Basel

Basler Rabbiner übersetzt Talmud-Traktat über Purim 

Foto: Douglas Abuelo

Basel

Basler Rabbiner übersetzt Talmud-Traktat über Purim 

Zu seinem Abschied hat Moshe Baumel »Megilla« ins Deutsche übertragen

von Peter Bollag  25.03.2024 17:28 Uhr

In wenigen Monaten scheidet Moshe Baumel aus seinem Amt als Gemeinderabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB) aus. Zu seinem Abschied legt er etwas Spezielles vor: Nämlich zwei Bände des (babylonischen) Talmud-Traktats »Megilla«, die er ins Deutsche übersetzt hat. Es geht dabei um die Regel-Sammlung, welche die Umsetzung der Tora in die Praxis behandelt.

Das Traktat »Megilla« hat das Purim-Fest zum Inhalt, der Veröffentlichungstermin passt also zum jüdischen Kalender. Darin geht es unter anderem um die Frage, wann und wo die Ester-Rolle gelesen werden soll, und wie diese beschaffen sein sollte.

Aus 32 Seiten Traktat entstanden zwei Bände Übersetzung

Dass es mit 32 Seiten eines der kürzesten aller Talmud-Traktate ist, sei einer der Gründe gewesen, warum sich Moshe Baumel dafür entschieden hat: »Mir war von Anfang an klar, dass ich als Gemeinderabbiner nicht unbeschränkt Zeit für die Übersetzung habe.« Begonnen hatte er im Lockdown während der Corona-Epidemie, in der teilweise keine G’ttesdienste stattfinden konnten und er auf einmal über Zeit verfügte. Dass aus den bloß 32 Seiten nun ein zweibändiges Werk entstanden ist, macht für den Autor im Übrigen absolut Sinn: »Der Talmud ist ja absichtlich kurzgehalten, denn wichtig ist die mündliche Auslegung unserer Gelehrten.« Diese ergänzte Baumel in seiner Übersetzung.

Dazu gibt es aber noch andere, nämlich historisch-philosophische Gründe, warum Baumel dieses Traktat wählte: »Die Purimgeschichte behandelt ja auch die Frage, wie das jüdische Volk und das Judentum grundsätzlich mit dem Exil umgeht.« Überleben, auch und gerade wenn die physische Gefahr groß ist – ob im Persien des Haman oder heute: »Selbstverständlich konnte ich den 7. Oktober nicht vorausahnen, aber die Purimgeschichte wiederholt sich in Teilen leider immer wieder – und geht nicht immer so gut aus wie diese«.

Das Buch Esther sei aber auch in nichtjüdischen Kreisen teilweise gut bekannt und werde rezipiert. Dies sei ein weiterer Grund, warum er sich für dieses Traktat entschieden habe, sagt Moshe Baumel, der gleichzeitig mit seinem Basler Amt noch Dekan des Rabbinerseminars in Berlin ist und der deshalb regelmäßig Zeit dort verbringt.

Eine Übersetzung in heutiger Sprache

Wichtig sei ihm auch die Übersetzung in eine heutige Sprache gewesen, meint er weiter. Eine Sprache, die einfach zu verstehen sei. Er hoffe deshalb darauf, dass seine Übersetzung auch im Religionsunterricht benutzt wird; er wolle damit auch Jugendliche ansprechen, die sich für jüdische Bildung interessierten, aber vielleicht keine Jeschiwa besuchen möchten oder können. Das liest sich dann an der Stelle, in der ein Engel zu Jehoschua kommt und diesem stellvertretend für sein Volk vorwirft, so: »Gestern (..) habt Ihr das tägliche Nachmittagsopfer, wegen des bevorstehenden Kampfes, vernachlässigt und jetzt, in der Nacht, in der es keine Kriegshandlungen gibt (wie Raschi erklärt), habt Ihr auch noch das Tora-Studium vernachlässigt.« Die Gemara diskutiert daraufhin die Frage, welches Vergehen denn schlimmer sei (es ist das verpasste Tora-Studium).

Rabbiner Baumel, der in Wilna geboren wurde und in Berlin aufgewachsen ist, amtiert seit 2015 in Basel. Dass seine Talmud-Übersetzung gerade in dieser Schweizer Stadt herauskommt, mache ihn stolz, weil sie an eine alte Tradition anknüpft: Im 16. Jahrhundert war in der Universitätsstadt schon einmal der babylonische Talmud gedruckt worden, allerdings in einer von der Kirche zensierten Version. Das Werk der verachteten jüdischen Minderheit hatte damals auch in Basel keine große Lobby, doch setzte sich der Drucker Ambrosius Froben schließlich durch – der Basler Talmud ist in der Fachwelt bis heute ein Begriff.

»Der babylonische Talmud – übersetzt und erläutert von Moshe Baumel«, Basel, 2023 (im Selbstverlag erschienen)

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Schöpfung

Glauben Juden an Dinosaurier?

Der Fund der ersten Urzeitskelette stellte auch jüdische Gelehrte vor Fragen. Doch sie fanden Lösungen, das Alter der Knochen mit der Zeitrechnung der Tora zu vereinen

von Rabbiner Dovid Gernetz  23.10.2025

Noach

Ein neuer Garten Eden

Nach der Flut beginnt das Pflanzen: Wie Noachs Garten zum Symbol für Hoffnung und Verantwortung wurde

von Isaac Cowhey  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Bereschit

Die Freiheit der Schöpfung

G’tt hat für uns die Welt erschaffen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, sie zu verbessern

von Rabbiner Avichai Apel  17.10.2025