Hamburg

Zentralrat der Juden kritisiert Gastprofessuren für ruangrupa-Mitglieder

Iswanto Hartono und Reza Afisina vom Künstlerkollektiv ruangrupa Foto: picture alliance/dpa

Die Hochschule für bildende Künste in Hamburg hat ab diesem Wintersemester die beiden Künstler Reza Afisina und Iswanto Hartono für eine Gastprofessur engagiert. Dafür hagelt es nun heftige Kritik, denn Afisina und Hartono sind Mitglieder des indonesischen Künstlerkollektivs ruangrupa, das die diesjährige documenta kuratierte und dort zahlreiche Antisemitismus-Skandale zu verantworten hatte. Die Hochschule hält den Lehrauftrag trotzdem für richtig.

Unverständnis Das stößt bei Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, auf »völliges Unverständnis.« Nicht zuletzt auch, weil die Berufung aus DAAD-Mitteln, also mit Steuergeldern, finanziert werde, so Schuster.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zudem erklärte der Zentralratspräsident: »Ich bin nicht in der Position, die Hochschule zu etwas aufzufordern oder für etwas zu plädieren, aber ich kann nur die Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) zitieren: ‚Die Wissenschaftsfreiheit kann und darf niemals Freibrief für antisemitisches Gedankengut sein.‘«

Martin Köttering, Präsident der HFBK, verteidigt die Gastprofessuren der ruangrupa-Künstler. Dem Hamburger Abendblatt erklärte er: »Wir sind überzeugt davon, dass es sinnvoller ist, miteinander im Gespräch zu sein als übereinander zu reden.«

Dass Reza Afisina und Iswanto Hartono den »Letter against Apartheid« unterzeichneten und damit antisemitische Positionen vertreten, scheint Köttering nicht zu alarmieren. »Weltweit haben 16.000 Menschen diesen Brief unterzeichnet als Kritik am israelischen Staat und seinen militärischen Aktionen gegen Palästina. Genau da werden unsere Fragen an die beiden ansetzen.«

Kritik Stefan Hensel, Antisemitismusbeauftragter der Stadt Hamburg, kann diesen Ansatz nicht nachvollziehen. Auf Anfrage erklärte er, dass der Brief »nicht viel Interpretationsspielräume« zuließe. Zudem werde darin »unter anderem zu einem Boykott der kulturellen Beziehungen mit Israel aufgerufen.« Allein dieser Fakt schließe einen offenen und produktiven Austausch unter den betreffenden Künstlern aus. Die beiden ruangrupa-Mitglieder hätten sich mit der Unterzeichnung des Briefes antisemitisch positioniert, so Hensel.

Weiter betonte er: »Im Jahr 2022 darüber zu diskutieren, dass bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden – in diesem Fall Israelis beziehungsweise primär Jüdinnen und Juden – ist absurd. Es zeigt eindeutig, dass die Hochschule nicht verstanden hat, wie ein sicherer Raum für Studierende auszusehen hat.« Lehraufträge sollten laut Hensel nicht an Personen vergeben werden, die sich öffentlich gegen eine Kooperation mit israelischen Künstlern positioniert haben.

Martin Köttering begründete den an ruangrupa erteilten Lehrauftrag unter anderem damit, dass es an der Hochschule nun auch einen »politischen Strang« geben werde, mit welchem die Geschehnisse auf der diesjährigen documenta aufgearbeitet werden sollen.

»Das Vorgehen von ruangrupa bei der documenta hat doch eindeutig gezeigt, dass sie nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems waren.«

Josef Schuster, PRäsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

Zentralratspräsident Schuster sagte hierzu: »Das Vorgehen von ruangrupa bei der documenta fifteen hat doch eindeutig gezeigt, dass sie nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems waren.«

Auch Hensel hält von einer solchen Erklärung wenig: »Dass sich ein Hochschulprofessor wie Köttering dazu berufen fühlt, die antisemitische documenta Auslegung aufzuarbeiten, finde ich bemerkenswert. Dass dies mit denjenigen vonstattengehen soll, die maßgeblich die prominente Kunstschau beschädigt haben und sie zu einer antisemitischen Leistungsschau gemacht haben, ist ebenfalls bemerkenswert.«

Hensel wies zudem darauf hin, dass die HFBK nicht zum ersten Mal Lehraufträge an umstrittene Personen vergibt. So lehrte im vergangenen Jahr der Fotokünstler Adam Broomberg an der Hochschule. Er unterstützt die BDS-Bewegung und bezeichnete Israel als Apartheidsregime. Die Hochschule beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit dem Künstler.

»Eine ausdifferenzierte Bearbeitung des Phänomens Antisemitismus sieht anders aus«, sagt Hensel, der zudem beklagt, dass die Kritik der jüdischen Gemeinde und anderer Organisationen nicht ernst genommen werden.

»Eine ausdifferenzierte Bearbeitung des Phänomens Antisemitismus sieht anders aus.«

Stefan Hensel, Antisemitismusbeauftragter der Stadt Hamburg

Perspektiven Auch Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, kritisiert die Entscheidung Reza Afisina und Iswanto Hartono Gastprofessuren zuzusprechen, »solange nicht gleichermaßen auch jüdische Perspektiven eingebunden werden und nicht sichergestellt ist, dass der Antisemitismus der documenta fifteen überhaupt begriffen wurde.«

Zudem habe es eine klärende, glaubwürdige Stellungnahme seitens des Kollektivs ruangrupa nie gegeben, betont Klein. Das Künstlerkollektiv habe jüdische Stimmen systematisch ignoriert und sich als »unfähig zum Dialog erwiesen.«

Klein appelliert zugleich, die im Grundgesetz verankerte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre als ein hohes Gut zu respektieren. Eine mögliche Verbreitung von Antisemitismus an deutschen Hochschulen durch das dortige Personal dürfe aber nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.

Massive Kritik an der Berufung wird auch seitens der Jüdischen Gemeinde Hamburg formuliert. Unklar unterdessen ist, wie die Studierenden der Hochschule zu ihren neuen Gastprofessoren stehen. Auf Anfrage dieser Zeitung bezog der Allgemeine Studienausschusses der HFBK bislang noch keine Stellung.

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  11.11.2025

Sehen!

»Pee-Wee privat«

Der Schauspieler Paul Reubens ist weniger bekannt als seine Kunstfigur »Pee-wee Herman« – eine zweiteilige Doku erinnert nun an beide

von Patrick Heidmann  11.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  11.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  10.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Marbach am Neckar

Schillerrede: Soziologin Illouz vergleicht Trump mit »König Lear«

Statt Selbstbeweihräucherung empfiehlt die Soziologin Eva Illouz in der Schillerrede 2025 den Zweifel und das Zuhören - nur das helfe aus der eigenen Echokammer heraus

 10.11.2025