documenta

Hakennase, Armeehelm und Davidstern

Vor dem Museum Fridericianum war bereits wenige Tage nach Beginn der documenta ein Werk des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi mit antisemitischen Motiven zunächst verhüllt und kurz darauf abgehängt worden. Nun hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) auf weitere Elaborate mit israelbezogenem Antisemitismus auf der documenta hingewiesen, und zwar im Museum Fridericianum selbst - im Herzen der Kunstschau in Kassel.

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Dort sei eine 34 Jahre alte faksimilierte Broschüre eines algerischen Frauenkollektivs mit antisemitischen Darstellungen israelischer Soldaten ausgelegt worden, hieß es. Bei dem Kollektiv handele sich um »Presence des Femmes«, das 1988 (dem zweiten Jahr der ersten Intifada) in Algier ein Sonderheft zu Palästina herausbrachte.

Von der documenta in Kassel gab es am Mittwoch auf eine entsprechende Anfrage der Jüdischen Allgemeinen zunächst keine Stellungnahme. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sagte Henriette Sölter, die Pressechefin der documenta, man habe die Bilder »strafrechtlich und ikonographisch« untersucht und sie, so die Online-Ausgabe der FAZ vom Mittwoch, nicht als antisemitisch befunden.

TERROR Die betreffenden Zeichnungen, so RIAS Hessen, zeigten das Land Palästina, versehen mit Einordnungen, die dem Staat Israel seine Legitimität absprechen. Es seien darin Auszüge aus dem Heft »Ghassan Kanafanis Kinder« enthalten. Ghassan Kanafani war Autor und Sprecher der terroristischen »Volksfront zur Befreiung Palästinas« (PLPF). Er starb 1972 bei einem Anschlag im Libanon. Die Geschichten entstanden laut RIAS zwischen 1962 und 1969.

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Die laut RIAS Hessen teils von einem syrischen Künstler illustrierte Broschüre lag den Informationen zufolge in einem Raum im Fridericianum aus, der sich mit dem Archives des Luttes des Femmes en Algerie befasst, laut Website der documenta 15 ein Abbild der Frauenkämpfe in Algerien. Das Archiv beruht auf einer 2019 ins Leben gerufenen unabhängigen Vereinigung. Ziel ist, schriftliches, fotografisches und anderes Material zugänglich zu machen und eine Chronik der Frauenbewegungen und -mobilisierungen in Algerien zu erstellen.

Auf dem Tisch des Raumes im Museum Fridericianum sind faksimilierte Zeitungen und Broschüren ausgelegt, die sich mit dem Kampf algerischer Frauen um Emanzipation befassen.

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Eine Person, die die documenta besuchte, meldete RIAS Hessen, dort sei auch die Broschüre mit antisemitischen Darstellungen israelischer Soldaten ausgelegt worden. Auf Nachfrage beim Aufsichtspersonal sei die Broschüre entfernt worden. Laut eigenen Angaben hat RIAS Hessen die Meldung der documenta-Besucherin verifiziert.

Dabei habe sich gezeigt, dass die Broschüre anschließend erneut ausgelegen habe. Eine Einordnung dieser Publikation zu dem Thema des Frauenarchives habe nicht stattgefunden. Die einzige Verbindung zum Archive des Luttes des Femmes sei der Erscheinungsort, Algier.

In der ausgelegten Broschüre fielen laut RIAS Hessen vor allem folgende Bilder auf: »Das obere Bild zeigt eine Frau, die eine hakennasige, auf dem Armeehelm mit einem Davidstern gekennzeichnete Person in den Unterleib tritt. Oben rechts im Bild sind vier Füße zu erkennen. Die mittleren Fußsohlen sind mit Davidsternen gekennzeichnet, während die mit einem arabischen Schriftzug versehenen äußeren Fußsohlen mit einem leider nicht leserlichen arabischen Schriftzug versehen sind.« Es sei anzunehmen, dass hier eine Art Vergewaltigungsszene gezeigt wird. In einer Art Sprechblase heiße es zudem: »West Bank Aufstand (Intifada)«.

KREUZ Das untere Bild zeigt die Rückseite eines Kreuzes, von dem aus die dort gekreuzigte Gestalt – offensichtlich Jesus – einen Gegenstand wirft. RIAS Hessen interpretiert das Bild wie folgt: »Er verneint damit eine weitere Zugehörigkeit zu Juden und wendet sich von ihnen ab. Jesus ist angesichts des Verhaltens ›seines‹ Volkes die Identifikation mit Juden nicht mehr möglich. (...) Das Wegschleudern des Gegenstands kann zugleich eine Metapher für das Schleudern von Steinen während der Intifada sein.«

In einem weiteren Bild würden israelische Soldaten, gekennzeichnet mit dem Davidstern, als entmenschlichte Roboter abgebildet. Ein Gewehrlauf bedrohe einen Heranwachsenden. Derselbe Typus israelischer Soldat bedrohe hier einen kleinen Jungen, der gänzlich unbewaffnet ist. Hier werde, so RIAS, das Bild des »Kindermörders Israel« reproduziert.

RITUALMORD-LEGENDE Diese Bilder seien auch im Kontext alter antisemitischer Stereotype zu sehen: Das Motiv gehe zurück auf die Ritualmord-Legende des Mittelalters, nach der Juden angeblich christliche Kinder entführen, foltern und ermorden, um ihr Blut in Mazze für Pessach einzubacken. Das Wiederaufgreifen dieses Bildes mit Bezug auf Israel sei klar antisemitisch und verlagere das Bild von »den Juden« auf den jüdischen Staat, der sich quasi zum Staatsziel gemacht habe, planmäßig nichtjüdische, palästinensische Kinder zu töten.

Im Hintergrund eines weiteren Bildes, so RIAS Hessen, sei ein Massengrab zu sehen, das an Bilder der Schoa erinnere. Hiermit finde zum einen die suggestive Verbindung zum bedrohten Jungen statt, der wohl ebenfalls in diesem Massengrab enden wird. Zum anderen werde hier mit einer Bildsprache gearbeitet, die eine Täter-Opfer-Umkehr evoziere. Zudem werde somit die Schoa bagatellisiert und eine Parallele zum Nahostkonflikt gezogen.

Auffallend sei, dass die als israelische Soldaten gekennzeichneten Personen vor allem kleinere Jungen und Jugendliche bedrohen. Das Bild des »Kindermörders Israel« klinge hier sehr deutlich an, so RIAS Hessen.

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