Tabgha

Angriff auf die Religion

»Dass die Götzenbilder vertilgt werden«: Ein Mönch liest die Wörter aus dem Alejnu-Gebet, die die Täter an die Wand schmierten. Foto: dpa

Als wir von dem Anschlag hörten, haben wir unser Reiseprogramm geändert und sind sofort zum Kloster Tabgha aufgebrochen.» Für Rabbiner Julian-Chaim Soussan aus Frankfurt war die Nachricht vom Brandanschlag auf das deutsche Benediktinerkloster am See Genezareth in der Nacht zum vergangenen Donnerstag ein Schock.

Gemeinsam mit zwei Rabbinerkollegen – Avichai Apel, Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD), und Jonah Sievers, Vorstandsmitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), sowie zwei katholischen Bischöfen – war Soussan, Mitglied im Beirat der ORD, nach Israel gereist. Die Initiative ging vom Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff aus. Es war die erste gemeinsame Fahrt von deutschen Bischöfen und Rabbinern ins Heilige Land.

reise Doch diese Reise, die ganz im Zeichen des christlich-jüdischen Dialogs und des Gesprächs mit Muslimen stand, wurde durch den Anschlag auf das Kloster auch zu einem Zeichen der Solidarität mit der christlichen Minderheit in Israel.

«Alles hat nach Rauch gerochen. In einem ausgebrannten Durchgang lagen drei tote Schwalben.» So beschreibt Julian-Chaim Soussan die Szenerie bei seiner Ankunft in Tabgha. Mit Rauchvergiftung wurde ein 79 Jahre alter Mönch ins Krankenhaus geliefert. Auch eine 20 Jahre alte Praktikantin musste behandelt werden, und es entstand erheblicher Sachschaden.

Mit blutroter Farbe wurde außerdem an die Wand neben dem Feuer ein Zitat aus dem täglichen jüdischen Alejnu-Gebet geschmiert: «Dass die Götzenbilder vertilgt werden.» Dieses Gebet, so Rabbiner Soussan, sei «Ausdruck der Hoffnung, dass am Ende aller Zeit alle Menschen einen einzigen Gott erkennen werden». Die Täter aber hätten die hebräischen Worte «ve-haelilim karot jikaretun» («dass die Götzen vertilgt werden») benutzt, um «ihre Verachtung für andere Menschen auszudrücken. Davon distanzieren wir uns».

bestürzung Imame, der örtliche Rabbiner, drusische Vertreter und die Rabbiner aus Deutschland trafen kurz nach Bekanntwerden des Anschlags in Tabgha ein. «Wir standen alle zusammen und äußerten unsere Bestürzung. Für uns war klar: Wir müssen diesen Menschen zur Seite stehen und die Solidarität, die wir bei der Beschneidungsdebatte durch die katholische Kirche erfahren haben, erwidern», sagte Soussan. Weiter erklärte er: «Jedes Jahr am 9. November gedenken wir der brennenden Synagogen. Es darf einfach nicht sein, dass Juden Gotteshäuser angreifen. Das ist beschämend.»

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte: «Jegliche Angriffe auf religiöse Stätten verurteilen wir zutiefst.» Israel sei «ein sicherer Ort für Christen und wird es bleiben». Auch die ARK verurteilte den Anschlag. Rabbiner Jonah Sievers betonte, in Israel herrsche Religionsfreiheit.

Unterdessen nahm die israelische Polizei 16 jüdische Jugendliche aus dem Norden des Westjordanlandes unter dem Verdacht der Brandstiftung vorübergehend fest. Zehn von ihnen stammen aus der als extremistisch geltenden Siedlung Jitzhar. Alle sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Ein Anwalt sagte, es gebe keine Beweise für ihre Tatbeteiligung.

rechenschaft Israels Präsident Reuven Rivlin versicherte, die zuständigen Behörden würden alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, der Anschlag auf die Kirche sei nicht nur ein Anschlag auf Christen, sondern ein Anschlag auf das gesamte Land. Sicherheitsminister Gilad Erdan wies die Polizei im Norden Israels an, der Aufklärung der Tat oberste Priorität einzuräumen.

Die katholische Kirche in Israel erklärte, sie sehe die Brandstiftung als «Fortsetzung der Aggression gegen christliche Stätten» an. Diese habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Rabbiner Soussan berichtete, Gregory Collins, der Abt von Tabgha, der auch dem Dormitio-Kloster in Jerusalem vorsteht, habe erzählt, junge Leute aus dem Umkreis einer Jeschiwa hätten mehrfach Mönche angespuckt. Ähnliche Beschwerden äußern auch Mitarbeiter der Evangelisch-Lutheranischen Kirche in Jerusalem. Bei der Karfreitagsprozession hätten Juden vor dem Kreuz ausgespuckt.

Am vergangenen Sonntag wurde die Brotvermehrungskirche in Tabgha wieder geöffnet. Tausende von Christen kamen zu einer Messe, die der ehemalige Latinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, und Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo lasen. Hunderte schwenkten Vatikanflaggen und hielten Kreuze hoch. Die Kirche ist für ihre Bodenmosaike bekannt und ein wichtiges Ziel christlicher Pilger. Hier soll Jesus laut Neuem Testament mit fünf Brotlaiben und zwei Fischen 5000 Menschen satt gemacht haben.

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

»Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben«, schreibt Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Kairo

Ägypten: Angeblich Pläne für USA-Reise von Präsident al-Sisi

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sollen Israels Premier und Ägyptens Staatschef keinen Kontakt gehabt haben. Wird sich al-Sisi mit Hilfe eines Gas-Deals zu einem Treffen in den USA bewegen lassen?

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025