Kino

Von Entebbe bis »Eis am Stil«

Menachem Golan (1929-2014) Foto: getty images

Kino

Von Entebbe bis »Eis am Stil«

Action, Pubertätsdramen und Politik: Zum Tod des israelischen Filmproduzenten Menachem Golan

von Tobias Ebbrecht-Hartmann  12.08.2014 09:44 Uhr

»Dreimal in der Woche ging ich ins Kino. Und das Kino bestimmte mein Leben.« Menachem Golan, am 31. Mai 1929 in Tiberias geboren, entwickelte früh eine Leidenschaft für den Film. Stars wie Humphrey Bogart, Gary Cooper und Elizabeth Taylor hatten es dem Jungen angetan. Später arbeitete er selbst mit Hollywoodgrößen wie Sean Connery, Chuck Norris und Sylvester Stallone, um nur einige zu nennen.

Golans Metier, das lassen diese Namen erahnen, war das Unterhaltungskino und hier besonders der Actionfilm, wobei er gerne politische Stoffe nutzte. 1976, kurz nachdem eine israelische Militäreinheit auf dem Flughafen in Entebbe 102 Geiseln aus den Händen eines deutsch-palästinensischen Terrorkommandos befreit hatte, gelang es Golan, den deutschen Schauspieler Klaus Kinski für seine Verfilmung der Ereignisse zu gewinnen. Kinski spielte Wilfried Böse, ein Mitglied der Terrorgruppe »Revolutionäre Zellen«, deren Aktivisten 1977 mit Anschlägen auf Kinos drohten, die Golans Filmversion der Ereignisse, Operation Thunderbolt, zeigten.

thriller Die Bundesrepublik war zu dieser Zeit für Golan schon ein bekannter Markt. 1965 war die deutsche Kinowelt zum ersten Mal auf den israelischen Produzenten aufmerksam geworden, als er Ephraim Kishons Komödie Salla Shabati auf den Internationalen Berliner Filmfestspielen präsentiert hatte. Kurze Zeit später kehrte Golan zu Dreharbeiten für seinen Film Im Koffer nach Kairo (Einer spielt falsch) zurück. »Israelischer Filmregisseur dreht in Berlin«, berichtete die Frankfurter Rundschau im September 1965 über die Arbeit an dem Spionagefilm mit der deutschen Schauspielerin Marianne Koch, in dem es um die Mitarbeit eines deutschen Wissenschaftlers an ägyptischen Waffensystemen geht.

Das Thema war gerade aktuell geworden, Berichte über westdeutsche Raketenspezialisten in Ägypten hatten 1963/64 in den bundesdeutsch-israelischen Beziehungen für Spannungen gesorgt. Mit seinem Film, so Golan, wolle er »Kritik üben an Wissenschaftlern, und in diesem Fall insbesondere an deutschen Forschern, die ihre Fähigkeiten und Erkenntnisse, ohne sich der Konsequenzen zu vergewissern, ausländischen Mächten zur Verfügung stellen.«

Im Koffer nach Kairo (Einer spielt falsch) war Golans erste israelisch-deutsche Gemeinschaftsproduktion. Es sollte nicht die letzte bleiben. Kurios verlief die bundesdeutsche Premiere seiner Verfilmung von Schalom Aleichems Klassiker Tevye und seine sieben Töchter im Mai 1968. Der israelische Botschafter Asher Ben-Natan hatte anlässlich des israelischen Unabhängigkeitstages zu einer Vorführung des Films ins Bonner Stern-Theater geladen. Danach umarmte der frühere Bundeskanzler Ludwig Erhard den israelischen Hauptdarsteller Shmuel Rodensky, um ihm so seine Bewunderung auszudrücken. Bei diesem wie bei anderen Filmen war Golans deutscher Partner der Berliner Erfolgsproduzent Artur Brauner. Angeblich hatten sich die beiden Filmenthusiasten bei einer Kneipp-Kur in Bad Wörishofen kennengelernt.

berlinale Der größte Erfolg auf dem Feld deutsch-israelischer Koproduktionen gelang Golan aber wohl mit der Teen-Sex-Komödie Eis am Stiel, deren erster Teil 1978 sogar im Wettbewerb der Berlinale lief. Insgesamt neun Folgen der Pubertätsklamotte produzierte er, die vor allem in Deutschland ein Millionenpublikum fanden.

