Israel

Wenn Tomaten Alarm schlagen

Die Sprache der Pflanzen hören? Israelische Forscher machen dies mit besonderer Technik möglich. Foto: Lilach Hadany

Pflanzen sind überaus mitteilsame Geschöpfe. Sie können eine ganze Reihe optischer oder chemischer Signale aussenden, die anderen Lebewesen zu verstehen geben, dass man besser die Finger von ihnen lässt.

Oder eben das genaue Gegenteil – beispielsweise, wenn sie gezielt Düfte oder Gerüche aussenden, die die Botschaft beinhalten, dass man fortpflanzungsbereit ist und die Bienchen, bitte schön, vorbeischauen sollten, um Pollen abzugreifen und weiterzuverbreiten. Nur eines, so war man sich lange sicher, können Pflanzen nicht, und zwar sprechen und sich akustisch mitteilen.

Studie Falsch, heißt es jetzt in einer Studie aus Israel. Sie sind durchaus in der Lage, Geräusche von sich zu geben und miteinander zu kommunizieren. Vor allem, wenn Pflanzen Stresssituationen ausgesetzt sind, dann »schreien« sie sogar. Das Ganze erinnert ein wenig an Audrey II, der blutsaufenden und sprechenden Pflanze aus der Horrorkomödie Little Shop of Horrors, die den Protagonisten Seymour Krelborn immer aufdringlicher dazu überredet: »Füttere mich!«

Die Versuchsserie der Israelis sah jedoch etwas harmloser aus. Um das herauszufinden, ob sie mit ihrer These recht haben, enthielten sie Tomaten- und Tabakpflanzen wahlweise Wasser vor oder malträtierten ihre Blätter. Zum Vergleich lauschte man auch solchen, denen kein Leid angetan wurde.

Das Ergebnis fiel überraschend aus. Die gestressten Tomaten- und Tabakpflanzen gaben Geräusche von sich, die dem Platzen der Blase einer Noppenfolie oder dem dumpfen Ploppen eines erhitzten Maiskorns ähneln, kurz bevor aus ihm Popcorn wird. »So konnte eine sehr alte wissenschaftliche Kontroverse gelöst werden«, freut sich Lilach Hadany. »Wir haben bewiesen, dass Pflanzen tatsächlich Töne aussenden«, so die Professorin der School of Plant Sciences and Food Security an der Universität von Tel Aviv und Leiterin des Forschungsprojekts.

Gab man den Tomatenpflanzen ausreichend Wasser, waren sie schweigsam.

Nur liegen diese in einem Frequenzbereich zwischen 40 und 80 Kilohertz, weshalb sie vom menschlichen Ohr nicht wahrgenommen werden können. »Offenbar kann eine idyllische Blumenwiese ein ziemlich lauter Ort sein. Bloß hören wir diese Geräusche nicht«, erklärt Hadany. Das möchte man ändern.

frequenzen »Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Welt um uns herum voll von solchen Pflanzengeräuschen ist, die unter anderem Informationen über Wasserknappheit, Gefahren oder Verletzungen enthalten«, ist die Wissenschaftlerin überzeugt. »Die gesendeten Töne können sehr wahrscheinlich von Lebewesen, die in der Lage sind, solche Frequenzen zu hören, also Fledermäuse, Nagetiere und manche Insekten, in unmittelbarer Umgebung vernommen werden.«

Die israelischen Wissenschaftler sind überzeugt, dass die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit, die kürzlich in dem renommierten Fachmagazin »Cell« veröffentlicht wurden, für die Landwirtschaft einige handfeste Vorteile mit sich bringen könnten. Denn wer seinen Pflanzen lauscht, ist immer auf dem Laufenden, ob es auf dem Feld auch genug Wasser gibt und sie sich pudelwohl fühlen. Selbstverständlich muss nur die richtige Technik dazu entwickelt werden.

Und da kommt Yossi Yovel, Leiter der Sagol School of Neuroscience an der Universität Tel Aviv, ins Spiel, der sich als Fledermausexperte bestens mit Geräuschen in Frequenzbereichen auskennt, die für Menschen unhörbar sind. Zusammen mit Hadany lauschte er Pflanzen sowohl in einer schallisolierten Kammer als auch in einem Gewächshaus, indem man in zehn Zentimeter Entfernung hochsensible Mikrofone, die Geräusche im Ultraschallbereich aufzeichnen können, vor ihnen platzierte.

stress »Ungestresste Pflanzen gaben im Durchschnitt weniger als einen Ton pro Stunde ab, während die gestressten Pflanzen – sowohl dehydrierte als auch verletzte – jede Stunde 30 bis 50 Töne abgaben«, wissen die beiden Wissenschaftler zu berichten.

Gab man den Tomatenpflanzen zum Beispiel ausreichend Wasser, waren sie eher schweigsam. Blieb die Flüssigkeitsversorgung jedoch aus, wurden sie »gesprächiger«, erst nach vier oder fünf Tagen kehrte wieder Ruhe ein – nicht zuletzt deshalb, weil die Tomatenpflanzen dann bereits vertrocknet waren. Ähnliche Ergebnisse erzielten Hadany und Yovel ebenfalls mit Tabakpflanzen, die einem schädlichen Virus ausgesetzt wurden, oder mit Mais und der Cabernet-Sauvignon-Traube.

Die Erkenntnisse könnten für die Landwirtschaft von Bedeutung sein.

»Wir gehen also davon aus, dass viele Pflanzen Geräusche aussenden«, schreiben sie. »Aber die Vielfalt ihrer Eigenschaften und die Bedeutung müssen noch genauer erforscht werden.« Mithilfe von Algorithmen lernte das Team schrittweise, wie sich Töne einzelner Pflanzen je nach Stressart unterscheiden. Aber es ist nur ein Anfang.

Theorie Die Forscher stellen die Theorie auf, dass diese Geräusche irgendwie mit der Kavitation im Stamm zusammenhängen könnten. Konkret bedeutet dies, dass sich im Xylem, dem Wasserleitsystem bei höheren Pflanzen, Gasblasen bilden. Steht eine Pflanze unter Stress, können sich diese ausdehnen und zusammenfallen. Die auf solche Weise entstehenden Vibrationen wurden in der Vergangenheit schon öfters von Sensoren aufgezeichnet, nicht aber die Geräusche, die dabei produziert werden.

Auch weitere Fragen gilt es zu klären. Sind Pflanzen in der Lage, auf akustische Weise ihresgleichen oder anderen Lebewesen Botschaften zu senden, dass etwas nicht in Ordnung ist? »Manche Organismen könnten sich so entwickelt haben, dass sie diese Töne hören und darauf rea­gieren«, glaubt Hadany. »Ein Schmetterling, der seine Eier auf einer bestimmten Pflanze ablegen will, mag vielleicht bei seiner Entscheidung von genau solchen Geräuschen beeinflusst werden.«

Wenn das alles so stimmen sollte, muss noch geklärt werden, ob Pflanzen nicht nur Geräusche von sich geben können, sondern auch ein Hörvermögen besitzen – von Erbsen wissen Forscher ja bereits, dass sie Schallwellen von Wasser aus der Ferne wahrnehmen können.

Dann haben Blumenfreunde recht, wenn sie mit ihrem Rosenstrauch oder den Stiefmütterchen sprechen oder sie mit klassischer Musik beschallen, weil sie glauben, dass ihre Zöglinge so besser gedeihen. Vielleicht ist das Gespräch dann doch nicht so einseitig und die Pflanzen antworten. Leider können wir sie schlecht hören. Dank der Forschungen aus Israel mag sich das irgendwann ändern.

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