Mizwa

Willkommen in der Hütte

Je voller die Sukka, desto fröhlicher das Fest. Foto: Marco Limberg

Mizwa

Willkommen in der Hütte

Gastfreundschaft ist eines der wichtigsten Sukkot-Gebote

von Rabbiner Avraham Radbil  06.10.2014 11:29 Uhr

Sukkot wird in unseren Gebeten als »sman simchateinu«, Zeit unserer Freude, bezeichnet. Doch was ist so besonders an diesem Feiertag? Schließlich sollen wir uns doch an allen Feiertagen erfreuen. So steht es schließlich in der Tora: »wesamachta bechagecha«, du sollst dich an deinem Feiertag erfreuen. Wieso wird die Freude des Laubhüttenfestes dann extra betont?

Der Hauptgrund dafür ist vielen Meinungen nach sicherlich die Simchat Bet Haschoewa, das Wasserschöpffest: eine besondere Feier, die während der Sukkottage im Tempel von Jerusalem veranstaltet wurde. Der Talmud (Traktat Sukka 51a) sagt, dass derjenige, der die Feier von Simchat Bet Haschoewa nicht gesehen hat, in seinem Leben keine richtige Feier erlebt hat.

Praxis Bedeutende Rabbiner sind sich aus diesem Anlass nicht zu schade, besondere Tänze mit viel Akrobatik und Tricks wie Jonglieren auszuführen. So ist es bis heute übliche Praxis in den meisten Jeschiwot und in vielen Gemeinden, während der Sukkottage besondere Wasserschöpffeiern zu veranstalten.

Der ursprüngliche Grund für diese Feier, das Ausgießen des Wassers auf den Altar, ist zwar nicht mehr vorhanden. Dennoch hilft die Erinnerung an den Brauch im Tempel den Menschen, auch heute noch ein ganz besonderes Fest zu gestalten.

Es gibt aber auch andere Gründe, warum das Laubhüttenfest als Zeit der Freude bezeichnet wird. Dieser Feiertag findet am 15. Tischri statt, gleich im Anschluss an Rosch Haschana und Jom Kippur. An diesen Tagen werden wir gerichtet und idealerweise auch in das Buch des Lebens eingeschrieben. Während der zehn Bußtage zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur gebietet der Schulchan Aruch, besondere Frömmigkeit zu praktizieren, um G’tt näherzukommen. Und wir erreichen diese besondere Nähe an Jom Kippur – dem Tag, an dem wir Engeln gleichen, die keine körperlichen Bedürfnisse wie Essen und Trinken verspüren.

Provisorium Gleich nach dem höchsten Feiertag verlassen wir unsere ständigen Wohnsitze, unsere Häuser und Wohnungen, und begeben uns in einen provisorischen Wohnsitz: in die Laubhütte oder Sukka. Damit erkennen wir an, dass nicht die Wände unserer Häuser uns Schutz bieten, sondern allein der Allmächtige, gepriesen sei Er. Und genauso, wie er uns während der Wüstenwanderung in unseren Laubhütten beziehungsweise durch Seine Wolken der Herrlichkeit schützte, genauso schützt er uns auch heute vor allem Bösen. Diese besondere Nähe und die von uns erreichte religiöse Stufe, Bekenntnis und Erkenntnis, sind natürlich ein weiterer Grund zur Freude.

Das Gebot, in der Sukka zu verweilen, ist auch das einzige Gebot, das mit dem ganzen Körper, also mit allen Körperteilen gleichzeitig erfüllt werden kann, wenn wir uns ganz in der Sukka befinden. Bei allen anderen Geboten sind immer nur einzelne Körperteile involviert. Die Tatsache, dass wir auf einmal den ganzen Körper in eine Mizwa involvieren, ist daher auch ein Grund zur Freude.

