Sukkot

Gedenken unter dem Palmendach

Besucher sind eingeladen, ihre Gedanken auf die Sukka zu schreiben oder Aufkleber zu Themen anzubringen, die ihnen wichtig sind. Foto: Shooting Press

Die Laubhütten standen noch auf vielen Balkonen und Terrassen der südlichen Ortschaften. Sie waren geschmückt mit Blumen, Palmwedeln und Früchten, verziert mit selbst gebastelten Girlanden, so, als hätten die Familien eben erst darin gesessen und noch Sukkot gefeiert. Doch sie sollten längst leer sein, verlassen nach dem Horror des Massakers der Hamas. Eigentlich hätte es ein Freudentag sein sollen: Simchat Tora. Monatelang wirkten die Bilder dieser menschenseelenverlassenen Hütten in Ilan Benaym nach.

Aus dieser Erinnerung an seine Gefühle heraus gestaltete der Industriedesigner, der vor zwei Jahren seine künstlerische Arbeit begann, die Sukkat Sikaron, zu Deutsch: Gedenk-Laubhütte. Aus schwarz lackierten, offen gestalteten Eichenholzpaneelen trägt sie in seiner Handschrift Worte aus der Tora: »Und ihr sollt euch an eurem Fest freuen und ganz fröhlich sein.«

Benaym hat sie gebaut und ausgestellt, um diesem scheinbaren Widerspruch zu begegnen. »Die Sukka erinnert uns geradezu daran, dass wir uns zwar freuen müssen – und doch nicht vergessen dürfen«, sagt er. »Sukkot und Simchat Tora werden seit dem 7. Oktober 2023 mit schwerem Herzen begangen, denn die Wunden der Tragödie sind noch frisch. Doch selbst in unserer Trauer gebietet die Tora, dass wir uns freuen. Mit den Festen ehren wir die Erinnerung an die Opfer und verewigen sie in unseren Seelen. Wir gedenken der Familien, die Sukkot feierten und brutal ermordet wurden«, erklärt er. »Ihre Laubhütten sind ein ergreifendes Symbol für ein vorzeitig beendetes Leben – verwaist, zerrissen und zerstört.«

In Anlehnung an die vielen spontanen Gedenkstätten, die seit dem 7. Oktober 2023 an öffentlichen Plätzen in ganz Israel zu sehen sind, lud Benayms Installation während der Hohen Feiertage 2024 Besucher ein, ihre Gedanken auf die Paneele zu schreiben, Erinnerungsaufkleber anzubringen und die Sukka so in ein gemeinschaftliches Zeugnis von Verlust und Erinnerung zu verwandeln. Er selbst sieht sich als Künstler und Designer, der seine Kreationen an der Realität des jüdischen Volkes und des Landes Israel orientiert. Seine »neuen Verbindungen zwischen dem alten Erbe und zeitgenössischem künstlerischen Ausdruck« sollen das Publikum zur Interaktion einladen.

Es soll ein gemeinschaftliches Zeugnis von Verlust sein.

Benaym ist im französischen Nizza geboren und studierte Industriedesign an der Université de Montréal und der Bezalel Academy of Arts and Design. Hauptberuflich ist er Industriedesigner und Unternehmer in der Parfumindustrie. Vor 18 Jahren machte er Alija, lebte zuvor neben Frankreich auch in Belgien und Kanada. »Ich bin ein Reisender«, beschreibt er sich selbst. Mit im Gepäck war stets sein Judentum, das er weiter erkunden wollte und noch will. »Die Kunst ist mein neuestes Abenteuer.« Auf diese Weise wolle Benaym »anderen meine Gefühle und meine Geschichte ohne jegliche kommerziellen Interessen vermitteln«.

2023 stellte Benaym seine erste Sukka aus. »Ich wollte damals die Möglichkeit untersuchen, die jüdischen Feste mit Design zu verbinden.« So entstand die »blau-rote Sukka«, die acht Tage lang im Park Hamesila in Tel Aviv aufgebaut war.

Er designte auch einen »Steh-Stuhl«, wie er sein Projekt nennt. »Nach dem Grauen von Simchat Tora befanden wir uns alle am Boden. Ich habe diesen Stuhl entwickelt, damit wir wieder aufstehen können, das Möbelstück unterstützt den Menschen dabei.« Derzeit ist der Stuhl auf Reise durch Frankreich und soll in weiteren Ländern stehen und stützen. Auch die Erinnerungs-Sukka würde Benaym gern international ausstellen.

»Ich liebe es, Objekte zu bauen, die berührt und erlebt werden können.« Die Laubhütte zu Sukkot sei für ihn das »perfekte Objekt«, das die Menschen anfassen, durch das sie hindurchgehen oder darin verweilen können. Anfangs sei er nicht sicher gewesen, ob die Sukka als Gedenkstätte angenommen werden würde. »Doch es ging sehr schnell, dass sie schrieben, was sie empfinden. Und die Stifte, die ich hingelegt hatte, waren auch nach acht Tagen noch da. Es war ein interessantes soziales Experiment.«

Persönlich sei für ihn die Verbindung der Geschehnisse rund um die beiden Laubhütten in dem Tel Aviver Park besonders bewegend gewesen. »Die blau-rote Sukka stand im Oktober 2023 eine Woche lang in diesem öffentlichen Raum und war ein Objekt, das Freude bereitete. Die Menschen bestaunten und sprachen über sie, Kinder spielten darin. Dann, am letzten Tag der Ausstellung, geschah der 7. Oktober.«

Plötzlich wurde aus der fröhlichen Installation ein Symbol des Schreckens.

Er habe völlig allein die Sukka abgebaut, »während die Sirenen heulten und die fürchterlichen Nachrichten über uns hereinbrachen. Plötzlich wurde aus der fröhlichen Installation ein Symbol des Schreckens. Ich erinnere mich ganz genau an die große Trauer, die ich empfand, während ich da im Park stand«.

»Die Erinnerungs-Sukka ist eine Weiterführung und gleichzeitig eine Gedenk-Installation, die den Opfern gewidmet ist.« Auch sie stand während der Feiertage 2024 mitten im Park Hamesila. »Und obwohl wir ein Jahr zuvor den 7. Oktober erlebt hatten, fand um die Sukka herum an den acht Tagen von Sukkot jede Menge statt«, berichtet Benaym. »Menschen gingen spazieren, schauten, blieben stehen, verewigten sich. So wurde aus der Trauer auch wieder Freude – und ein Symbol, dass das Leben weitergeht.«

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