Interview

Yorai Feinberg: »Die Wassermelone ist das Symbol von Judenhassern«

Yorai Feinberg Foto: Feinberg’s

Interview

Yorai Feinberg: »Die Wassermelone ist das Symbol von Judenhassern«

Der Restaurantbesitzer über den Wassermelonen-Eklat, die Welle des Antisemitismus, die regelmäßig das »Feinberg’s« trifft und über Zeichen der Solidarität

von Imanuel Marcus  09.05.2025 13:13 Uhr

Herr Feinberg, Ende April war Ihr Restaurant »Feinberg’s« mit einem Stand beim Berliner Israeltag vertreten. Sie warben dort für ein Getränk mit »gehäckselter, pürierter & zerhackstückelter« Wassermelone, wahlweise mit oder ohne »Vodkashot«. Die Wassermelone ist ein Symbol für die palästinensische Nationalbewegung. Es gab daher viel Aufregung. Haben Sie Verständnis dafür?
Ein Symbol der palästinensische Nationalbewegung soll das sein? Steht es denn für friedlich neben Israel lebende Palästinenser? Oder steht das Symbol eher für den »Widerstands«- Terrorismus, eine Vernichtung Israels und Verschwörungstheorien? Steht es für das größte Massaker an Juden seit dem Zweiten Weltkrieg? Es ist das Symbol von Judenhassern. Es steht für Pogrome, Angriffe auf Juden und Ausschreitungen an Universitäten. Es gab außerdem keine Werbung, sondern lediglich ein Verkaufsschild, das ein sarkastischer Witz war. Es ging uns darum, selbst über ein Symbol des Judenhasses lachen zu können.

Was war Ihr Gedanke, als Sie dieses Verkaufsschild verfassten?
Wir dachten aus unserer Sicht als Gastronomen an die Veranstaltung, die vielen teilnehmenden Menschen und das Kommende. Wie heißt es so schön? Wenn das Leben uns Zitronen gibt, machen wir Limonade daraus. So entstand die Idee, den erdrückenden Judenhass, der wächst und wächst, symbolisch in den Mixer zu werfen – und daraus etwas zu machen, das uns kulinarisch verbindet und erfreut. Ganz im Sinne der Zitronenlimonade.

Dann kamen der Judenhass und die Drohungen. Von einer »jüdisch-zionistischen Kloake« war in Online-Kommentaren die Rede und von Güterwaggons. Was macht dies mit Ihnen und Ihren Mitarbeitern?
Es gab zigtausende Hass- und Drohnachrichten. Viele davon enthielten auf unterschiedlichste Weise auf den Holocaust bezogene Mordfantasien. Was macht das mit einem Menschen, wenn im Takt von weniger als zehn Minuten die volle Wucht eines grenzenlosen Antisemitismus über einen hereinbricht? Eine Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen würde nicht ausreichen, um all das zu dokumentieren. Ich kann nur sagen: Es war und ist schwer. Wir haben es mit einer Realität zu tun, die 80 Jahre nach dem Ende der Schoa niemals wieder so lebendig sein dürfte – und es dennoch ist. Was macht das mit mir, mit meinem Team – wenn solche Wellen von Hass uns über Tage hinweg erreichen? Ich finde kaum Worte dafür. Fakt ist aber: Wir, die Juden, sind heute wieder von einer weltweiten, unbeschreiblich hasserfüllten und tödlich gesinnten Stimmung umgeben und bedroht. Dafür gibt es eigentlich keine Worte.

Wer steckt hinter der Lawine an Drohungen?
Antisemiten verbreiten ihren Hass heute mit ihren Klarnamen, mit Gesichtern in den Profilen. Manche dieser Profile sind erschreckend – ganz ähnlich wie damals, vor etwa einem Jahr, nach unserem Post über Kartoffelpuffer mit Apfelmus und einer kleinen Israel-Fahne. Auch da wurden wir massiv angegriffen. Ich schaue mir manchmal die Profile der Personen an, die uns angreifen. Eine von Judenhass besessene Frau zum Beispiel hat etwa 17 antisemitische Beiträge an einem einzigen Tag veröffentlicht. So ein Fakt spricht für sich.

