Köln

Juden in der Bütt

»Däm han se op d’r Schlips getrodde!« Dieser Schriftzug prangte 1936 auf einem Motivwagen des Rosenmontagszugs in Köln. »Auf den Schlips getreten« sollten sich die Juden in Deutschland fühlen. Der Wagen kommentierte höhnisch die Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung durch die gerade beschlossenen »Nürnberger Gesetze«. Ihr Erlass wirkte sich somit postwendend auf den Kölner Karneval aus: In der Session 1936 hielt erstmals offener Antisemitismus im offiziellen Sitzungskarneval Einzug.

Das Foto des Karnevalswagens ist in der Ausstellung »Kölle Alaaf unterm Hakenkreuz« des Kölner NS-Dokumentationszentrums zu sehen. Sie erzählt die Geschichte des Kölner Karnevals in der NS-Zeit und ist damit die bundesweit erste Gesamtschau zum Karneval im »Dritten Reich«.

Originale Aufwendig recherchierte Fotos und Filmausschnitte, originale Tonaufnahmen und nachgesprochene Büttenreden zeigen Schein und Wirklichkeit des karnevalistischen Treibens. Eines machen sie vor allem deutlich: Entgegen dem lange gepflegten Selbstbild war der Kölner Karneval der NS-Zeit nur selten von Ideologie frei oder gar ein Ort des Widerstandes.

Erst in den 90er-Jahren beauftragten Karnevalsvereine Untersuchungen dazu. Seit 2000 sind jedoch eine ganze Reihe von Studien zum Thema erschienen. Ausgewiesener Kenner der Kölner Karnevalsgeschichte ist Marcus Leifeld. Bevor er jetzt die Schau am Appellhofplatz kuratierte, hatte er bereits zusammen mit Carl Dietmar das Buch Alaaf und Heil Hitler. Karneval im Dritten Reich geschrieben.

Vehikel Er charakterisiert den Karneval in der NS-Zeit als Vehikel, mit dem die nationalsozialistische Obrigkeit NS-Politik und -Ideologie zu verbreiten suchte. Viele Angehörige der SA, kommunaler Behörden und der Partei übernahmen prominente Rollen im organisierten Karneval. Die närrischen Akteure wurden so zu Mittlern zwischen den Machthabern und der Bevölkerung.

Diese Gleichschaltung und Instrumentalisierung des Faschings traf von Anfang an auch die vielen traditionell karnevalbegeis- terten Kölner Juden. Der bekannte Bankier Simon Oppenheim etwa spielte 1824 die Prinzessin Venetia. In der Frühzeit der Wei- marer Republik hatten Kölner Juden sogar einen eigenen Karnevalsverein, den Kleinen Kölner Klub, gegründet. Der KKK feierte in jeder Session mindestens ein großes Kostümfest.

Exil Präsident Max Salomon und die Mitglieder empfingen das Kölner Dreigestirn ebenso wie die Roten Funken. Die Spuren des Vereins verlieren sich in der großen Wirtschaftskrise Ende der 20er-Jahre, Salomon emigrierte in die USA. Zu den prominenten jüdischen Karnevalisten gehörte auch der jüdische Conférencier, Liedertexter und Autor Hans Tobar. Seine Karriere endete 1933, er emigrierte ebenfalls in die USA. Ihre Liebe zum Karneval nahmen die Kölner Juden mit ins Exil. Sie gründeten Karnevalsvereine und feierten weiter. Max Salomon veranstaltete noch im amerikanischen Exil rheinische Abende und stieg dort in die Bütt.

Die Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum Köln, Appellhofplatz 23-25, ist bis zum 4. März 2012 geöffnet.

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  15.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Berlin

Margot Friedländer Preis wird verliehen

Die mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Auszeichnung gehe an Personen, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzen

 15.09.2025

München

»In unserer Verantwortung«

Als Rachel Salamander den Verfall der Synagoge Reichenbachstraße sah, musste sie etwas unternehmen. Sie gründete einen Verein, das Haus wurde saniert, am 15. September ist nun die Eröffnung. Ein Gespräch über einen Lebenstraum, Farbenspiele und Denkmalschutz

von Katrin Richter  14.09.2025

Hamburg

»An einem Ort getrennt vereint«

In der Hansestadt soll die Bornplatzsynagoge, die in der Pogromnacht von den Nazis verwüstet wurde, wiederaufgebaut werden. Ein Gespräch mit dem Stiftungsvorsitzenden Daniel Sheffer über Architektur, Bürokratie und Räume für traditionelles und liberales Judentum

von Edgar S. Hasse  13.09.2025

Meinung

»Als Jude bin ich lieber im Krieg in der Ukraine als im Frieden in Berlin«

Andreas Tölke verbringt viel Zeit in Kyjiw und Odessa – wo man den Davidstern offen tragen kann und jüdisches Leben zum Alltag gehört. Hier schreibt er, warum Deutschland ihm fremd geworden ist

von Andreas Tölke  13.09.2025

Porträt der Woche

Das Geheimnis

Susanne Hanshold war Werbetexterin, Flugbegleiterin und denkt über Alija nach

von Gerhard Haase-Hindenberg  13.09.2025