Pandemie

Israels Ultraorthodoxe zögern mit dem Impfen

Foto: Flash90

Jossi Levi in Israel hat sich mehrere Male einen Corona-Impftermin geben lassen - und dann wieder abgesagt. Der 45-jährige Jude wie auch seine Frau und acht Kinder haben bereits eine Covid-Erkrankung hinter sich, hatten sich alle im vergangenen Frühjahr infiziert. Aber diese Erfahrung hat Levi nicht davon abgehalten, seine Impfung wiederholt aufzuschieben, nach seinen Angaben hauptsächlich wegen Lethargie. »Es ist nichts Dringendes«, sagt er. »Ich bin nicht dagegen. Es ist schlicht Faulheit.«. 

Levi ist einer von Hunderttausenden Ultraorthodoxen, die sich bisher noch keine Spritze gegen Covid haben geben lassen. Die Bevölkerungsgruppe mit insgesamt 1,2 Millionen Menschen weist damit eine der niedrigsten Impfraten im Land auf, obwohl Corona sie von Anfang an hart getroffen hat. Beträgt die Rate in der allgemeinen Bevölkerung bei der zweiten Dosis etwa 63 Prozent und bei den Booster-Shots - der dritten Dosis - 45 Prozent, liegt die Zahl in der ultraorthodoxen Gemeinschaft um die Hälfte niedriger.

Zählt man die rund 300.000 hinzu, die laut Statistiken von einer Infektion genesen sind, mag der Stand der Immunisierungen etwas besser aussehen, aber Israels Gesundheitsministerium empfiehlt, dass sich jeder, der eine Infektion hinter sich hat, nach Ablauf von sechs Monaten zumindest eine Impfdosis verpassen lässt.

Die Behörden versuchen jetzt mit gezielten Kampagnen, die Zögernden zum Handeln zu bringen. So haben sie die prominenten Rabbiner in der Gemeinschaft, die als Schiedsrichter in allen möglichen Angelegenheiten dienen, dazu aufgerufen, aktiv für Impfungen zu werben. Zugleich bekämpfen sie verstärkt eine Welle von falschen Informationen, die Teile der Charedim-Gemeinde erfasst hat.

Zudem werden mobile Impfkliniken zu religiösen Schulen entsandt, man hofft, dass dies und eine Medienblitzkampagne den Druck auf Eltern erhöht, ihre Kinder impfen zu lassen. »Wir gehen in die Offensive«, sagt Avraham Rubinstein, Bürgermeister von Bnei Brak, der größten ultraorthodoxen Stadt im Land.

Die niedrige Impfrate liegt zum Teil daran, dass die Hälfte der Charedim jünger als 16 Jahre und nur seit Kurzem zu Corona-Impfungen zugelassen ist. Auch waren viele bereits infiziert und glauben, dass sie keine Immunisierung mehr benötigen. Das Zögern steht in starkem Kontrast zu dem hohen Preis, den die Ultraorthodoxen, die etwa 13 Prozent der 9,3 Millionen Einwohner in Israel ausmachen, während der Pandemie bereits gezahlt haben. Ihre Gemeinschaft hat oft die Sterberate im Land angeführt, Hunderte Menschen verloren.

Es gibt gesellschaftliche Gründe dafür, dass sich das Virus so stark unter den Charedim ausbreitet. Sie leben oft in ärmlichen, dicht bevölkerten Gegenden, große Familien in kleinen Wohnungen, was die Ansteckungsgefahr erhöht. Synagogen, der Mittelpunkt des sozialen Lebens, sind stets gefüllt. 

Und die Lebensweise dieser Menschen macht das Hinauffahren der Impfrate für die Gesundheitsbeamten zu einer einzigartigen Herausforderung. Die Gemeinschaft lebt abgeschottet vom allgemeinen israelischen Leben und zumeist getrennt von nichtreligiösen Israelis. Kinder lernen die Schriften, aber wenig Mathematik und Englisch. Das Internet und säkulare Fernsehen werden in der Regel gemieden.

