Schoa-Film

Der weinende Clown

»Ich schäme mich für den Film. Er ist schlecht, schlecht, schlecht«: Jerry Lewis in »The Day the Clown Cried« Foto: screenshot: youtube

Als der schwedische Filmkritiker Jan Lumholdt 2013 bei einer Pressekonferenz in Cannes zu dieser Frage ansetzte, da war ihm eigentlich schon klar, welche Antwort er bekommen würde. Denn Jerry Lewis nach seinem unter Verschluss gehaltenen Holocaust-Film The Day the Clown Cried zu befragen, hat bislang eigentlich nie befriedigende Antworten aus dem Munde des Komikers gebracht.

Diesmal aber nannte Lewis wenigstens den Grund, weshalb sein Film, den er 1971 in Schweden gedreht hatte, niemals veröffentlicht wurde. »Er war einfach sehr schlecht, viel zu schlecht. Ich habe damals die Kurve nicht gekriegt. Der Film soll am liebsten überhaupt niemals gezeigt werden, weil ich ihn für so missraten halte.« Lewis sagte das mit Nachdruck, es klang sehr energisch.

einblicke Tatsache ist aber, dass Lewis, der am 16. März 90 Jahre alt wird, sein gesamtes Filmerbe bereits vergangenen Sommer der Library of Congress, einer öffentlichen Forschungsbibliothek in den USA, vermacht hat, mit der Auflage, The Day the Clown Cried keinesfalls vor und frühestens ab 2024 zur Aufführung zu bringen.

Doch jetzt hat die BBC mit der Dokumentation The Story of the Day the Clown Cried erstmals Ausschnitte und jede Menge Set-Fotografien aus dieser kreativen Altlast von Jerry Lewis veröffentlicht, in der einige Hintergründe zu dem damals in Schweden gedrehten Material aufgeschlüsselt werden. Lewis verschwand nach dem Dreh mit sämtlichen Filmrollen wieder in die USA, wo er sie bis zur Überantwortung an die Library of Congress gehortet hat.

In der nun vorgestellten Dokumentation ist Lewis mit roter Clownnase und weißem Clown-Make-up vor den Kulissen von KZ-Baracken zu sehen. Für Lewis war der Film »die Geschichte eines Clowns, dessen bessere Tage hinter ihm liegen. Im Laufe des Films werden Dinge passieren, die ihn ermahnen, dass es Wichtigeres gibt als ihn selbst«. So kommentierte der Komiker und Schauspieler in alten Aufnahmen das Projekt, noch ehe er es verschwinden ließ. Markantestes Bild damals für die Presse war jene Szene, in der Lewis eine seiner typischen Grimassen zieht, dies aber hinter Stacheldraht tut und seine Nase anscheinend aufgespießt wird.

komödie? Dass Lewis als Clown im KZ Späße machen sollte, ist Teil der Handlung, jedoch ist nicht wirklich bekannt, ob es sich bei The Day the Clown Cried um eine Komödie oder vielleicht doch eher um ein Drama gehandelt hat. Immerhin ist spätestens seit seiner Mitwirkung in Martin Scorseses The King of Comedy mit Robert De Niro (1983) klar, dass Lewis bei Bedarf auch sehr ernste Rollen spielen kann, obwohl er letztlich nur als Komiker Karriere machte.

Die Frage, ob man über den Holocaust lachen darf, hat sich damals aber jedenfalls bereits gestellt. Ein Umstand, der sich später etliche Male wiederholte, etwa im Fall von Roberto Benignis oscargekröntem Film Das Leben ist schön (1997). Darin gaukelt ein Vater seinem kleinen Sohn im KZ vor, dass der grausame Alltag dort letztlich nur ein Spiel ist. Lewis ist in seinem Film, den er als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion verantwortet hatte, sogar noch einen bedeutenden Schritt weiter gegangen und hätte als Clown den Kindern auf dem Weg zur Gaskammer ein letztes Lächeln ins Gesicht gezaubert. Zugegeben: ein schwer vorstellbarer Film – und vielleicht auch deshalb ein unvollendeter.

