Grossbritannien

Mrs. Duffields Geschenk

Zehn Jahre lang war es in der Planung. Vor einigen Wochen wurde nun endlich – unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit – Londons neues Zentrum für jüdische Kultur eröffnet. »Noch im August«, erzählt Pressesprecher Mark Berg, »testeten wir das Zentrum abschließend auf Herz und Nieren«. Um den großen Saal mit einfahrbarer Zuschauertribüne einer Art Härtetest zu unterziehen, musste kurzerhand die Batmizwa-Feier von Bergs Tochter herhalten. Das Gebäude hat die »Teenagerattacke« ohne Probleme überstanden, und so durfte dort wenig später bei der Eröffnung des Zentrums auch gleich die israelische Hip-Hop-Band Hadag Nachash auftreten.

Ermöglicht hat den neuen Bau die britische Philanthropin Vivien Duffield. Bei einem Besuch des jüdischen Kulturzentrums in Manhattan gewann sie den Eindruck, dass Großbritanniens Hauptstadt eine solche Einrichtung ebenfalls gut zu Gesicht stehen würde.

postleitzahl Zwar gibt es an der Themse bereits mehrere Institute, die sich dem Thema jüdischer Kultur widmen wie das London Jewish Cultural Centre und das Spiro Ark Institute. Doch mithilfe von 40 Millionen Pfund aus ihrem Privatvermögen wollte Duffield nicht weniger als ein 3250 Quadratmeter umfassendes jüdisches Kultureldorado schaffen, das es in London so bislang noch nicht gab. In Anlehnung an die Postleitzahl des Gebäudes, NW3, wurde das Zentrum keck und kurz JW3 genannt.

Neu am Konzept von JW3 ist im Vergleich zu bereits etablierten Instituten die allgemeine Verfügbarkeit der Räume für externe Interessenten. »Solange sie mit den Interessen des Zentrums übereinstimmen natürlich«, betont Berg. Momentan reicht das Spektrum der zeitweisen Mieter vom Anbieter von Krav-Maga-Kursen bis hin zu Yogaklassen.

Einige der Räume werden aber auch dauerhaft vermietet, was den Monatseinnahmen des Kulturzentrums zuträglich ist. Zu den permanenten Untermietern zählen unter anderem die Union of Jewish Students und die Wohltätigkeitsorganisation »Mitzvah Day«.

Design Die Wände des neuen Zentrums erinnern entfernt an die Ästhetik eines Krankenhausflurs. Doch die weißen Betonwände sind hier nicht kahl, sondern mit bekannten Zitaten auf Hebräisch, Jiddisch, Französisch und Englisch beschriftet. Am Eingang, gleich hinter der Rezeption, steht zum Beispiel markant auf Hebräisch: »Am Anfang schuf der Ewige den Himmel und die Erde«. Dass das Zentrum sich selbst in den Kontext der Erschaffung der Welt stellt, ist ein wenig gewöhnungsbedürftig – als habe der Ewige diesen Ort von Anfang an im Sinn gehabt. Tatsächlich befand sich hier, an der sechsspurigen stark befahrenen Finchley Road, bis vor Kurzem noch die Nordlondoner Niederlassung von Mercedes Benz.

Statt die neue S-Klasse Probe zu fahren, kann man von nun an im glatt koscheren Feinkost-Restaurant – inklusive schicker Bar in Metall-Optik – dinieren. Im neuen Zentrum gibt es auch einen Schabbataufzug: Er hält »automatisch« in jedem der vier Stockwerke, ohne dass man ihn vorher durch Knopfdruck in Gang setzen müsste. Auf solche Details legt JW3-Geschäftsführer Raymond Simonson großen Wert. Das Zentrum soll im Unterschied zu manch anderer Einrichtung in London für alle Strömungen offen sein. Natürlich hoffe er, dass es regen Zulauf erhält, fügt er hinzu. Als eine Art Vorbild nennt er das berühmte South Bank Centre an der Themse.

