Lage ist alles, heißt es beim Kauf einer Immobilie immer wieder gerne. Gleiches gilt ebenfalls für Somaliland - ein Staat, den bis dato niemand so richtig auf dem Schirm hatte, obwohl es ihn seit 1991 bereits gibt. Damals hatte sich die bis dahin zu Somalia gehörende Region am Horn von Afrika für unabhängig erklärt. Vorangegangen war ein über zehn Jahre andauernder Konflikt, ausgelöst durch die repressive Politik des in Mogadischu regierenden General Siad Barre gegen die Isaaq, einem Clan im Nordwesten des Landes.
Nur Taiwan erkannte bisher Somalilands Unabhängigkeit an
Auch historisch gibt es Unterschiede: Das heutige Somaliland war bis 1960 ein britisches Protektorat, das sich mit dem Territorium, das zuvor von Italien erst als Kolonie beherrscht, dann von Rom im Auftrag der Vereinten Nationen verwaltet wurde, damals zur Somalischen Republik zusammentat, nur um 31 Jahre später wieder getrennte Wege zu gehen. Somaliland mit seiner Hauptstadt Hargeysa entwickelte sich zu einem, so die US-Organisation Freedom House, »teilweise freien« und für die Region bemerkenswert funktionierenden Gemeinwesen, während das eigentliche Somalia im Chaos von Bürgerkrieg und rivalisierenden islamistischen Gruppen wie den Al-Shabaab-Milizen versank.
Doch der Schritt zur Eigenstaatlichkeit wurde von keinem Staat anerkannt – außer von Taiwan, das jedoch kein Mitglied der Vereinten Nationen ist, aber als Chip-Hersteller-Gigant an Somalilands Rohstoffen Interesse hat, und jetzt Ende Dezember von Israel als erstem UN-Mitgliedsland überhaupt. Und dafür gibt es einige gute Gründe, die viel mit den Interessen gleich mehrerer regionaler Player im Zusammenhang stehen.
Terror-Miliz fürchtet Israels Nähe
Denn Somaliland liegt am Golf von Aden, also genau gegenüber dem Jemen, wo die Huthis größtenteils das Sagen haben. Die Anführer der vom Iran unterstützten Terror-Miliz waren auch die ersten, die gegen Israels Anerkennung protestierten und mit Gewalt drohten. Sie befürchten, dass Israel in Somaliland militärisch Fuß fassen könnte und ihnen damit bedrohlich nahekommt – schließlich hatten die Huthis nach dem 7. Oktober 2023 immer wieder Israel mit Raketen beschossen, sich aber relativ sicher gewähnt, weil die Terrorgruppe aus 2000 Kilometern Entfernung operiert.
Grund dazu haben die Huthis wohl. Israel selbst erklärte, dass die Anerkennung »im Geist des Abraham-Abkommen« geschehen würde. Und Abdirahman Abdullahi, Präsident von Somaliland, sprach von einem »historischen Moment«. Der diplomatische Schritt Jerusalems bedeute auch »den Beginn einer strategischen Partnerschaft«. Oder anders ausgedrückt: Israel will seine Defizite im bisherigen Umgang mit den Huthis wohl endlich ausgleichen. Denn anders als im Fall der Hisbollah oder der Hamas hatte man über diese Terrororganisation vergleichsweise wenig Insider-Informationen, geschweige Möglichkeiten, ihrer Führungsriege durch nachrichtendienstliche Aktivitäten so nahe zu kommen, dass man sie erfolgreich hätte ausschalten können. Auch die geografische Entfernung sollte bei der Bekämpfung der Huthis stets eine logistische Herausforderung sein, das könnte anders aussehen, wenn Israel in der unmittelbaren Nachbarschaft aktiv ist.
Somalia protestiert gegen Anerkennung
Dass Somalia gegen die Anerkennung durch Israel Protest einlegte, ist keine Überraschung – schließlich wurde von Mogadischu die Abspaltung der Nordwestregion nie akzeptiert. Die anderen negativen Reaktionen verstehen sich dagegen vor den einzelnen Interessenskonstellationen. Wenn beispielsweise Ankara dagegen die Stimme erhebt und von einer »offensichtlichen Einmischung« Israels in die inneren Angelegenheiten Somalias spricht, dann deshalb, weil Israel aus türkischer Sicht den eigenen Expansionsbestrebungen in die Quere kommt. Denn die Türkei hat in Somalia ihre größte Militärbasis außerhalb des eigenen Landes errichtet, und zwar Camp TURKSOM. Gerne würde man mehr Kontrolle am Horn von Afrika haben.
Interessantes Schweigen
Wichtig auch, wer nicht die Stimme in der Region gegen Israels Anerkennung von Somaliland erhebt. So haben die Vereinten Arabischen Emirate (VAE) offensichtlich kein Problem damit, was auch ihren ganz spezifischen außenpolitischen Interessen geschuldet ist. Die VAE sind längst vor Ort präsent, investieren massiv in den Umbau des Hafens von Berbera in Somaliland zu einem Containerumschlagplatz und unterhalten in unmittelbarer Nähe wohl auch eine eigene Luftwaffenbasis. Von Somaliland aus erhoffen sie sich ähnlich wie die Israelis einen besseren Zugang zum Jemen, wo man gerade Huthi-feindliche Gruppierungen in der an Bodenschätzen reichen Region nahe dem Oman zu unterstützen begonnen hat - sehr zum Verdruss von Saudi-Arabien, das wiederum die Anerkennung Somalilands durch Israel heftig kritisiert. Die VAE sind Partner Israels im Rahmen des Abraham-Abkommens, Saudi-Arabien dagegen nicht. Und so kreuzen sich in Somaliland die Interessenslinien Israels, der Vereinten Arabischen Emirate einerseits und der Türkei und ihrer Verbündeten anderseits, und ein kleines, über Jahrzehnte hinweg weitestgehend ignoriertes Land gerät plötzlich ins Rampenlicht, und zwar vor allem wegen seiner Lage.