Chanukka

Gegen den Hass

Als Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Rabbiner Yehuda Teichtal vom Jüdischen Bildungszentrum Chabad Berlin zusammen in den Hebekran stiegen und die zehn Meter in die Höhe fuhren, wurde es ganz still auf dem Pariser Platz. Nachdem die beiden mit vereinten Kräften unter den Segenssprüchen des Rabbiners das Licht mit einer Fackel entzündet hatten, gab es von den rund 400 Menschen, die trotz des nasskalten Wetters an diesem Abend vor das Brandenburger Tor gekommen waren, großen Applaus.

Ein Kantor fing mit seiner kräftigen Stimme zu singen an, das jüdische Lichterfest war eingeläutet. »Der Chanukkaleuchter im Herzen Berlins steht für die Kraft und das Selbstbewusstsein des Judentums in unserer Stadt«, sagte Michael Müller beim Zünden der ersten Kerze. Rabbiner Teichtal ergänzte: »Das Licht wird immer über die Dunkelheit siegen.« Berlin sei ein Ort der Offenheit und Toleranz. »Wir sind bereit, gemeinsam von hier die Welt zu beleuchten«, unterstrich der Rabbiner.

Seit Dienstagabend erleuchtet der Chanukkaleuchter im Verbund mit dem in nächster Nähe stehenden Weihnachtsbaum den Pariser Platz und das Brandenburger Tor. An dem traditionellen Lichterzünden nahmen neben christlichen, muslimischen und jüdischen Vertretern, wie Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann, auch Politiker teil, darunter Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke), Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), sowie Israels Botschafter Jeremy Issacharoff. Die erstmals 2004 initiierte feierliche Zeremonie fand in diesem Jahr unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt.

Hauptbahnhof Entgegen vorheriger Befürchtungen konnte die Zeremonie störungsfrei abgehalten werden. Grund der Besorgnis war eine zeitgleich zum Lichterzünden stattfindende Anti-Israel-Demo – nur etwa einen Kilometer entfernt. Am Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof unweit des Brandenburger Tors hatten sich etwa 300 pro-palästinensische Demonstranten versammelt.

Umgeben von 400 Polizisten waren die Veranstalter erkennbar bemüht, dass es nicht etwa – wie noch am Freitag und am Sonntag vor dem Brandenburger Tor – zum Verbrennen israelischer Fahnen kam. Zunächst verlas zu Beginn ein älterer Redner die polizeilichen Auflagen auf Deutsch und auf Arabisch und bat dringend, dass sie eingehalten würden – »damit wir weiterhin auf der Straße unsere Meinung sagen dürfen«.

Entsprechend waren fast nur Palästinaflaggen zu sehen, sowie je eine Türkei- und Deutschlandflagge. Zudem großformatige Farbposter, die ein nächtliches Jerusalem mit Felsendom zeigten. Zu hören waren Parolen wie »Intifada bis zum Sieg«, »Unsere Kinder wollen leben / USA sind dagegen« oder »Israel bombardiert / Deutschland finanziert«, angeheizt von jungen Männern, die auf den Schultern von Freunden saßen und sich des Mikrofons der Veranstalter bedienten. Auch Transparente gab es nur spärlich. Auf einem stand: »Defend the right to pray! Save Al Aqusa!« Das Recht, in der Al-Aksa-Moschee zu beten, sei nämlich in Gefahr, »wenn der Trump so weitermacht«, erklärte eine junge Frau, die das Plakat hielt.

video Ein Polizeisprecher versicherte, dass deutsch-arabische Übersetzer vor Ort waren. Die Polizei zeichnete zudem die Veranstaltung auf Video auf. Einmal schritten die Beamten ein. Sie bemängelten einen Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Die Veranstalter beeilten sich, dass ihre Ordner die Sache schnell regelten. Wäre es zu Aktionen wie etwa dem Verbrennen israelischer Flaggen gekommen, hätte die Polizei schnell eingegriffen, sagte der Polizeisprecher.