Gäste Ein weiterer Grund sind die besonderen Gäste, die uns an diesem Feiertag besuchen. Das kabbalistische Buch Zohar erzählt, dass wir an den Sukkottagen von den sieben Helden unserer Geschichte in der Sukka besucht werden. Jeden Tag kommt ein anderer Gast in unsere Sukka. So gibt es auch besondere Gebete, mit denen man Awraham, Jitzchak, Jakow, Mosche, Aharon, David und Josef begrüßt.

Das ist zweifelsohne auch ein Grund dafür, warum die Gastfreundschaft an Sukkot eine besondere Rolle spielt. Diese Idee wird in einer interessanten Halacha verdeutlicht. Während der Sukkottage ist es uns geboten, Speisen aus Mehl und insbesondere Brot ausschließlich in der Sukka zu verzehren. Falls es aber regnet, müssen wir uns nicht in der nassen Sukka quälen – und dürfen zu Hause essen.

Diese Regel gilt allerdings nicht für den ersten Sukkotabend, denn die erste Mahlzeit des Feiertages ist von besonderer Wichtigkeit. So muss man bis Mitternacht warten, bis der Regen aufhört, um in der Sukka essen zu können. Erst nach Mitternacht kann man zu Hause essen, falls der Regen nicht aufgehört hat.

Mahlzeit Falls man aber arme Leute zur Mahlzeit eingeladen hat, von denen man ausgehen kann, dass sie während des Tages keine Mahlzeit zu sich nahmen, soll man laut der Mischna Brura nicht bis Mitternacht warten, sondern sofort anfangen, zusammen mit den Gästen die Mahlzeit zu Hause im Trockenen zu verzehren. Mehr als das: Widersetzt man sich dieser Anordnung, übertritt man dabei ein anderes Verbot. Also wird Gästen eine besondere Wichtigkeit zugesprochen, die größer ist als die Wichtigkeit des Gebots, am ersten Sukkottag in der Sukka zu essen.

So schreibt auch der Rambam, dass jeder, der bequem mit seiner Familie in seinen vier Wänden sitzt und speist, aber seine Mahlzeit nicht mit den Bedürftigen teilt, die Mizwa nicht der Freude wegen, sondern nur für seinen Magen erfüllt.

Aus diesem Grund war es früher immer üblich, mindestens einen Bedürftigen zur Sukkotmahlzeit einzuladen. Heute kann man dieses Gebot auch mit einer Spende an die Bedürftigen erfüllen. Denn was ist die Freude wert, wenn sie nicht mit anderen geteilt werden kann?

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Osnabrück.

Konzil

»Eine besondere Beziehung«

»Nostra Aetate« sollte vor 60 Jahren die Fenster der katholischen Kirche weit öffnen – doch manche blieben im christlich-jüdischen Dialog verschlossen. Ein Rabbiner zieht Bilanz

von David Fox Sandmel  21.11.2025

Toldot

An Prüfungen wachsen

Warum unsere biblischen Ureltern Hungersnöte und andere Herausforderungen erleben mussten

von Vyacheslav Dobrovych  20.11.2025

Kalender

Der unbekannte Feiertag

Oft heißt es, im Monat Cheschwan gebe es keine religiösen Feste – das gilt aber nicht für die äthiopischen Juden. Sie feiern Sigd

von Mascha Malburg  20.11.2025

Talmudisches

Gift

Was unsere Weisen über die verborgenen Gefahren und Heilkräfte in unseren Speisen lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  20.11.2025

Jan Feldmann

Eine Revolution namens Schabbat

Wir alle brauchen einen Schabbat. Selbst dann, wenn wir nicht religiös sind

von Jan Feldmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

USA

6500 Rabbiner auf einem Foto

»Kinus Hashluchim«: Das jährliche Treffen der weltweiten Gesandten von Chabad Lubawitsch endete am Sonntag in New York

 17.11.2025

Talmudisches

Torastudium oder weltliche Arbeit?

Was unsere Weisen über das rechte Maß zwischen Geist und Alltag lehren

von Detlef David Kauschke  14.11.2025