Gaza

Ist die »Terrorkatze mit den neun Leben« tot?

Ein Wandbild von Terrorchef Mohammed Deif Im Gazastreifen (2016) Foto: imago images/NurPhoto

Er gilt als »Phantom der Hamas« oder »die Terror-Katze mit den neun Leben«: Mohammed Deif, der Anführer des militärischen Flügels der Terrororganisation im Gazastreifen. Am Samstag hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben ein Hamas-Lager in Khan Younis angegriffen, nachdem sich Deif angeblich aus den Terrortunneln herausgewagt hatte.

Die Hamas bestritt, dass Deif getötet wurde, bestätigte aber, dass der Kommandeur der Khan Younis-Brigade der Terrorgruppe, Rafa Salamah, bei dem Anschlag ums Leben gekommen sei. Bis Sonntag konnte die IDF weder den Tod von Deif noch von Salamah bestätigen. Deif, der Kopf der extremistischen Al-Kassam-Brigaden, hatte in den vergangenen Jahren mindestens sechs Anschläge Israels überlebt.

Fast zwei Jahrzehnte lang war man in Israel davon ausgegangen, dass Deif nach den mehrfachen Attentaten im Rollstuhl sitze und nicht mehr aktiv sei. Im Dezember jedoch, während des Krieges, wurde Deif in einem Tunnel in Gaza in besserer körperlicher Verfassung gefilmt, als man angenommen hatte.

Umzäumtes Hamas-Gelände sei das Ziel gewesen

Der Angriff am Samstag erfolgte in der Nähe des Gebietes Al-Mawasi im südlichen Gaza nahe der Küste und der Stadt Khan Younis. Es wurde als humanitäre Sicherheitszone ausgewiesen und beherbergt eine große Zahl von Zivilisten, die vor den Kämpfen geflohen sind. Die IDF gab an, der Angriff habe ein umzäuntes Hamas-Gelände und nicht die Zelte der Vertriebenen getroffen. Palästinensern zufolge wurden bei dem Angriff etwa 90 Menschen getötet und weitere 300 verletzt. Die Hamas behauptete, es handele sich um Zivilisten. Einer israelischen Quelle zufolge seien die Getöteten zumeist Terroristen.

Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant hatten grünes Licht für den Angriff gegeben, nachdem genaue Geheimdienstinformationen auf Grundlage technologischer Ortungs- und Abhörmöglichkeiten, aber auch menschlicher Überwachung vor Ort eingeholt worden waren, hieß es in israelischen Medien. Diese Informationen hätten zu der endgültigen Bestätigung geführt, dass sich Deif tatsächlich am Angriffsort zwischen »Hütten, Schuppen und Palmen« befand. Geheimdienstinformationen hätten gezeigt, dass Deif aus den Tunneln gekommen sei, was eine seltene Gelegenheit geboten habe, ihn zu eliminieren.

Obwohl die Hamas bestreitet, dass Deif getötet wurde, berichteten Medien in Saudi-Arabien, dass die Terrororganisation ein »großes internes Leak« untersucht, dass hinter dem Angriff stecken könnte.

»Monatelang gab es keine Fortschritte, weil der militärische Druck nicht stark genug war.«

ministerpräsident benjamin netanjahu

Nach dem Anschlag sprach der israelische Premier auf einer Pressekonferenz und bekräftigte seine Position, dass militärischer Druck unerlässlich sei, um ein Abkommen voranzubringen. Dabei kritisierte er auch die Armee. »Monatelang gab es keine Fortschritte, weil der militärische Druck nicht stark genug war. Ich war der Meinung, dass wir sowohl um eines Abkommens willen als auch um die Hamas zu besiegen, in Rafah einmarschieren mussten. Es gab enormen internationalen Druck, nicht einzumarschieren. Doch wir marschierten in Rafah ein, töteten Hunderte von Terroristen, und plötzlich begannen sich die Dinge zu bewegen«, führte er aus.

