Meinung

Judenhass auf Tour

In Kampfmontur: Roger Waters (Archiv) Foto: imago/ZUMA Press

Gerade in diesen Zeiten ist es ein Kunststück, im Rahmen einer einzigen Tour Konzerte auf unzähligen Bühnen in 15 europäischen Staaten zu geben. Roger Waters gehört zu den wenigen Künstlern, die dies mit Leichtigkeit hinkriegen.

Außer seinen Fans in Deutschland wartet auch in Portugal, Spanien, Italien und den Niederlanden Publikum auf ihn, sowie in Norwegen, Schweden, Dänemark, Ungarn, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Tschechien, Schottland und in seinem Heimatland England. Eine Tour dieser Größenordnung ist beeindruckend.

Dies gilt auch für die überaus lange Liste überzeugender Songs, die Waters für seine frühere Band Pink Floyd und später für sein Soloprojekt komponiert und aufgenommen hat. »Wish You Were Here«, »Another Brick in the Wall« und »Money« sind nur drei von dutzenden Beispielen. Je mehr skandalöse Aussagen Waters jedoch tätigt und je lauter Forderungen nach einer Absage der Konzerte des Ausnahmekünstlers werden, desto mehr Fans fragen sich, ob sie noch zwischen ihrer Begeisterung für die Songs und den skandalösen Aussagen ihres Idols trennen können und sollten. Die erste Hälfte des Wortes »Ausnahmekünstler« bezieht sich sowohl auf seine Fähigkeiten als Musiker als auch auf die Tiraden des Hassbarden.

Boykott dem Boykotteur?

Roger Waters, der im nächsten Jahr 80 Jahre alt wird, verbreitet nach Ansicht einer wachsenden Zahl an Kritikern blanken Antisemitismus. Seine Verschwörungstheorien verteilt der Musiker über verschiedene Kanäle. Selbst der »Guardian« druckte unlängst einen Kommentar von ihm ab, in dem er Israel vorwirft, die Palästinenser zu unterdrücken und für Menschenrechtsverbrechen verantwortlich zu sein, darunter »Mord an unbewaffneten Kindern und Sanitätern«. Lügen über den einzigen jüdischen Staat zu verbreiten, mitsamt falschen Beschuldigungen, ist eine Aktivität, für die es ein Wort gibt, das mit »A« anfängt.

Waters’ Feldzug gegen die Juden und ihren Staat begann vor gut einem Jahrzehnt. Seit 2011 ist er eines der prominentesten Sprachrohre der antisemitischen BDS-Bewegung, die Israel boykottieren will. Die Frage, ob vielleicht der Boykotteur Roger Waters boykottiert werden sollte, ist nicht nur berechtigt, sondern drängt sich förmlich auf. Nicht als Vergeltung, weil er nach einem Boykott schreit, sondern weil es gefährlicher Judenhass ist, den er auch auf seinen Konzerten verbreitet.

Da dies schon eine Weile lang der Fall ist, sollte auch die Frage gestellt werden, warum er überhaupt zu Konzerten eingeladen wird. Die offensichtliche Antwort: Mit Herrn Waters lässt sich gutes Geld verdienen. Der deutsche Veranstalter teilte mit, Waters hätte »Aussagen getätigt, die wir selbst problematisch finden«. Die Konzerte stehen jedoch weiterhin im Kalender.

Skandalöse Kommentare

Die Zahl seiner erklärten Gegner wächst. Im Jahr 2019 wurde ein Dokumentarfilm über Waters’ Hassreden mit dem Titel »Wishing You Weren’t Here«, in Anlehnung an seinen schon erwähnten Hit, veröffentlicht. Musikerinnen und Musiker, die von dem greisen Barden angepöbelt werden, wenn sie Konzerte in Israel planen, lassen sich mehrheitlich nicht mehr beeindrucken. Sponsoren wie American Express lösten bereits Sponsoringverträge mit ihm auf, aufgrund des Hasses, wodurch ihm Millionen durch die Lappen gingen. Der WDR in Köln sagte damals ebenfalls eine Kooperation mit ihm ab.

