudiengangs »Management und Interkulturalität« Foto: Esther Goldberg

Am Dienstag ist der deutschland- und europaweit erste Studiengang »Management und Interkulturalität« an der Erfurter Fachhochschule eröffnet worden. An der Feierstunde nahmen Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Thüringens Bildungs-Staatssekretär Thomas Deufel, Rabbiner Julian Chaim Soussan aus Frankfurt am Main sowie Reinhard Schramm, der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, teil.

Auch Erfurts Sozialbürgermeisterin Tamara Thierbach gehörte zu den Gästen. »Dieser neue Studiengang beweist, dass in Erfurt nicht nur jüdische Geschichte lebt, sondern auch die Gegenwart«, sagte sie und zeigte sich davon angetan, dass die Fachhochschule diesen Studiengang anbietet. Das Studium ist für Führungskräfte jüdischer Gemeinden und Einrichtungen vorgesehen und umfasst fünf Semester.

Modell Fachhochschulpräsidentin Kerstin Wydra eröffnete die Feierstunde für den berufsbegleitenden Masterstudiengang. Sie erklärte, dass die »langjährige Kooperation des Zentralrats der Juden und der Zentralwohlfahrtsstelle mit der Hochschule Früchte getragen hat«. Für sie stellt die Zuwanderung einen Motor des gesellschaftlichen Wandels dar. »Der Studiengang ist für mich ein Modell, das künftig auch für andere Minderheiten in Deutschland gelten und entsprechend entwickelt werden könnte«, erklärte sie.

Die an der Fachhochschule angebotene Ausbildung sei national und international relevant. Deshalb halte sie es für sinnvoll, in absehbarer Zeit die Ausbildungsmodule auch in englischer Sprache anzubieten. »Interkulturelles Handeln bedeutet, die Pluralität der Kulturen anzuerkennen«, betonte sie.

Für Kramer ist »der Studiengang ein Grund zum Feiern. Jüdische Gemeinden leben von professioneller Führung und Organisation«, sagte er. Zudem mache der Studiengang deutlich, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder blühe. Kramer bedankte sich bei der Thüringer Landesregierung für die Unterstützung und versicherte, dass mit dem Studienort Erfurt der geografische Standort im Herzen Europas eine gute Ergänzung zu der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg darstelle.

Zum Verhältnis von Religion und Bildung aus jüdischer Sicht sprach Julian Chaim Soussan. In Erfurt können nach seiner Meinung Lehre, Wissen und Sozialarbeit gelehrt und damit eine gute Grundlage für jüdisches Leben gelegt werden. »Bildung ist der einzige Bereich, wo man selbst nichts verliert, wenn man etwas weitergibt«, betonte er. »Judentum und Bildung gehören zusammen«, so der Rabbiner.

Über die Bedeutung von Bildung, Ausbildung und interkultureller Kompetenz sprach Esther Weitzel-Polzer, die gemeinsam mit Doron Kiesel den Studiengang wissenschaftlich leitet. »Wir haben bereits einen Bachelor-Studiengang zur jüdischen Sozialarbeit. Da ist ein Masterstudiengang nur folgerichtig«, sagte sie der Jüdischen Allgemeinen. Bei der Eröffnungsfeier betonte sie: »Unser Ziel ist es, dass die Absolventen so viel Wissen bekommen, dass sie Institutionen und Einrichtungen führen können.«

Anspruch Einige der neuen Studenten haben bereits ihr Bachelor-Studium an der Fachhochschule absolviert. Weitzel-Polzer wird selbst lehren – und zwar Führungstheorie. »Führungskräfte müssen ihr Handwerk beherrschen«, so ihr Anspruch. Wer führe, müsse die Mitarbeiter ernst nehmen und wertschätzen. Dafür benötige man Wissen und auch soziale Kompetenz.

Für Doron Kiesel war in den vergangenen Jahrzehnten eine Gemeinsamkeit von Deutschland Ost und West verblüffend: »Beide Teile waren ernsthaft der Meinung, dass das Land eine monokulturelle Gesellschaft sein müsse«, staunt er immer noch. Inzwischen habe sich allerdings die Einsicht durchgesetzt, dass man in einem Einwanderungsland lebe.

Das Studium solle Wege und Kompetenzen an die Hand geben, sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. »Multikulturalität ist eine Herausforderung, an der man wachsen kann«, führte der Professor aus, ehe er sich beim Zentralrat der Juden in Deutschland und bei der Landesregierung Thüringens für die Unterstützung für diesen Studiengang bedankte.

Bislang haben sich 23 Studenten aus Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden für dieses berufsbegleitende Studium eingeschrieben. Voraussetzung für eine Zusage sind ein bereits vorhandener Bachelor- oder Diplomabschluss und mindestens ein Jahr praktische Berufserfahrung.

Prominentester Student dieses Studiengangs dürfte der Thüringer Rabbiner Konstantin Pal sein. »Ich will auf diese Weise die Lücken schließen, die sich durch mein Rabbinatsstudium ergeben haben«, begründet er seine Einschreibung an der Fachhochschule. Vor allem in den Bereichen Betriebswirtschaftslehre und Recht hofft er auf mehr Wissen.

Finanzierung Das Studium wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland finanziert. Auch das Thüringer Kultusministerium unterstützt den Studiengang. Schwerpunkte sind neben Migration und Integration Führungs- und Organisationstheorien, Unternehmensführung, Personalentwicklung, Arbeitsrecht und Projektarbeit.

In den rund 110 jüdischen Gemeinden Deutschlands sind 90 Prozent der Mitglieder Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. »Wir benötigen stabile jüdische Gemeinden und neue Ideen«, erklärte Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, und setzt auf jüdisches Leben, das in die Gesellschaft ausstrahlt. Dieses Studium könne einen Weg zu mehr Öffentlichkeit ebnen, ist er überzeugt.

Ebenfalls während der Eröffnungsfeier anwesend war Jose Paca, der Vorsitzende des Erfurter Ausländerbeirats. »Wenn Men- schen interkulturell gebildet sind, macht das auch andere Migranten stark«, ist er überzeugt. Die musikalische Umrahmung der Eröffnungsfeier gestaltete Roman Kupferschmidt mit seiner Klarinette. Nach der offiziellen Feier gab es einen Empfang für Studierende und Gäste.

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  02.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025