Nahost

Appelle zu Gewaltverzicht an Israel und Iran

Bundeskanzler Scholz und Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates, beim EU-Gipfel in Brüssel Foto: picture alliance / Anadolu

Während engste Verbündete Israel nach dem iranischen Großangriff auf den jüdischen Staat zu Verzicht auf eine harte Gegenreaktion drängen, behält sich die Regierung in Jerusalem eine eigene Entscheidung über das weitere Vorgehen vor.

Die EU rief sowohl Israel als auch den Iran auf, von weiteren »gegenseitigen Angriffen« abzusehen. Man fordere »alle Parteien« nachdrücklich auf, äußerste Zurückhaltung zu üben und keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Spannungen in der Region verstärken könnten, hieß es in einer in der Nacht zum Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel veröffentlichten Erklärung der Staats- und Regierungschefs.

Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief angesichts »gefährlicher Rhetorik in der Region« erneut zu »größter Zurückhaltung« auf, wie sein Sprecher sagte.

Geiseln, Libanon und Iran

Israels Kriegskabinett will israelischen Berichten zufolge heute über eine Antwort auf den iranischen Angriff, die festgefahrenen Verhandlungen über einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg sowie den verschärften Konflikt mit der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon beraten.

Im Anschluss an Krisengespräche mit Deutschland und Großbritannien hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu am Mittwoch gesagt, er schätze zwar »Vorschläge und Ratschläge«. Israel werde jedoch seine Entscheidungen selbst treffen und »alles Notwendige tun, um sich selbst zu verteidigen«, sagte Netanjahu nach Treffen mit Außenministerin Annalena Baerbock und dem britischen Außenminister David Cameron.

Vor ihrem Weiterflug zum G7-Außenministertreffen in Capri mahnte Baerbock den Iran und Israel zu »maximaler Zurückhaltung«. Sie warnte: »Mit einer Eskalationsspirale wäre niemandem gedient.« Die Außenminister der Gruppe sieben wirtschaftsstarker Demokratien beraten heute angesichts eines drohenden Flächenbrands über weitere Sanktionen gegen Teheran.

Hamas und Hisbollah

Der Iran überzieht den Nahen Osten seit vielen Jahren mit Terror. Von ihm unterstützte Terrorgruppen wie die Hamas und die Hisbollah greifen Israel regelmäßig an. Zugleich droht das Mullah-Regime Israel immer wieder mit Vernichtung. Und es könnte umgehend über Atomwaffen verfügen.

Irans Präsident Ebrahim Raisi erneuerte am Mittwoch seine Warnung vor einem Gegenschlag. Falls Israel auch nur die geringste »Aggression« gegen den Iran ausüben sollte, wäre die iranische Antwort »verheerend« und die Israelis würden es bitter bereuen, sagte Raisi laut der Nachrichtenagentur Tasnim.

Israels Luftwaffe reagierte unterdessen auf eine Attacke aus dem Libanon mit zahlreichen Verletzten, indem die IDF die militärische Infrastruktur der proiranischen Hisbollah-Miliz im Norden des Libanons angriffen. Die Anlage im Raum Baalbek werde vom Luftabwehrsystem der Hisbollah genutzt, hieß es.

»Klare Kante«

Bei einem Angriff aus dem Libanon waren zuvor im Norden Israels mindestens 14 Soldaten verletzt worden, wie das israelische Militär mitteilte. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf eine behandelnde Klinik, es seien 18 Menschen verletzt worden. Laut israelischen Zeitungen sollen unter den Opfern vier Zivilisten sein.

Der von den Hisbollah-Terroristen im Libanon kontrollierte Fernsehsender Al-Manar berichtete, es sei ein Gebäude beschossen worden, in dem sich israelische Soldaten aufgehalten hätten. Es habe Opfer unter ihnen gegeben, hieß es.

Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, forderte die EU derweil zu einem »Kurswechsel« in ihrer Politik gegenüber dem Iran auf. Nach dem iranischen Großangriff auf sein Land müsse Europa »klare Kante zeigen«, sagte der Botschafter der »Rheinischen Post«.

Juristische Prüfung

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht einen möglichen Ansatz für die Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation. Es gebe ein Urteil zu der Frage der Aktivitäten dieser Organisation, sagte Scholz am Mittwochabend am Rande des EU-Gipfels. Dies könnte ein Ausgangspunkt für die Listung der Revolutionsgarden sein. Eine juristische Prüfung in der EU zu dem Thema laufe derzeit.

Indessen steht nach monatelanger Blockade eines umfangreichen US-Hilfspakets für die Ukraine, Israel und den Indopazifik eine Abstimmung im US-Repräsentantenhaus wahrscheinlich kurz bevor. Der Vorsitzende der Kammer, Mike Johnson, sagte, er erwarte ein Votum am Samstag. Der mächtige Kontrollausschuss veröffentlichte am Mittwoch die Gesetzestexte, über die nun abgestimmt werden soll.

Für Israel sind rund 26 Milliarden Dollar (24 Milliarden Euro) vorgesehen. Dazu zählen vier Milliarden Dollar zur Aufstockung der Raketenabwehrsysteme Iron Dome und David’s Sling. Im Falle einer Zustimmung wäre der Senat am Zug. Es gilt als wahrscheinlich, dass die von den Demokraten geführte Kammer das Vorhaben unterstützt.

Kein Durchbruch

Das Golfemirat Katar will unterdessen seine Rolle als Vermittler im Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas überdenken. Katars Rolle sei in gewissem Maße für politische Zwecke missbraucht worden, sagte Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani am Mittwoch in der Hauptstadt Doha. Wen und was er dabei konkret meinte, führte er nicht aus.

»Dies hat Katar dazu veranlasst, seine Rolle völlig neu zu bewerten und wir befinden uns derzeit in dieser Phase«, sagte Al Thani. Seit Monaten laufen unter Vermittlung Katars, der USA und Ägyptens Verhandlungen über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die bei dem Überfall islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres in den Gazastreifen verschleppt worden waren. Ein Durchbruch bei den Verhandlungen ist derzeit jedoch nicht absehbar.

Erstmals seit der Öffnung des Hafens von Aschdod in Südisrael wurden derweil Hilfslieferungen für den Gazastreifen dort abgewickelt. Acht Transporter mit Mehl seien kontrolliert und dann in das Küstengebiet gebracht worden, teilten Israels Armee sowie die für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständige israelische Cogat-Behörde mit. dpa/ja

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