Berlin

»Uns sind die Besuchergruppen weggebrochen«

Der Historiker Uwe Neumärker ist Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Foto: dpa

Herr Neumärker, Sie sind Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, das jüngst 15 Jahre alt wurde. Die Feier wurde wegen der Corona-Pandemie online übertragen. Was haben Sie zum Jubiläum noch geplant?
Wir haben im Netz unter anderem einen Animationsfilm zum Leben einer Holocaust-Überlebenden, Sabina van der Linden-Wolanski, die damals vor 15 Jahren eine bewegende Rede gehalten hat. Unser Schwerpunkt liegt nun mehr im Internet unter stiftung-denkmal.de. Eigentlich hätte es auch eine große Feier geben sollen, aber wegen Corona hat die nicht stattgefunden – und jetzt hat federführend der Förderkreis das Jubiläumskonzert im Stelenfeld veranstaltet.

Das Stelenfeld ist Open Air und kann besucht werden, aber die Ausstellungsräume sind geschlossen. Wie geht es weiter?
Zum 30. Juni wollen wir wieder öffnen, natürlich unter Einhaltung aller Regeln. Das ist im Ort der Information besonders schwierig, denn er liegt unterirdisch und ist sehr klein. Wir werden die Besucherzahl reduzieren und den Zugang regeln müssen. Deshalb werden wir eine der letzten Einrichtungen sein, die wieder öffnen. Aber wir wissen ja alle nicht, wie es langfristig weitergeht mit der Pandemie.

Immerhin bieten Sie seit Mai Führungen über das Stelenfeld an.
Ja, die sind kostenlos und finden täglich um 15 Uhr statt. Es hat noch keine Führung ohne Publikum gegeben, mittlerweile gibt es mitunter auch mehr Anfragen als Plätze. Das Interesse steigt, weil nun wieder Touristen nach Berlin kommen. Wir werden dieses Format bis zum Ende der Sommerpause fortführen. Ergänzen werden wir es um einen kostenlosen Stadtspaziergang zu unseren vier Denkmälern, neben dem Stelenfeld das Homosexuellen-Denkmal, das Sinti-und-Roma-Denkmal und der Gedenkort für die »Euthanasie«-Opfer, für die wir verantwortlich sind.

Hat Corona Einfluss genommen?
Ja, natürlich, wie überall in dieser Stadt sind uns die Besuchergruppen weggebrochen. Die wird es so schnell auch nicht wieder geben. Das Bundespresseamt hat auch mitgeteilt, dass bis September gar nichts passieren wird. Ein wichtiges Segment unserer Arbeit sind Schüler, die ja nun meist zu Hause lernen. Wir müssen deshalb auf die Digitalisierung setzen.

Gibt es auch Positives zu berichten?
Unsere Jugendseite »Du bist anders« erhält endlich einmal die Aufmerksamkeit, die sie verdient.

Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir einen verabschiedeten Wirtschaftsplan haben.

Um das Mahnmal herum wird ja gebaut. Schadet das dem Gedenkort?
Es war immer klar, dass dort gebaut werden wird. Eigentlich hätte der Neubau zeitgleich mit dem Denkmal stehen sollen. Jetzt haben wir die Situation, dass das Grundstück hin und her verkauft wurde. Nun war im vergangenen Jahr die Grundsteinlegung. Natürlich beeinträchtigen die Bauarbeiten – allein wegen des Lärms – den Betrieb, aber wegen Corona waren ja keine Besucher da. Für uns hat der Neubau zwei Vorteile: Es wird einen frei zugänglichen Balkon geben, der einen schönen Blick auf das Stelenfeld zulässt, und die Cora-Berliner-Straße soll verkehrsberuhigt werden. Aber die Jahre einer Baustelle sind nie besonders schön.

Wann soll alles stehen?
Ende 2021.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Den Normalbetrieb mit Besuchern. 2019 war das Jahr, in dem wir einen Besucherrekord seit der Eröffnung hatten. Hoffentlich werden wir wieder so ein Besuchermagnet, wie wir es einmal waren.

Mit dem Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas sprach Christine Schmitt.

Berlin

Unter die Haut

Der Künstler Gabriel Wolff malt, formt und tätowiert »jüdische Identität

von Alicia Rust  15.06.2025

Porträt der Woche

Zwischen den Welten

Ruth Peiser aus Berlin war Goldschmiedin, arbeitete bei einer Airline und jobbt nun in einer Boutique

von Gerhard Haase-Hindenberg  15.06.2025

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Beschuldigter bittet um Entschuldigung

Am 5. April 2024 war ein Brandsatz gegen die massive Tür des jüdischen Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen worden

 11.06.2025

Erinnerung

731 Schulen erinnern an Anne Frank

Der Aktionstag findet seit 2017 jährlich am 12. Juni, dem Geburtstag des Holocaust-Opfers Anne Frank (1929-1945), statt

 11.06.2025

Grand Schabbaton

Eine 260-köpfige Familie

In Potsdam brachte der»Bund traditioneller Juden« mehrere Generationen zusammen

von Mascha Malburg  11.06.2025