Berlin

Genüsse und Gefühle

Mit routiniertem Schwung landet das längliche Stück gegrillte Aubergine auf dem Teller. Schnell noch etwas Tahini-Soße darüber, einige Granatapfelkerne und Frühlingszwiebeln, und fertig ist das Gericht mit dem einzigartig rauchigen Geschmack.

Diese und noch fünf weitere Einblicke in die jüdische Küche servierten der israelische Starkoch Israel Aharoni und sein deutscher Kollege Martin Lisson, Küchenchef des Fünf-Sterne-Superior-Hotels The Ritz-Carlton, am Sonntag beim Live Cooking »Jewish Ethnic Food«. Was genau das ist, das beschrieb Aharoni gleich zu Beginn in einem kurzen Vortrag über die jüdische Küche und ihre Herausforderungen.

Chamin »Es gibt nicht die eine jüdische Küche, aber bei allen Einflüssen, ob marokkanisch, polnisch oder irakisch: Man musste sich immer überlegen, wie man ein schmackhaftes Mahl zubereitet und dabei die Speisevorschriften beachtet.« Als Beispiel nannte Aharoni den Tscholent oder Chamin, einen Eintopf, der mehrere Stunden im Ofen vor sich hinköchelt und danach, wie Aharoni sagte, »unbeschreiblich gut schmeckt«.

Unbeschreiblich gut schmeckte es auch Judith Wegner. Die junge Studentin aus Berlin probierte die Hühnersuppe, die als das jüdische Gericht schlechthin gilt. »Ich bin selbst eine begeisterte Köchin, und mein Freund, der koscher isst, hat mich hierher eingeladen«, beschreibt sie. Als nächstes würde sie die Fleischbällchen probieren. Diese duften nach Zimt, Pfeffer und Anis und werden in einer Feige serviert. Dazu gibt es Pitot und reichlich Tahini. Das Show-Kochen findet bei den Kulturtagen zum ersten Mal statt, und es war definitiv eine Bereicherung – den Gästen jedenfalls schmeckte es.

Gefühle Einen Leckerbissen musikalischer Art gab es dann am Sonntagabend beim Abschlusskonzert der 27. Jüdischen Kulturtage: der israelische Kult-Musiker Shlomo Artzi in der Synagoge Rykestraße. So leise die Kulturtage vor zehn Tagen begonnen hatten, so laut endeten sie. Denn die neun Musiker gaben alles: Stimme, kräftige Drum-Soli und viel Gefühl.

Für Shlomo Artzi war es das erste Mal, dass er in Deutschland ein Konzert gegeben hat. Der Künstler, dessen Eltern die Schoa überlebt haben, sagte gleich zu Beginn, dass es ihm bestimmt nicht leichtfallen würde, an diesem Abend aufzutreten: »Und dann noch in einer Synagoge! Aber wahrscheinlich hat das alles seinen Sinn, dass wir hier sind und auch noch auf hebräisch singen.« Das Publikum applaudierte, und nahm Shlomo Artzi in den Arm und hielt ihn bis zum letzten Lied. Dort fühlte sich der 66-Jährige mehr als wohl. Er ging durch die Reihen, unterhielt sich mit dem Publikum in einer Mischung aus Hebräisch und Englisch und übersetzte sogar einige seiner Liedtexte.

Diese lieb gemeinte Hilfe brauchten die eingefleischten Fans nicht: Sie sangen fast jedes Wort lauthals mit, schienen jede Note auswendig zu können. Saßen zu Beginn des Konzerts noch alle brav auf ihren Plätzen, standen zum Schluss der Show die Menschen im Gang, an den Geländern der Emporen und vor der Bühne. Es schien Artzi vielleicht selbst nicht ganz geheuer, was genau in der Synagoge Rykestraße vor sich ging, denn oftmals blickte der Sänger einfach nur in die Runde, atmete durch, wischte sich mit seinem dunkelroten Handtuch den Schweiß von der Stirn.

Rock Die achtköpfige Band, die neben Schlagzeug, zwei Gitarren, Keyboard und Bass auch aus einer Cellistin, einer Geigerin und einem Saxofonisten bestand, spielte die Musik, die Shlomo Artzi zum Erzählen seiner Geschichten braucht: von verträumten Melodien über eingängige Poprhythmen bis hin zu rockigen Passagen.

Shlomo Artzi ist mehr als nur ein Sänger, er ist Erzähler, er schafft Identität und nimmt die Menschen an seine Hand. Am Ende stehende Ovationen, viele Zugaben und noch eine ganz persönlichen Botschaft des Bandschlagzeugers Meir Israel. Der Auftritt in Berlin sei angesichts der Geschichte kein einfacher gewesen. Aber dieser besondere Abend habe ihn sehr stolz gemacht.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025