Währenddessen gab es widersprüchliche Meldungen zu den Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen Geiseldeal, nachdem es in der vergangenen Woche bei den Gesprächen in Katar Vorzeichen eines Durchbruchs gegeben hatte. Ägyptische Quellen meldeten am Sonntag, dass die Gespräche nach dem Tötungsversuch an Deif unterbrochen worden seien. Offizielle in Jerusalem jedoch sagten, sie hätten keine Informationen darüber, dass die Suche nach einem Abkommen ins Stocken geraten sei. Mossad-Chef David Barnea wolle wieder zu den Gesprächen reisen, es sei jedoch noch unklar, wann dies geschehe.

Zwei Quellen aus Kairo behaupteten, dass trotz dreitägiger »intensiver« Gespräche kein greifbares Ergebnis erzielt worden sei, und warfen Israel vor, es fehle an der echten Absicht, eine Einigung zu erzielen. Sie sagten, das Verhalten der israelischen Vertreter spiegle einen »internen Konflikt« auf ihrer Seite wider. Auch israelische Medien berichteten, dass es zwischen Netanjahu und den Chefs des Mossad sowie des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet Differenzen gebe.

Gerettete Geisel Andrey Kozlov spricht persönlich in Tel Aviv

Dass ein Deal zustande kommt, forderten am Samstag auch Zehntausende Israelis, die im ganzen Land gegen die Regierung und für ein Abkommen zur Befreiung protestierten. Die vor fünf Wochen gerettete Geisel Andrey Kozlov sprach persönlich auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv. »Nach außen hin mag es so aussehen, als ob es mir gut geht, aber der Schmerz lastet mehr auf mir, als irgendjemand sehen oder sich vorstellen kann«, sagte er der Menge. »Und dass sogar, obwohl ich einer der Glücklichen war, die nicht in einem Tunnel festgehalten wurden.«

Jeder Tag in Gaza sei die Hölle gewesen. »Jeden Tag kam es mir so vor, als wäre es mein letzter Tag auf Erden. Die Kundgebungen auf dem Geiselplatz wie diese jetzt, haben mir die Kraft zum Überleben gegeben.« Kozlov hatte zuvor berichtet, dass die Hamas-Wächter ihn und die Mitgeiseln Shlomi Ziv und Almog Meir Jan manchmal Berichte von Al Jazeera im Fernsehen anschauen ließen, wodurch sie von den Demonstrationen in Israel für ihre Befreiung erfuhren.

»Netanjahu fügt Bestimmungen hinzu, die das Leben weiterer Geiseln kosten könnten.«

einav zangauker

»Wenn ich also unter schweren Bedingungen und Misshandlungen litt, was ist dann mit den verbleibenden 120 Geiseln?«, fuhr Kozlov fort. »Ich wende mich heute Abend an Sie, weil es nichts Wichtigeres gibt als einen Deal, um alle nach Hause zu bringen. Die Zeit läuft ab. Jeder Tag zählt, jede Minute, sogar jede Sekunde.«

Am selben Tag waren auch die Angehörigen von Geiseln nach ihrem viertägigen Marsch aus Tel Aviv in Jerusalem eingetroffen und forderten vor dem Büro des Premiers, dass er einem Geiseldeal zustimmt. Einav Zangauker, die Mutter der Geisel Matan Zangauker, sagte dabei, es würden sich Berichte mehren, dass Netanjahu daran arbeite, ein Abkommen zu verhindern. »Er fügt dem Vorschlag Bestimmungen hinzu, die Matan das Leben kosten könnten«, sagte sie. »Er fügt Bestimmungen hinzu, die das Leben weiterer Geiseln kosten könnten. Wir fordern, dass er aufhört, den Deal zu sabotieren, alle persönlichen oder politischen Erwägungen beiseitelässt und die Geiseln nach Hause bringt.«

In Bezug auf den Anschlag gegen Deif erklärte Zangauker, dass alle es unterstützen würden, die Mörder der Hamas zur Rechenschaft zu ziehen. »Aber nicht auf Kosten des Lebens unserer Lieben und unserer Chance, sie zurückzubekommen.«

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