Aschaffenburg

Ihr Name steht für Toleranz

Zwischen Judentum und Afrika: Ruth Weiss (l.) wird als Brückenbauerin geehrt. Foto: Victoria Schilde

Seit dem vergangenen Montag heißt die Staatliche Realschule für Mädchen in Aschaffenburg Ruth-Weiss-Schule. Rund 700 Schülerinnen lernen hier. Zum Festakt zur offiziellen Namensgebung kamen nicht nur die 85-jährige Ruth Weiss, sondern auch zahlreiche ihrer Angehörigen und Wegbegleiter, unter anderen der südafrikanische Freiheitskämpfer Denis Goldberg.

Wurzeln Die Stadt Aschaffenburg und das bayerische Kultusministerium ehren mit der Namensgebung eine Jüdin, deren Familie einst in der Region verwurzelt war. Mathias Löwenthal, ein Onkel von Ruth Weiss, unterhielt bis zur »Arisierung« ein florierendes Kaufhaus in der Aschaffenburger Innenstadt. Weiss selbst lebte im fränkischen Fürth und floh 1936 nach Südafrika. Doch dort erfuhr sie bald, wie sie sagt, »dass es überall Unrecht gibt«: Als Journalistin kämpfte sie schreibend gegen die Rassentrennung im Apartheids-System, bis sie 1966 Einreiseverbot in Südafrika erhielt.

In den folgenden Jahren etablierte sich Weiss als Autorin für Wirtschaftsthemen, lebte zeitweise in London und Sambia und arbeitete unter anderem für den britischen Guardian und die Deutsche Welle. In Deutschland wurde Ruth Weiss, die heute im Münsterland lebt, vor allem durch ihr Jugendbuch Meine Schwester Sara bekannt. Ruth Weiss’ familiäre Verbindung nach Aschaffenburg ist nicht der einzige Grund, warum Schulleiter Claus Kömm überzeugt ist, die ideale Namensgeberin für seine Mädchenschule gefunden zu haben.

Identität Nachdem der Wunsch nach einem identitätsstiftenden Schulnamen immer größer geworden sei, habe man vor allem »eine starke und geradlinige Frauenpersönlichkeit« gesucht. »Sie sollte gleichzeitig für unser Engagement auf dem sozialen Sektor stehen«, erklärt Kömm, dessen Schule mit einem sozialen Zweig ausgestattet ist und seit 1993 eine Partnerschaft mit einem Waisenhaus in Sambia pflegt. Unter anderem durch Klassenpartnerschaften haben die Aschaffenburger Schülerinnen in 17 Jahren über 40.000 Euro für das »Kasisi Children’s Home« gesammelt.

Mit diesem Engagement kann sich Ruth Weiss identifizieren – und so stimmte sie zu, als ihr eine Delegation der Schule im Dezember 2009 die Bitte zutrug, Namensgeberin zu werden. »In der Mitte der Schulfamilie« sei dieser Wunsch entstanden, sagt Rektor Kömm. Seine Schülerinnen hatten Weiss zuvor als Zeitzeugin und Schriftstellerin kennengelernt; hatten mit ihr über NS-Terror und Apartheidsregime gesprochen. Zustande gekommen war der erste Kontakt zu Ruth Weiss 1999 durch Lehrerin Anni Kropf, die rege Verbindungen nach Afrika pflegt. Inzwischen haben sich die Schülerinnen unter anderem in einer Projektwoche mit Ruth Weiss’ Lebensweg auseinander gesetzt.

Brückenschlag Sie habe die Ehre jedoch nicht für sich angenommen, betont Weiss. »Ich sehe mich als Stellvertreterin – nicht nur für die jüdische Gemeinde Aschaffenburgs, sondern auch für Hunderttausende Menschen, die während der Apartheid gegen Unrecht gekämpft haben.« Entsprechend deutlich warb Ruth Weiss vor den Mädchen »ihrer« Schule für Toleranz und Mitgefühl. Auf ihrem Lebensweg habe sie gelernt, was sie nun weitergeben will: »Gebt nie auf, auch wenn ihr Rückschläge erlebt. Schaut nicht im Groll zurück, nehmt nur das Gute mit in die Gegenwart, aus der die Zukunft wächst.«

Von Ruth Weiss stammen auch die Bücher »Der Judenweg« (2004) und »Die Nottaufe« (2006). Beide sind beim Mosse Verlag in Berlin erschienen.

Zusammenhalt

Kraft der Gemeinschaft

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern feierte das Fest der Freiheit im Geiste von Tradition und Herzlichkeit

von Rabbiner Shmuel Aharon Brodman  03.05.2025

Porträt der Woche

Die Zeitzeugin

Assia Gorban überlebte die Schoa und berichtet heute an Schulen von ihrem Schicksal

von Christine Schmitt  03.05.2025

Sehen!

Die gescheiterte Rache

Als Holocaust-Überlebende das Trinkwasser in mehreren deutschen Großstädten vergiften wollten

von Ayala Goldmann  03.05.2025 Aktualisiert

München

Anschlag auf jüdisches Zentrum 1970: Rechtsextremer unter Verdacht

Laut »Der Spiegel« führt die Spur zu einem inzwischen verstorbenen Deutschen aus dem kriminellen Milieu Münchens

 02.05.2025

Auszeichnung

Margot Friedländer erhält Großes Verdienstkreuz

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer erhält das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Steinmeier würdigt ihr Lebenswerk als moralische Instanz

 02.05.2025

Berlin

Tage im Mai

Am Wochenende beginnt mit »Youth4Peace« ein Treffen von 80 jungen Erwachsenen aus 26 Ländern. Sie wollen über Frieden und Demokratie sprechen. Auch Gali und Yuval aus Israel sind dabei

von Katrin Richter  01.05.2025

Frankfurt

Zwischen den Generationen

2020 führten Jugendliche gemeinsam mit Überlebenden der Schoa ein »Zeitzeugentheater« auf. Nathaniel Knops Dokumentarfilm »Jetzt?« zeigt dessen Entstehung und feierte nun Premiere

von Eugen El  01.05.2025

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025