Gelsenkirchen

»Wir zeigen solchen angeblichen Fans die Rote Karte«

Foto: dpa

Mit einem »Appell für mehr Respekt« haben sich die Religionsgemeinschaften in Gelsenkirchen aus Anlass aktueller Entwicklungen beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 an die Öffentlichkeit gewandt. Hintergrund sind Anfeindungen und Gewaltandrohungen gegen S04-Marketingvorstand Alexander Jobst und dessen Familie. Jobst hatte deshalb vorige Woche den Rücktritt von seinem Posten bei dem abstiegsbedrohten Fußballverein angekündigt.

»Wenn sich aus sachlicher Kritik am Wirken einzelner Menschen Hass und Hetze entwickeln, gibt es dafür keinerlei Verständnis. Die Urheber stellen sich zugleich klar gegen die Werte, für die der Fußballverein steht, und schaden diesem massiv«, zitiert das »Neue Ruhr-Wort« (Donnerstagabend online) aus der Erklärung von Vertretern der beiden großen Kirchen, der Jüdischen Gemeinde sowie der Muslimischen Gemeinden Gelsenkirchens.

Zusammenarbeit »Wir haben viele Projekte miteinander verwirklicht und sind dem Verein eng verbunden«, sagte die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach, der Jüdischen Allgemeinen. »Eine Bedrohung, nur, weil man anderer Meinung über die Ausrichtung des Vereins ist, ist ein Unding. Wir zeigen solchen angeblichen Fans die Rote Karte«, sagte Neuwald-Tasbach.

Der FC Schalke 04 hat als erster Bundesligist 1994 den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung in seine Satzung aufgenommen.

Der FC Schalke 04 hat als erster Bundesligist 1994 den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung in seine Satzung aufgenommen, so die Vorsitzende weiter. Auch die Antisemitismus-Definition der IHRA habe der Verein für sich übernommen. Die Fangruppen unternehmen Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz, Buchenwald und nach Westerbork. Sie bieten Führungen in der Synagoge und Stadtrundgänge auf den Spuren der jüdischen Vereinsmitglieder und Spieler an.

Gemeinsam mit Schalke 04 wurde die Ernst Alexander Auszeichnung ins Leben gerufen und 2018 erstmals verliehen. 2020 wurde der Ernst-Alexander-Weg neben der Arena eingeweiht. Ernst Alexander war ein jüdischer Spieler des FC Schalke 04, den die Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet haben.

Tradition »Wir sind fast alle eingefleischte Schalke-Fans«, sagte die Gemeindevorsitzende, daher könnte man eine solche Bedrohung nicht hinnehmen. »Schalke ist nicht ein Verein, bei dem am Ende des Monats das Geld auf dem Konto ist, sondern eine Tradition, eine Lebenshaltung.«

Die Religionsgemeinschaften reagierten mit Entsetzen angesichts der Gewaltandrohungen.

Als sie von der Rücktrittsankündigung gehört habe, haben sich die Glaubensgemeinschaften »zusammentelefoniert«. Alle reagierten mit Entsetzen« angesichts von Mobbing und Gewaltandrohungen in Mails und Briefen gegen Jobst und seine Familie. »Diese Drohungen werden von der Polizei so ernst genommen, dass ihm empfohlen wurde, die Geschäftsstelle nur noch bei Tageslicht zu verlassen«, schreiben der evangelische Superintendent Heiner Montanus, der katholische Stadtdechant Markus Pottbäcker, Imam Abdullah Günel und Judith Neuwald-Tasbach.

Der FC Schalke 04 sei sportlich und außerhalb des Sports in einer sehr schwierigen Lage, vielleicht der schwierigsten der Vereinsgeschichte. In einer solchen Situation könne es zwar Auseinandersetzungen über den »richtigen« Kurs geben. »Nun sind aber in der letzten Zeit mehrfach einzelne Personen auf äußerst respektlose Weise persönlichen Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt worden.«

Meinungsstreit »Diese ›Fans‹ schaden sich selbst damit«, fügte Neuwald-Tasbach hinzu. »Mit Alexander Jobst verliert man einen jahrelangen Fachmann. Und außerdem: Wer will sich auf eine Stelle bewerben, bei dem er Angst haben muss, bei einer unterschiedlichen Meinung tätlich angegriffen und sich Sorgen um seine Familie machen zu müssen?«

Für die Vertreter der vier Religionsgemeinschaften ist der aktuelle Fall indes nur einer von vielen, bei denen auch ehrenamtliche Funktions- und Amtsträger aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft anonymen Drohungen nachgeben und sich von ihren Ämtern zurückziehen, um die eigene Gesundheit und ihre Familien zu schützen. Dies seien »unerträgliche Zustände« aufgrund einer Respektlosigkeit, »welche in der Gesellschaft leider immer mehr um sich greift«. kna/ja

München

Das Schweigen brechen

Stephan Lebert und Louis Lewitan stellten ihr neues Buch »Der blinde Fleck« über ein deutsches Tabu und seine Folgen vor

von Helen Richter  03.07.2025

Sport

Fit mit Makkabi

Schmerzt der Rücken? Fehlt die Kraft? Wir haben vier Übungen für alle, die fit im Alltag werden wollen. Gezeigt hat sie uns Noah von Makkabi

von Katrin Richter  03.07.2025

Berlin

»Wie vorm Berghain«

Avi Toubiana über das Kosher Street Food Festival, organisatorische Herausforderungen und Warteschlangen

von Helmut Kuhn  03.07.2025

Lesung

Familiengeschichten

Der Autor Daniel Zylbersztajn-Lewandowski stellte im »taz-Café« zwei Bücher über seine Vorfahren vor – und lernte bislang unbekannte Verwandte kennen

von Alicia Rust  03.07.2025

Chemnitz

Marx und Mikwe

Die Jüdische Gemeinde präsentiert sich im Kulturhauptstadtjahr zwischen Baustelle, Geschichte und Begegnung. Ein Ortsbesuch

von Anett Böttger  02.07.2025

Meinung

Nicht ohne meine Klimaanlage!

Warum sich Deutschland im Sommer an Israel ein Beispiel nehmen sollte

von David Harnasch  02.07.2025 Aktualisiert

Interview

Das hilft wirklich gegen zu viel Hitze und Sonne

Yael Adler über die Frage, wie wir uns am besten schützen können und was wir im Sommer von den Israelis lernen können

von Philipp Peyman Engel  02.07.2025 Aktualisiert

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

München

Gedenken in schwerer Zeit

Die Stadt erinnerte an jüdische Opfer des NS-Regimes. Die Angehörigen aus Israel konnten wegen des Krieges nicht anreisen

von Luis Gruhler  01.07.2025