Trotz der Skandale und der mehr als berechtigten Kritik soll am 7. Mai 2023 der deutsche Teil von Roger Waters’ »This is Not a Drill«-Tour beginnen. Nicht nur Jüdinnen und Juden wollen dies verhindern. Politiker aus Bayern und Hessen forderten eine Absage der Konzerte des Künstlers, der unlängst auch noch skandalöse Kommentare zu Russlands Krieg gegen die Ukraine verbreitete.

In einem Interview mit einem amerikanischen Medium meinte er, der amerikanische Präsident Joe Biden würde das Feuer in der Ukraine schüren, was ein »großes Verbrechen« darstelle. Auch in Anbetracht des Leids der ukrainischen Bevölkerung und der tausenden Todesopfer, darunter viele Kinder, sind auch diese Aussagen völlig inakzeptabel. Aus diesem Grund wurden die ursprünglich in Polen geplanten Roger Waters-Konzerte ersatzlos gestrichen.

Schlimmes Beispiel

Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle forderte jüngst die Stadt München auf, den Vertrag für das geplante Konzert in der Olympiahalle zu kündigen, sollte Waters sich nicht von der Boykott-Bewegung distanzieren. Sein Kollege in Hessen, Uwe Becker, wurde nun noch deutlicher: »Waters ist ein schlimmes Beispiel für aggressiven, israelbezogenen Antisemitismus und er sollte daher in Hessen keine künstlerische Plattform erhalten.« Auch er forderte eine Absage. »Roger Walters ist mit seinem antisemitischen Weltbild in Hessen nicht willkommen«, so Becker.

In der Berliner Mercedes Benz Arena soll Roger Waters am 17. Mai 2023 auftreten. Sigmount Königsberg, der Beauftragte gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde Berlin, sagte der Jüdischen Allgemeinen am Mittwoch, er sei »erstaunt über die Blindheit der Konzertagenturen«, nach den Protesten von 2019. »Waters ist ein Antisemit, ein Hassprediger mit Musik, der Israel dämonisiert«, erklärte er. Königsbergs Fazit: »Wish you’d stay away«.

Zahl der Woche

Wie viel Liter Milch produziert eine Kuh in Israel durchschnittlich pro Jahr?

Fun Facts und Wissenswertes

 06.06.2023

Film

Mit Kälte beobachtet

In Cannes wurde »The Zone of Interest« über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet

von Patrick Heidmann  06.06.2023

Dialog

Igor Levit wird mit Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt

Gewürdigt wird sein Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus

 06.06.2023

Glosse

Der Rest der Welt

Warum ich Steven Spielbergs Entschuldigung annehme

von Joshua Schultheis  06.06.2023

TV-Tipp

Arte-Doku über eine Heldin der Nazi-Zeit

Ihr Name ist weitgehend unbekannt - dabei rettete Aracy de Carvalho während der Nazi-Zeit zahllosen Juden das Leben: Die Hamburger Botschaftsmitarbeiterin verschaffte ihnen Visa in die Freiheit

von Katharina Zeckau  06.06.2023

Berlin

Akademie der Künste gibt Skizzenbuch von Max Liebermann an Nachfahrin zurück

Im Innendeckel war ein Stempel mit der Unterschrift des Malers entdeckt worden

 06.06.2023

Hollywood

Jonah Hill zum ersten Mal Vater geworden

Olivia Millar, die Freundin des Star-Schauspielers, ist die Mutter

 05.06.2023

Geschichte

CNN-Legende Wolf Blitzer zeigt in Berlin Holocaust-Doku

In dem Film geht es auch um die Familiengeschichte des Journalisten

von Anna Ringle  04.06.2023

Berlin

Haus der Kulturen der Welt feiert Wiedereröffnung

Kulturstaatsministerin Roth steht wegen ihrer Haltung zu BDS massiv in der Kritik. Nun gab sie ein Versprechen

 04.06.2023