Diplomatie

Payer oder Player?

Traf am Dienstag Außenminister Yair Lapid: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: picture alliance / AA

In seiner fünfjährigen Amtszeit als Präsident der Europäischen Kommission ließ sich der Luxemburger Jean-Claude Juncker nicht in Israel blicken. Seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen ist weitaus reiselustiger. Anfang dieser Woche flog sie zu einem dreitägigen Besuch nach Israel und in die Palästinensergebiete.

Erst im Mai war die Präsidentin des Europaparlaments, die Malteserin Roberta Metsola, in Jerusalem gewesen und hatte dort vor der Knesset eine Rede gehalten. Von der Leyen, Chefin der größten EU-Institution, wurde eine solche Ehre nicht zuteil.

energieversorgung Sie musste stattdessen mit der Senatshalle der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva vorliebnehmen, wo ihr die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Über die Vertiefung der Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der Energieversorgung, bei der Überwindung von Ernährungskrisen und die Lage im Nahen und Mittleren Osten habe von der Leyen mit ihren israelischen Gesprächspartnern gesprochen, hieß es anschließend.

Die bilateralen Beziehungen sind nach Ansicht von Beobachtern besser, als es die teils heftigen Debatten über den Nahostkonflikt nahelegen.

Die bilateralen Beziehungen sind nach Ansicht von Beobachtern besser, als es die teils heftigen Debatten über den Nahostkonflikt nahelegen. Seit dem Jahr 2000 ist Israel durch ein Assoziierungsabkommen eng an die EU angebunden. Das schlägt sich vor allem in den Bereichen Handel und Forschung nieder. Zwar gab es in der Vergangenheit immer wieder politische Dissonanzen zwischen Brüssel und Jerusalem, in erster Linie wegen der israelischen Siedlungen im Westjordanland.

Doch die wirtschaftlichen Kennziffern sprechen eine klare Sprache: Ein Drittel des israelischen Außenhandels findet mit dem EU-Binnenmarkt statt, und das kleine Israel rangiert auf Platz 24 der Liste der wichtigsten EU-Handelspartner weltweit.

FÖRDERPROGRAMME Die EU unterstützt Israel auch bei der Angleichung seiner Rechtsvorschriften an europäische Normen, was dem Warenhandel förderlich ist. Ende 2021 unterschrieben Israels Botschafter bei der EU, Haim Regev, und Forschungskommissarin Mariya Gabriel ein Abkommen, das israelischen Wissenschaftlern und Einrichtungen Zugang zum 95 Milliarden Euro schweren EU-Förderprogramm »Horizon Europe« gewährt – zu den gleichen Konditionen wie Forschern aus EU-Ländern. Am Sonntag beschloss das israelische Kabinett, dem EU-Programm »Creative Europe« beizutreten, das den Austausch Kulturschaffender befördern soll.

Es gibt auch Wermutstropfen. So sollten sich eigentlich gemäß Assoziierungsabkommen einmal im Jahr Vertreter der EU und Israels auf Ministerebene treffen. Doch seit 2013 hat der sogenannte Assoziationsrat nicht mehr getagt. In Brüssel wollte man damit wohl ein Zeichen setzen gegen die Siedlungspolitik. Diese lässt der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell regelmäßig in Medienaussendungen verurteilen. Doch Borrells rechte Hand, Stefano Sannino, Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, trat jüngst beim Empfang der israelischen EU-Mission in Brüssel auf. Dort sagte er, an Regev gewandt: »Haim, ich weiß, ich schulde dir noch einen Termin für den Assoziationsrat.«

Israel ist durch Abkommen eng an die EU gebunden.

Intern sind die EU-Institutionen in Bezug auf Israel oft uneins. Zuletzt sorgte die Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und der Umgang mit israelfeindlichen Inhalten in palästinensischen Schulbüchern für Streit. Von der Leyens zuständiger Kommissar Olivér Várhelyi blockierte jüngst die Auszahlung von 214 Millionen Euro Fördermitteln an die PA, weil sich die Palästinenser weigerten, Änderungen am Unterrichtsmaterial vorzunehmen.

widerstand Dagegen gab es massiven Widerstand aus zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten. In Ramallah erklärte von der Leyen am Dienstag: »Alle Schwierigkeiten sind beseitigt. Wir haben deutlich gemacht, dass die Auszahlung erfolgen wird.« Fast zeitgleich verteidigte ihr Kommissar Várhelyi seine harte Linie: Der Kampf gegen anti-israelische Hetze und Antisemitismus werde in der EU anderen Erwägungen untergeordnet, wetterte er in Brüssel.

Daniel Schwammenthal, Direktor des Büros des American Jewish Committee in Brüssel, hält Várhelyis Haltung für richtig. »Die EU-Institutionen betonen zu Recht immer wieder ihre Verpflichtung, gegen jede Form von Antisemitismus und Terrorismus einzutreten. Dann sollten sie aber nicht tatenlos zusehen, wenn mit EU-Geldern Schulkinder verhetzt oder Terrorrenten mitfinanziert werden«, sagte er dieser Zeitung.

Das habe nichts mit Ausgewogenheit oder der möglichen Vermittlerrolle der EU im Nahostkonflikt zu tun. »Da geht es um grobe Verletzungen europäischer Werte und um echte Hürden für den Frieden«, findet Schwammenthal. Die EU dürfe nicht nur Payer (Zahlmeister), sondern müsse ein glaubwürdiger Player (Akteur) in der Region Nahost sein.

debatte Wenn es nach Nicola Beer geht, gibt es in den EU-Beziehungen zu Israel Luft nach oben. Vor Kurzem war die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments ebenfalls in Israel. »Die EU muss weg von der Seitenlinie«, fordert Beer. Der Nahostkonflikt sei vom außenpolitischen Radar der EU verschwunden, sagte sie der Jüdischen Allgemeinen – »wissend, dass nichts geklärt ist zwischen Israel und dem palästinensischen Volk«.

Intern sind die EU-Institutionen in Bezug auf Israel oft uneins.

Von israelischer Seite werde das ähnlich wahrgenommen und der Wunsch geäußert, die EU möge sich stärker einbringen, gerade wegen ihrer »Historie als Friedensprojekt«. Die Schulbuchdebatte werde viel zu emotional geführt, findet die FDP-Politikerin.

Beer plädiert für mehr Kooperation et­wa in Sachen Energie, Technologie und Sicherheit. So könne die EU zum Beispiel ein Netzwerk ins Leben rufen mit den Ländern, die die Abraham-Abkommen umfassen.

Etwas nüchterner sieht es ihr grüner Parlamentskollege Reinhard Bütikofer. Gefragt, wie er von der Leyens Haltung und die ihrer Behörde gegenüber Israel bewerte, sagte Bütikofer dieser Zeitung: »Eine Israelpolitik der Kommission ist mir insgesamt bislang nicht aufgefallen. Aber wahrscheinlich war ich nicht aufmerksam genug.«

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