Der britische Comedian David Schneider, dessen Eltern Überlebende des Holocaust waren, führt durch die BBC-Dokumentation über Jerry Lewis’ Film. Er macht sich deutlich dafür stark, die Komödie als Ventil für innere Seelenqualen zu nutzen. Gerade als jüdischer Komiker müsse man sich damit besonders intensiv auseinandersetzen, so Schneider. »Die Komödie ist unser Sicherheitsnetz«, hat Lewis damals über den Film gesagt. »Ohne sie würden wir uns alle in Luft auflösen.«

entsetzen Dennoch wollte Lewis bis 2013 auf jeden Fall verhindern, dass der Film gezeigt wird. »Niemand wird diesen Film je sehen«, sagte er damals auf der Pressekonferenz in Cannes. »Ich schäme mich für den Film. Er ist schlecht, schlecht, schlecht.« Auch Mitarbeiter von Lewis, die Teile oder einige Szenen aus dem Film vorgeführt bekamen, äußerten sich entsetzt. Joan O’Brien, Mitverfasserin des Drehbuchs von The Day the Clown Cried, sagte in einem Zeitungsinterview 1992: »Es war einfach fürchterlich! Allein an diesen Film zu denken, setzt mir sehr zu.« Der Schauspieler Harry Shearer kam zu dem Schluss: »Der Film ist so drastisch daneben, sein Pathos und seine Komik sind derart deplatziert, dass einem nur mehr zu sagen bleibt: Oh my God!«

Am Ende wird Jerry Lewis’ Film aber doch noch gezeigt werden. Allerdings wird das Werk wohl immer ein Nischenprogramm bleiben. Denn wenn der Film ab 2024 in der Library of Congress zu sehen sein wird, dann heißt das nicht automatisch, dass eine DVD davon in den Handel kommt. Lewis hat testamentarisch verfügt, dass die Rechte bei seinen Erben bleiben – sie müssten demnach einer Veröffentlichung zustimmen, was extrem unwahrscheinlich ist.

Wahre Lewis-Fans müssten dann die Reise zur Library of Congress antreten, dem einzigen Ort, an dem der Film gezeigt werden dürfte. Dort gibt es ein Kino mit 205 Sitzen, aber der Campus liegt in Culpeper, Virginia. Weit genug weg also, damit nicht allzu viele Filmfans mitbekommen, wofür Jerry Lewis sich so lange geschämt hat.

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  14.09.2025

Nach Antisemitismus-Eklat

Lahav Shani wird im Ruhrgebiet begeistert empfangen

Den Auftritt in Essen besuchte auch Belgiens Premier Bart De Wever

 14.09.2025 Aktualisiert

Aufgegabelt

»Schnitzel« aus dem AirFryer

Rezepte und Leckeres

 13.09.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.09.2025

Ernährung

Kein Gramm weniger, aber trotzdem gesünder

Wie eine Studie dazu beiträgt, den Erfolg einer Diät nicht nur anhand des Gewichts auf der Waage zu bewerten

von Sabine Brandes  13.09.2025

Kulturkolumne

Immer diese verflixten Zahlen

Wann war Puschkins Geburtsjahr? Und welche historischen Ereignisse können wir nicht vergessen?

von Maria Ossowski  13.09.2025

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Sachbuch

Aus dem Leben einer Rebellin

Gerhard J. Rekel hat der jüdischen Sozialaktivistin Lina Morgenstern eine lesenswerte Biografie gewidmet

von Gerhard Haase-Hindenberg  12.09.2025

TV

Auch Niederlande drohen mit ESC-Boykott, wenn Israel teilnimmt

Gastgeber Österreich hat sich bereits eindeutig für eine Teilnahme Israels ausgesprochen

 12.09.2025