Bereicherung Die ersten Reaktionen der Besucher sind durchaus positiv. Anwohner wie das Rentnerehepaar Ivan und Eileen Sha, die das Zentrum gerade zum ersten Mal besichtigt haben, sehen JW3 als »hervorragende Kulturbereicherung der Nachbarschaft«. Auch der Siebenjährige Itay Dankwerth freut sich. Er wohnt in der Nachbarschaft des Gebäudes: Demnächst wird er in dem Kindergarten des Zentrums einen Kurs besuchen, in dem Kunst kindgerecht vermittelt wird. Währenddessen wird seine Mutter im Restaurant bei einem Kaffee auf ihren Sohn warten.

Vielleicht wird das feine Restaurant neben »Skinny Macchiato« demnächst auch »Botz« anbieten, den israelisch-arabischen »Schlammkaffee«. »Die jüdischen Zentren in London haben bisher wenig für die große israelische Gemeinschaft in London getan«, erklärt JW3-Sprecher Berg. »Diese Lücke wollen wir nun füllen.«

Positiv über das Zentrum spricht sich auch eine Seniorengruppe aus, der das Zentrum gezeigt wurde. Sie bewundern die Weite des Gebäudes und dessen modernes Design. Nur zwei Besucherinnen beklagen sich über fehlende Seniorenrabatte. Wer im JW3 weniger zahlen will, muss Sozialhilfeempfänger sein oder einen Behindertenausweis haben. Somit sind die etwa zwölf Pfund für einen Kinobesuch zu viel für sie, sagen die beiden älteren Damen verärgert.

Umsatz »Als unabhängiges Zentrum, das Umsatz machen muss, um zu überleben, geht es nicht anders«, bedauert Berg. Das auf Erfolg gedrillte Management hat für die Anfangsmonate mehr als 1000 Veranstaltungen geplant, um möglichst viele Londoner für sich zu begeistern.

»Wir heißen alle willkommen«, heißt passenderweise das Motto des JW3 – auch wenn man am Eingang des Gebäudes, das wie eine verschlossene Burg wirkt, erst einmal eingehend von einem Sicherheitsmann kontrolliert wird. Doch danach wird es angenehm: Der Besucher sieht eine große gläserne Mesusa am Haupteingang, die von dem Künstler Anish Kapoor stammt. Sie verrät: Das Haus will sowohl unkonventionell als auch der Tradition verbunden bleiben. Kein schlechter Ansatz.

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025

Vuelta

Spanischer Radprofi Romo stürzt wegen Protestaktion

Die »propalästinensischen« Proteste bei der Spanien-Rundfahrt nehmen kein Ende. Auf der 15. Etappe ist es zu Stürzen gekommen

 07.09.2025

Österreich

Eine Legende feiert den jüdischen Zusammenhalt

Vor genau 100 Jahren wurde der SC Hakoah erster Profi-Fußballmeister. Der Verein hatte damals eine Mannschaft von Weltrang. Es gibt ihn nach wie vor – nur etwas anders

von Stefan Schocher  07.09.2025

London

Heftige Gewalt gegen Beamte bei »propalästinensischem« Protest

Bei »propalästinensischen« Protesten kam es im Herzen Londons zu heftigen Ausschreitungen gegen Polizisten

 07.09.2025

Mallorca

»Die Freitagsgottesdienste sind sehr gut besucht«

Der neue Rabbiner Eliahu Bar-Geva über Gemeinsamkeiten und seine Pläne für die Zukunft der jüdischen Gemeinde auf der Ferieninsel

von Linn Vertein  07.09.2025

Fürth

Ruth Weiss ist gestorben

Sie engagierte sich ihr Leben lang gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Nun ist die in Franken geborene Schriftstellerin mit 101 Jahren gestorben

 05.09.2025 Aktualisiert

USA

Aus Prinzip einfach

Wie die Kochbuchautorin Adeena Sussman die jüdische Küche noch populärer macht

von Sarah Thalia Pines  04.09.2025