Solidarität

Vereint gegen den Hass

Dicht gedrängt standen die Besucher am St.-Jakobs-Platz, viele suchten unter Regenschirmen Schutz vor dem Schauer, der den schönen Sommertag plötzlich eintrübte. Die jungen Musiker des Ensemble Shalom stimmten »Jerusalem aus Gold« an, ein Lied, dessen Text Hoffnung ausdrückt, dessen Melodie aber an Klänge eines melancholischen Wiegenliedes erinnert. Ein treffendes Bild für den heutigen »Tag der Solidarität mit Juden und Israel«, meinte Geschäftsführer Steven Guttmann von der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern angesichts des abklingenden Platzregens zu Beginn seiner Moderation.

Das wichtige Zeichen der Solidarität, das an diesem Abend von mehreren Hundert Menschen gesetzt wurde, falle in eine Zeit von anhaltender Trauer und Schmerz, sagte Guttmann. So seien in den neun Monaten seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 die Zahlen registrierter antisemitischer Vorfälle auch in Deutschland drastisch angestiegen, und neben der Synagoge erinnerten Plakate mit Fotos und kurzen Texten an das Schicksal der über 100 israelischen Geiseln, die noch immer in Gaza festgehalten werden.

»Kein Zweifel, unsere Lage ist ernst. Viele jüdische Menschen haben Angst, viele fühlen sich allein«, unterstrich Gemeindepräsidentin Charlotte Knobloch gleich zu Beginn ihrer Ansprache. »Aber wenn ich hier auf die zahlreichen versammelten Menschen blicke, sage ich: Das ist nur die eine Seite der Geschichte.«

Perspektive für das jüdische Leben in Deutschland

Der Beistand, der sich an einem solchen Tag manifestiere, eröffne eine Perspektive für das jüdische Leben in Deutschland und das friedliche Zusammenleben insgesamt: »Die Solidarität heute richtet sich gegen einen Israelhass und Antisemitismus, der alles vergiftet. Sie steht für einen Minimalkonsens der Werte, der nicht verrät, wofür dieses Land steht.«

Diese Solidarität stand im Zentrum der Kundgebung, zu der an diesem 10. Juli die IKG eingeladen hatte, angeregt vom deutschlandweiten Solidaritätstag des »DEIN e.V.« unter Leitung von Leo Sucharewicz.

Unterstützung und Solidaritätsbekundungen kamen an diesem Abend auch von wichtigen Vertretern aus der Politik. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann betonte in seiner Ansprache unter großem Applaus: »Wir setzen ein unüberhörbares Zeichen und stehen fest an der Seite Israels.« Auch viele Monate nach dem 7. Oktober gebe es für die Solidarität »kein Ablaufdatum und keine Ermüdungserscheinungen«. Herrmann erinnerte an die Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum des Grundgesetzes und verwies auf die Bedeutung religiöser Toleranz. Ihr Ende müsse diese allerdings bei antisemitischen Straftaten finden, betonte der Minister: »Wir dürfen keine Toleranz für die fanatisch Intoleranten zeigen.«

Unterstützung kam an diesem Abend auch von wichtigen Vertretern aus der Politik.

Dominik Krause, zweiter Bürgermeister der Stadt München, kritisierte den fehlenden Aufschrei der Gesellschaft bei linksradikalem und islamistischem Antisemitismus. Während der Rechtsextremismus zu Recht als große Bedrohung anerkannt sei, bleibe klarer Widerspruch gegen Antisemitismus aus diesem Bereich aus. Vielen gehe es nur um den »Antisemitismus der anderen«, stellte Krause fest. Besorgt blickte er auf den Israelhass in Frankreichs neu gewähltem Linksbündnis und forderte auch Muslimverbände hierzulande auf, klarer als bislang Stellung zu beziehen.

Der Landesvorsitzende der FDP Bayern, Martin Hagen, forderte, »keinen Fußbreit dem Antisemitismus« zu überlassen. Der Rechtsstaat müsse alle verfügbaren Mittel einsetzen. Dafür sei es aber auch nötig, über herrschende Vor- und Fehlurteile in Bezug auf Israel zu sprechen. Ausführlich suchte er die schwierige Situation des Landes begreifbar zu machen und machte deutlich, wo der Aggressor steht: »Der Hamas geht es um Auslöschung. Israel führt Krieg, nicht weil es will, sondern weil es Krieg führen muss.«

Wiederkehrende Täter-Opfer-Umkehr

Als Vertreter Israels sprachen an diesem Abend die Generalkonsulin Talya Lador-Fresher und der Podcaster, Autor und israelische Armeesprecher Arye Sharuz Shalicar. Beide kritisierten eine wiederkehrende Täter-Opfer-Umkehr, die das Ziel habe, Israel zu diskreditieren. Shalicar war innerhalb weniger Monate zu seinem zweiten Besuch in München angereist und hob in seiner Rede das Trauma der israelischen Gesellschaft seit dem 7. Oktober hervor.

Mit einem Bericht von seiner Aufklärungsarbeit an deutschen Schulen erläuterte er das verzerrte Bild von Juden und dem jüdischen Staat, das hierzulande häufig herrsche. Anhand von Beispielen aus seiner eigenen Biografie berichtete er, dass Bedrohungen gegen Juden ernst gemeint seien und man sich gegen sie nicht allein mit Worten, sondern auch mit Taten verteidigen müsse.

Ähnlich äußerten sich die Vorsitzende von »München ist bunt«, Micky Wenngatz, die nach Errichtung des »propalästinensischen« Protestcamps vor der Ludwig-Maximilians-Universität täglich Gegenveranstaltungen organisiert hatte, und der Kabarettist Christian Springer, der gewohnt temperamentvoll auf die Bigotterie vieler »Israelkritiker« hinwies.

Unterstützer aus München und darüber hinaus zeigten schließlich ihre Solidarität durch Videobotschaften, die zwischen den Reden auf einer großen Leinwand abgespielt wurden. Unter ihnen die Schauspielerin Uschi Glas, die auch auf der Bühne eindringlich betonte, dass ein solcher Tag der Solidarität nicht nur überfällig gewesen sei, sondern notwendig bleibe.

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025