Israel

Haie vor Hadera

Die meisten Haiarten vor der israelischen Küste sind für den Menschen harmlos. Foto: picture alliance / Science Photo Library

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Haie vor Hadera

Warmes Abwasser aus einem Kraftwerk lockt im Winter die Fische an die Küste. Wissenschaftler fordern nun einen saisonalen Schutz, um gefährliche Begegnungen zwischen Mensch und Tier zu vermeiden

von Sabine Brandes  15.11.2025 18:00 Uhr

»Vorsicht, ein Hai!« – das ist ein Ruf, der in Israel früher eher ungewöhnlich war, heute an der Küste bei Hadera, nördlich von Tel Aviv, jetzt aber allgegenwärtig geworden ist. Denn in den Wintermonaten, von November bis April, versammeln sich dort jedes Jahr Dutzende Sandbankhaie (Carcharhinus plumbeus) und Graue Riffhaie (Carcharhinus obscurus) in unmittelbarer Nähe des Strandes. Das warme Wasser, das vom Kühlsystem des Wasserkraftwerks Orot Rabin ins Mittelmeer fließt, wirkt wie ein Magnet auf die Tiere.

Was für Taucher und Touristen ein spektakuläres Naturereignis ist, bereitet Meeresbiologen und Umweltschützern zunehmend Sorgen. So warnt die israelische Umweltorganisation Gesellschaft zum Schutz der Natur in Israel (SPNI), dass dieses Phänomen nicht nur neugierige Besucher anlockt, sondern auch Gefahren für Mensch und Tier birgt.

Tödlicher Angriff auf einen Schnorchler

Die Haie, die sich an der Küste vor Hadera versammeln, gehören zu den geschützten Arten. Sowohl Sandbankhaie als auch Graue Riffhaie gelten laut der Internationalen Union für Naturschutz als gefährdet. Trotzdem ist das Gebiet um das Kraftwerk noch kein offiziell ausgewiesenes Schutzgebiet.

Während der Haisaison strömen Fischer, Taucher und Bootsfahrer in die Gegend, um den Raubtieren so nah wie möglich zu sein. Wiederholt kam es dabei zu alarmierenden Vorfällen: Haie mit Angelhaken im Körper, verletzte Tiere und im April sogar ein Haiangriff auf einen Schnorchler, der mit dem Tod des Mannes endete. Die Behörden sperrten daraufhin den Strand. Doch viele Aktivitäten, darunter Angeln, Tauchen und Motorbootfahren, finden weiterhin ungehindert statt.

Von November bis April sollte das Gewässer als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden.

»Dies ist der einzige Ort der Welt, an dem sich große, bedrohte Raubfische so nah an der Öffentlichkeit und so gut sichtbar versammeln«, erklärt Dan Alon, Direktor der SPNI. »Und dennoch herrscht hier Chaos. Es ist eine Situation entstanden, die sowohl für die Tiere als auch für die Menschen gefährlich sein kann.«

Die Organisation fordert daher ein saisonales Schutzgebiet. Von November bis April sollte das Gewässer als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden, um die Tiere zu schützen und gleichzeitig die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Denn das jährliche Auftreten der Haie bei Hadera ist mittlerweile zu einer Attraktion geworden. Tausende kommen, um die Tiere vom Ufer aus zu beobachten. Immer wieder wagen sich Menschen trotz ausdrücklicher Warnungen ins Wasser – aus Neugier, Ignoranz oder Abenteuerlust.

Umweltschützer appellieren daher an die israelische Regierung, das Ereignis nicht länger sich selbst zu überlassen. Mit einem Naturschutzpark sehen sie eine Chance, »Wissenschaft, Naturschutz und Öffentlichkeit besser in Einklang zu bringen«. Durch Beobachtungsplattformen, Bildungsprogramme und klar definierte Verhaltensregeln im Wasser. Doch bislang gab es keine offizielle Stellungnahme des Umweltministeriums dazu.

»Sharks in Israel«

Die Anwesenheit von Haien so nah an der Küste – und das auch noch in großer Zahl – ist weltweit fast einzigartig. Meeresbiologen vermuten, dass das warme Wasser des Kraftwerks den Tieren eine Art »Winterrefugium« bietet. Es zieht vor allem trächtige Weibchen an, die dort Energie sparen und ihre Körpertemperatur konstant halten können.
Darüber hinaus könnte der Ort bei Hadera eine sozioökologische Funktion erfüllen, eine Art Treffpunkt für die Meerestiere. Israelische Wissenschaftler verfolgen die Bewegungen der Haie seit Jahren durch Satellitensender und Unterwasserkameras. Die Daten deuten darauf hin, dass es stets dieselben Tiere sind, die regelmäßig zurückkehren – ein Hinweis darauf, dass sie eine Art »Ortsverbundenheit« entwickeln.

Während die Haie von Hadera jedes Jahr wiederkommen, war die Sichtung eines Walhais (Rhincodon typus) im Oktober vor der Küste von Netanya, Aschdod und Aschkelon eine absolute Seltenheit. Der Walhai, der größte Fisch der Welt, kann bis zu 14 Meter lang und über 100 Jahre alt werden. Er gilt als ungefährlich für Menschen, ernährt sich ausschließlich von Plankton und kleinen Fischen. Sowohl in Israel als auch weltweit steht er unter strengem Schutz.

Noch nie zuvor war ein Walhai so lange vor der israelischen Mittelmeerküste gesichtet worden. Wissenschaftler der NGO »Sharks in Israel« verfolgten seine Bewegungen mit großer Begeisterung – bis zu jenem Tag, als tragische Bilder und Videos aus Gaza in den sozialen Medien auftauchten.

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Die Raubtiere sind wichtig für das ökologische Gleichgewicht.
Dort war offenbar dasselbe Tier gestrandet und von Anwohnern an Land gezogen worden. Bilder zeigten, wie der riesige Fisch zerlegt wurde. »Es ist herzzerreißend«, sagte Adi Barash, Geschäftsführer von Sharks in Israel. »Da es sich um ein einzelnes Tier handelte, hat der Tod keine ökologischen Folgen – aber es ist dennoch ein zutiefst trauriges Ereignis.«

Die meisten Haiarten vor der israelischen Küste sind für den Menschen harmlos. Für das ökologische Gleichgewicht des Meeres spielen sie hingegen eine zentrale Rolle. Und obwohl die Tiere bei vielen Menschen große Angst auslösen, sind Angriffe im Mittelmeer extrem selten. In Israel wurden in den vergangenen 80 Jahren gerade einmal fünf Vorfälle dokumentiert. Der erste 1946 in Tel Aviv, als ein britischer Polizist von einem Weißen Hai angegriffen und schwer verletzt wurde. Der letzte ereignete sich am Strand von Hadera.

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