Der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Martin Pallgen, hatte zuvor unserer Zeitung auf Anfrage bestätigt, dass eine Kundgebung unter dem Namen »Die Erklärung von Präsident Trump bezüglich Jerusalem« ursprünglich am Brandenburger Tor geplant war – fast zeitgleich mit dem Lichterzünden: »Auf die zeitliche Koinzidenz haben wir mit Blick auf die Versammlungsfreiheit keinen Einfluss. Die räumliche Trennung, die wir für richtig und wichtig halten, haben wir erreicht.«

Zudem sei die Polizei entsprechend vorbereitet und sensibilisiert worden. Der Aufruf zu Hass, Gewalt und Antisemitismus sei nicht vom hohen Gut der Versammlungsfreiheit gedeckt. Die Berliner Polizei werde dagegen vorgehen und Auflagen im Vorfeld einer Versammlung erteilen, so Pallgen. »Eines ist noch wichtig in diesem Zusammenhang: Die Polizei schützt das Demonstrationsrecht, sie schützt nicht das Thema einer Demonstration.«

empörung Die deutlichen Ansagen der Polizei resultieren auch aus der breiten Empörung, die das Verbrennen von Israelfahnen und das Rufen von Morddrohungen gegen Juden ausgelöst hatten. Bei Protesten gegen die US-Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels waren am Wochenende vor dem Brandenburger Tor in Berlin Israelflaggen und ein Davidstern verbrannt worden. »Das Verbrennen von Israelfahnen ist ein schändlicher Akt, den wir niemals hinnehmen werden«, hatte der Regierende Bürgermeister Müller erklärt.

Und auch Bundesjustizminister Maas versicherte, dass man alles tun werde, um gegen antisemitische Hetze vorzugehen und Straftäter zur Rechenschaft zu ziehen: »Wer Israelfahnen verbrennt, verbrennt auch die freiheitlichen Werte unseres Landes.«

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte zuvor erklärt: »Wir akzeptieren nicht, wenn Juden oder der Staat Israel auf diese beschämende Weise beleidigt werden.« Und Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte angesichts von »gravierenden Ausschreitungen«: »Wir wenden uns gegen alle Formen von Antisemitismus und Fremdenhass.«

Toleranz Michael Groys ist dankbar für die klaren Worte der Politiker. Der 25-Jährige ist Politikwissenschaftler und aktives Mitglied in der Jüdischen Gemeinde Berlin. »Für mich ist das Licht der Chanukkia in diesem Jahr auch ein Sieg der Toleranz und der Demokratie über den Hass und die antiisraelische Hetze«, sagte er beim Lichterzünden. Zwar komme er eigentlich jedes Jahr ans Brandenburger Tor, aber diesmal sei es ihm besonders wichtig gewesen.

Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount A. Königsberg, meint, dass die jüdische Gemeinschaft seit Tagen mit einer Welle des Hasses konfrontiert ist, die jegliche Grenze des Akzeptablen überschritten hat. »Wir sehen die Demonstrationen der vergangenen Tage jedoch nicht losgelöst von ähnlichen Vorkommnissen in der Vergangenheit. Wir stellen fest, dass seit Jahren systematisch versucht wird, die jüdische Gemeinschaft Berlins einzuschüchtern.« Die Verantwortung für ein gedeihliches Zusammenleben reiche weit über die Politik hinaus. Die Zivilgesellschaft sei gefordert, ein Klima zu schaffen, dass ein angstfreies Zusammenleben aller Berlinerinnen und Berliner ermöglicht.«

Auch Dervis Hizarci war am Dienstag nach Mitte gekommen, um ein Zeichen gegen den Hass zu setzen. »Ich bin entsetzt von der Stimmung, die die Tage gegen Israel und Juden gemacht wurde«, sagt Hizarci, der sich in der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) engagiert. Er sei froh darüber, dass auch muslimische Vertreter zum Kerzenzünden gekommen waren. »Ich denke, wir sollten nach Wegen zurück zum Dialog suchen. Das geht sicherlich nicht mit allen. Dennoch ist es unsere Aufgabe, die Zivilgesellschaft darin zu bestärken«, sagte Dervis Hizarci.

Der zehn Meter hohe Chanukkaleuchter auf dem Pariser Platz in der Mitte Berlins ist nach Angaben von Chabad Lubawitsch der größte in Europa. Bis zum Mittwoch, den 20. Dezember, wird an jedem Tag mit Einbruch der Dunkelheit eine Kerze mehr an dem achtarmigen Leuchter gezündet. (mit epd)

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