»Charedim haben eine doppelte Furcht: vor dem Staat und vor der Wissenschaft«, sagt Gilad Malach vom Israel Democracy Institute, einer Jerusalemer Denkfabrik. Es fehle an »grundsätzlichem Vertrauen«, und das habe auch die Ausbreitung von unbegründeten Behauptungen über die Vakzine in der Gemeinschaft begünstigt.

Die Informationen würden durch örtliche Medien und Botschaften auf Gemeinde-Anschlagstafeln verstreut, sagt Avi Blumenthal, ein Berater des Gesundheitsministeriums in ultraorthodoxen Fragen. Damit werde die Mehrheit der Charedim erreicht. Die Gruppe folgt einer strikten Auslegung des Judaismus und stützt sich bei vielen Lebensentscheidungen auf die Wegweisung ihrer Rabbis. Manche von diesen haben aktiv zum Impfen ermuntert, andere sich mehr zurückgehalten und damit auch entsprechend weniger Gemeindemitglieder zur Immunisierung bewogen.

Das Gesundheitsministerium hat kürzlich prominente Rabbis zu Gesprächen mit Ärzten über den Impfstoff im größten Krankenhaus des Landes eingeladen, wie Blumenthal, selbst ein Ultraorthodoxer, schildert. Zudem hat sich der Leiter des Corona-Beirats der Regierung wiederholt mit wichtigen religiösen Führungspersonen getroffen und sie aufgerufen, sich für das Impfen stark zu machen. 

»Wir folgen den jüdischen Weisen«, sagt Dwora Ber, eine 27-jährige Mutter von vier Kindern in Bnei Brak, die geimpft ist. »Was sie uns sagen, befolgen wir.« ap

Meinung

Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Meinung

Eskalation in Katar?

Es ist heuchlerisch, Katar als Friedensvermittler zu bezeichnen. Wer die Hamas in Gaza unterstützt, in Doha Terroristen hofiert und mit Al Jazeera weltweit den Hass auf den jüdischen Staat befördert, sollte sich nicht wundern, wenn Israel zurückschlägt

von Philipp Peyman Engel  10.09.2025

Analyse

Ursula von der Leyen macht Israel zum Bauernopfer

Vor dem Europaparlament schlägt die EU-Kommissionspräsidentin harte Töne gegen Israel an - wohl wissend, dass die notwendige Mehrheit für Sanktionen womöglich nie zustande kommt. Eine Analyse

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Berlin/Ulm

Ron Prosor: Angriff auf israelischen Rüstungskonzern Elbit in Ulm ist ein terroristischer Akt

In Ulm ist eine israelische Firma angegriffen worden. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund. Nun äußert sich der Botschafter des Landes

 10.09.2025 Aktualisiert

Bagdad

Elizabeth Tsurkov ist frei

Elizabeth Tsurkov war im März 2023 von einer pro-iranischen Terrormiliz gekidnappt worden

 10.09.2025

Jerusalem

»Terror-Anführer können nirgendwo mehr sicher sein«

Netanjahu: Der Luftschlag hat die Hamas-Führer genau an dem Ort getroffen, an dem sie am 7. Oktober 2023 gefeiert haben

von Christoph Arens  10.09.2025

Huthi

Die Helfer der Mullahs

Die jemenitische Miliz greift Israel seit fast zwei Jahren immer wieder mit Raketen und Drohnen an. Nun hat der jüdische Staat sich gewehrt

von Sabine Brandes  09.09.2025

Krieg

Israel greift erstmals Hamas in Doha an

Die Terrororganisation benennt fünf tote Mitglieder. Quellen im israelischen Sicherheitsapparat bezweifeln, dass ranghohe Hamasführer getroffen wurden

 10.09.2025 Aktualisiert

"One Night Only"

Kevin Spacey tritt in Tel Aviv auf

Der Hollywood-Star plant in Israel sein Bühnen-Comeback

 09.09.2025