Unterhaltung, Kitsch und Anspruch; Menachem Golan hatte keine Scheu davor, die Möglichkeiten und Grenzen des Unterhaltungskinos auszuloten, selbst, wenn er und seine Produktionsfirmen damit ein hohes Risiko eingingen. Gelernt hatte er diese Gratwanderung von seinem Lehrer Roger Corman, und mehr noch als auf dem deutschen Markt und in Israel, wusste sich Golan damit auch in den USA als Produzent und Regisseur zu behaupten.

Am 8. August 2014 verlor Menachem Golan vor seinem Haus in Jaffa das Bewusstsein. Die herbeieilenden Rettungskräfte konnten nach Wiederbelebungsversuchen nur noch seinen Tod feststellen. Das israelische Kino verliert mit Menachem Golan einen seiner visionären Gestalter und einen Pionier der heute so vielfältigen deutsch-israelischen Filmbeziehungen.

Dass ein Film wie Waltz with Bashir teilweise in Deutschland produziert wurde, israelische Regisseure wie Eytan Fox und Eran Riklis in der Bundesrepublik drehten und eine deutsche Filmemacherin wie Julia von Heinz ihr Filmprojekt Hannas Reise in Israel realisierte, das alles wäre vielleicht nicht möglich geworden, wenn nicht Golan in den 60er-Jahren mit seinen deutsch-israelischen Gemeinschaftsproduktionen begonnen hätte.

Der Autor unterrichtet an der Hebräischen Universität Jerusalem Filmwissenschaft. Im November erscheint im Berliner Neofelis-Verlag sein Buch »Übergänge – Passagen durch eine deutsch-israelische Filmgeschichte«.

Berlin

Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

 17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025

Berlin

»Stärker als die Angst ist das menschliche Herz«

Die Claims Conference präsentiert in einem Bildband 36 Männer und Frauen, die während der Schoa ihr Leben riskierten, um Juden zu retten

von Detlef David Kauschke  17.09.2025

Auszeichnung

Theodor-Wolff-Preis an Journalisten vergeben

Der Theodor-Wolff-Preis erinnert an den langjährigen Chefredakteur des »Berliner Tageblatts«, Theodor Wolff (1868-1943)

 17.09.2025

Los Angeles

Barbra Streisand über Dreh mit Robert Redford: »Pure Freude«

Mit dem Klassiker »The Way We Were« (»So wie wir waren«) brachen die beiden Stars in den 70er-Jahren Millionen Herzen. Nach dem Tod von Redford blickt Hollywood-Ikone Streisand zurück auf den Dreh

von Lukas Dubro  17.09.2025

Kritik

Toni Krahl hat »kein Verständnis« für israelfeindliche Demonstrationen

Was in der Region um Israel passiere, sei ein Drama, das sich über Jahrzehnte entwickelt habe, sagte Krahl

 17.09.2025

Berlin

Für Toleranz, Demokratie: Margot Friedländer Preis vergeben

Es ist die erste Preisverleihung nach dem Tod der Stifterin. Ausgezeichnet wird der Einsatz für die Ideale der im Frühjahr gestorbenen Holocaust-Überlebenden

 17.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 16.09.2025

Eurovision Song Contest

Streit um Israel: ESC könnte wichtigen Geldgeber verlieren

RTVE ist einer der fünf größten Geldgeber des Eurovision Song Contest. Umso schwerer wiegt der Beschluss, den der spanische Sender verkündet

 16.09.2025