Laut Polizei Berlin nimmt der Staatsschutz des Landeskriminalamtes laufend eine Gefahrenbewertung vor. Wird Ihr Restaurant geschützt?
Ja, leider ist das die bittere Realität. Ich darf aus naheliegenden Gründen nicht im Detail sagen, wie die Sicherheitsvorkehrungen aussehen, aber es stimmt, dass es sie gibt. Sowohl für Feinberg’s als auch für mich persönlich. Wobei sich das kaum trennen lässt. Schließlich bin ich eng mit meinen Mitarbeitern verbunden. Ganz sicher aber gibt es ein Gefühl der Dankbarkeit: Ich bin unseren Polizisten, ebenso wie den Mitarbeiter des LKA sehr, sehr dankbar. Ihre Arbeit ist nicht nur hochprofessionell, sondern auch menschlich sehr angenehm im Umgang. Es ist so gut, dass es sie gibt. Und zugleich ist es so traurig, dass es sie braucht.

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Es gibt Drohungen, aber auch Solidarität. Wer steht auf Ihrer Seite und wie äußert sich dies?
Das stimmt: Es gibt noch Licht im Dunkel. Die Nachrichten über das Ausmaß der antisemitischen Hasskampagne sind mittlerweile auch bei freundlichen, Israel-solidarischen Menschen angekommen und wir erfahren große Unterstützung und viel Liebe. Viele – zum Beispiel Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft – stehen eindeutig hinter uns. Das war und ist nicht selbstverständlich. Es gab auch das große Schweigen – und sogar Sympathie für die gezielte Fehlinterpretation der Judenhasser – und zwar auch innerhalb der jüdischen Welt.

Dennoch habe ich das Gefühl, dass immer mehr Menschen für uns eintreten, weil diese Welle des Hasses nichts mit einem demokratischen Diskurs zu tun hat – anders, als es manche Politiker oder Vertreter innerhalb der jüdischen und israelischen Gemeinden wahrzunehmen scheinen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass es auf den letzten Artikel in der »Welt« über 130 Kommentare gab – und alle waren solidarisch. Das gibt Kraft und macht Mut.

Ein Restaurant lebt von Gästen. Wie hat sich die Wassermelonen-Geschichte auf die Zahl Ihrer Kunden ausgewirkt?
Generell leiden seit dem 7. Oktober alle israelischen Restaurants extrem. Mehrere haben bereits geschlossen oder ihr Konzept geändert. Nach der Wassermelonen-Geschichte war unser Restaurant für einige Tage wirklich leer und ein großes Catering wurde storniert. Mittlerweile aber steigen die Besucherzahlen wieder, wofür wir wirklich dankbar sind. An manchen Tagen ist das Restaurant inzwischen sogar besser besucht als vorher.

Was haben Sie als Restaurantbetreiber seit dem 7. Oktober erlebt? Und wie unterscheidet sich dies von den Erfahrungen seit dem letzten Israeltag?
Seit dem 7. Oktober 2023 gab es einen starken Rückgang bei den Besucherzahlen. Anfangs war dies vermutlich auf Angst zurückzuführen, später entwickelte es sich jedoch zu einem offensichtlichen Boykott. Besonders deutlich wurde uns das beim Lesbisch-schwulen Straßenfest in der Fuggerstraße. Normalerweise war unser Restaurant zu diesem Anlass immer komplett ausgebucht. Dieses Jahr waren wir plötzlich nur halb voll und wurden zusätzlich von mehreren Passanten beschimpft.

Darüber hinaus haben wir – ohne Übertreibung – Tausende Angriffe erlebt: von Fake-Bewertungen über antisemitische Kommentare in den sozialen Medien bis hin zu Hassanrufen, Vandalismus und Morddrohungen durch »Besucher«. Besonders deutlich wurde diese Entwicklung auch beim diesjährigen Israeltag: Er verzeichnete die schlechtesten Besucherzahlen seit mindestens 2013, dem ersten Jahr unserer Teilnahme. Dafür war vermutlich so viel Sicherheitspersonal vor Ort wie nie zuvor – inklusive Scharfschützen.

Das Interview mit dem Chef des Berliner Restaurants »Feinberg’s« führte Imanuel Marcus.

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