Meinung

Doppelte Standards, verkehrte Welt

Gedenkwand im Kibbuz Re’im für die Opfer des 7. Oktober 2023 Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Vor fast genau einem Jahr, am 7. Oktober 2023 ereignete sich das schlimmste Massaker an Juden seit 1945. Die Hamas-Terroristen und ihre Mitläufer ermordeten, vergewaltigten und entführten aber auch - ohne zu diskriminieren – Araber, Christen und Buddhisten, die sich zum Zeitpunkt des Angriffs in den Ortschaften nahe des Gazastreifens aufhielten.

Während 2014 viele Prominente, darunter die US-Präsidentengattin Michelle Obama, eine Kampagne für die in Nigeria entführten Mädchen lancierten, schwiegen dieselben Influencer auch nach dem 7. Oktober oder begnügten sich damit, die Taten eher pflichtschuldig zu verurteilen.

Während es eine riesige »Believe Women« Kampagne gab, als 2018 der Richter Brett Kavanaugh für einen Sitz im US-Supreme Court nominiert wurde, und auch später während der Prozesse gegen Jeffrey Epstein und Harvey Weinstein, schwieg die Welt betreten, als israelische Frauen von Vergewaltigungen berichteten, welche sogar von der Hamas selbst zugegeben wurden.

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Eines ist offenkundig: Wenn es um Israelis oder allgemein um Juden geht, zeigt die Welt oft wenig bis gar keine Empathie für das Leiden von Opfern von Gewalt. Und wenn, ist die Empathie meist nicht von langer Dauer.

Stattdessen wird Israel mit großer Ausdauer und entgegen der Evidenz seit nunmehr einem Jahr beschuldigt, einen Genozid und massive Kriegsverbrechen zu begehen. Die meisten, die diese Begriffe in den Mund nehmen, wissen nicht, was sie bedeuten, und sie rechtfertigen oder verharmlosen gleichzeitig die tatsächlichen Kriegsverbrechen und Genozide der anderen Seite. Es ist – wieder einmal - die typische Täter-Opfer-Umkehr.

Ja, unschuldige Opfer sind immer zu beklagen. Aber – Michael Wolffsohn hat darauf hingewiesen in der »Neuen Zürcher Zeitung«: Es gibt einen Unterschied zwischen Töten und Morden, den schon die Bibel macht. Es macht eben einen großen Unterschied, ob man sich gegen genozidale Angriffe zur Wehr setzt, ob man Terroristen ausschaltet, oder ob man vorsätzlich Zivilisten angreift, um sie umzubringen.

Gemäß dem Völkerrecht ist es nicht per se ein Kriegsverbrechen, wenn bei der Tötung feindlicher Kombattanten Zivilisten ums Leben kommen. Auch die Zahl der Getöteten ist nicht unbedingt maßgeblich für die Bewertung. Vielmehr ist gemäß dem Genfer Abkommen entscheidend, ob das Verhältnis der eingesetzten Methoden und Mittel zu dem angestrebten und tatsächlich bewirkten militärischen Zweck beachtet wird (Verhältnismäßigkeitsgebot). Außerdem sind Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz von zivilen Personen und Objekten zu ergreifen (Vorsichtsmaßnahmen).

Genau das tun die israelischen Streitkräfte. Dass sie nicht perfekt sind, dass Fehler passieren, ist offenkundig. Dass es aber keinen Vorsatz für eine gezielte Tötung von Zivilisten gibt, weder in Gaza noch im Libanon, sollte ebenso offenkundig sein.

Leider wird das in der medialen Berichterstattung in Deutschland häufig nicht beachtet. Stattdessen ist – auch in den öffentlich-rechtlichen Medien – davon die Rede, dass Israel »angreift«, dass es dabei »viele Tote im Gazastreifen gab«, etc.

Jede einzelne Information mag für sich genommen richtig sein, sie blendet aber zentrale Variablen völlig aus. Wenn Verteidigungshandlungen gegen Terroristen als »Angriffe« dargestellt und Angriffshandlungen der Hamas oder der Hisbollah auf zivile Ziele ganz verschwiegen oder im Kontext eines bestimmten Narrativs als »Widerstand« gegen die israelische Aggression hingestellt werden, entsteht nun mal ein falsches Bild.

Das Völkerrecht verbietet übrigens auch, Zivilpersonen als Schutzschilde für militärische Ziele zu missbrauchen oder die Bewegungen der Zivilbevölkerung so zu lenken, dass sie militärische Ziele vor Angriffen abschirmen oder Kriegshandlungen decken. Das ist, was sowohl Hamas als auch Hisbollah nachgewiesenermaßen getan haben und was sie weiterhin tun.

Es ist die ureigene Aufgabe eines Staates, die eigene Bevölkerung zu schützen. Würde irgendein anderes Land auf der Welt, das täglich mit Dutzenden Raketen angegriffen wird und in dem über 70.000 Bürger seit einem Jahr Flüchtlinge im eigenen Land sind, sich anders verhalten als Israel? Man möge mir ein Beispiel geben.

Würde die internationale Gemeinschaft ein anderes Land ebenso harsch verurteilen, wie sie Israel verurteilt? Oder werden an Israel und Juden andere Standards angelegt?

Warum wird ein Mann wie Hassan Nasrallah, an dessen Händen das Blut Tausender Menschen klebte (übrigens auch von Amerikanern), von Teilen der westlichen Medien als »Moderater« oder gar als »Stabilitätsanker« dargestellt, obwohl seine Ziele immer die Zerstörung Israels und die Unterjochung des Libanon und Syriens unter die Herrschaft der Islamischen Republik Iran waren?

Während im Westen nach seinem Tod auf den Straßen protestiert und getrauert wurde, feierten viele Menschen im Iran, Libanon und Syrien den Tod eines tyrannischen Terroristen. Woher kommt diese Faszination und Liebe für eine menschenverachtende Philosophie im Westen und wie lange geht diese schon zurück?

Der Putsch von Ajatollah Ruhollah Chomeini gegen den Schah 1979 war nur durch ein Bündnis mit den linken Kräften möglich. Genau diese gehörten kurze Zeit später zu den ersten, die hingerichtet oder eingekerkert wurden.

Trotzdem wird seitdem und schon seit Jahrzehnten an Universitäten im Westen, allen voran in den USA und dem Vereinigten Königreich, ein angeblicher Post-Kolonialismus für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht. Es ist eine Theorie, die zum Teil von islamistischen Akademikern mitgeschrieben und die mit viel Geld unter anderem aus Katar gefördert wurde. Das Resultat ist nun bekannt: eine indoktrinierte Jugend mit einem Hass auf die Werte des Westens.

Ob diese Erklärung ausreicht, um das Phänomen umfassend zu erklären, lässt sich schwer sagen. Sie würde aber zumindest einen Hinweis geben, warum sich Studenten und andere junge Menschen mit Personen identifizieren, die Frauenrechte, die Rechte von LGBTQ+-Personen und die allgemeinen Menschenrechte ver- und missachten.

Das bedeutet auch eine Gefahr für unsere Demokratie, die sowieso schon genügend anderen Gefahren ausgesetzt ist, sei es durch autokratische Regierungen, durch Populisten und durch rechtsextreme Bewegungen.

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