Nachruf

Trauer um Rabbiner Henry G. Brandt

Rabbiner Henry G. Brandt sel. A. Foto: Gregor Zielke

Nachruf

Trauer um Rabbiner Henry G. Brandt

Der langjährige Vorsitzende des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit starb im Alter von 94 Jahren

 08.02.2022 09:12 Uhr

Rabbiner Henry G. Brandt ist tot. Der ehemalige jüdische Vorsitzende des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit starb am Montag im Alter von 94 Jahren. Das teilte der ARK-Vorsitzende Rabbiner Andreas Nachama am Montagabend mit.

BIOGRAFIE Henry G. Brandt wurde am 25. September 1927 als Heinz Georg Brandt in München geboren. 1939 emigrierte er mit seiner Familie nach Tel Aviv. Er war aktiv in der jüdischen Untergrundorganisation Palmach und diente im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 als Offizier in der israelischen Marine. Anschließend studierte er in Belfast Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als Marktanalytiker in der Autoindustrie.

Im Alter von 30 Jahren nahm Henry G. Brandt 1957 ein Rabbinatsstudium am Leo Baeck College in London auf. Nach seiner Ordination wurde er 1961 Rabbiner einer Reformgemeinde in Leeds. Ab 1971 amtierte er als Rabbiner unter anderem in Genf, Zürich und Göteborg. 1983 kehrte er nach Deutschland zurück und trug in vielen Funktionen zum Wiederaufbau des liberalen jüdischen Gemeindelebens in Deutschland bei.

FUNKTIONEN Von 1983 bis 1995 war Henry G. Brandt Landesrabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Von 1995 bis 2004 fungierte Brandt als Landesrabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe. Von 2004 bis zum März 2019 war er Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. Als Amtsrabbiner betreute er auch die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld.

Rabbiner Brandt war von 1985 bis 2016 jüdischer Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit.  14 Jahre leitete er die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK) - seit ihrer Gründung 2005 bis 2019.

Er sei überzeugt, »dass das Gespräch, die Konfrontation mit Unterschieden und Geschichte die beste Waffe gegen Antisemitismus und Vorurteile ist, besser als der erhobene Zeigefinger« - das sagte Brandt, der immer um Ausgleich bemüht war, aber auch Probleme realistisch benannte, 2019 in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen: »Der Antisemitismus zeigt wieder seine Fratze. Umso notwendiger sind das Gespräch und die gemeinsame Arbeit, dagegen anzukämpfen.«

DIALOG Im März 2021 nahm Brandt an den »Augsburger Friedensgesprächen« teil, die wegen der Corona-Pandemie online abgehalten wurden. Bei dem Gespräch, an dem auch Zentralratspräsident Josef Schuster, Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie der Psychologe und Autor Ahmad Mansour zugeschaltet wurden, ging es um den interreligiösen Dialog.

Bei der Veranstaltung erklärte Rabbiner Brandt, Parallelgesellschaften im Sinne von ferngesteuerten Religionsgemeinschaften dürfe es in Deutschland nicht geben. Wer in ein Land einwandere, müsse sein Leben nach den Werten dieses Landes ausrichten. Leider habe die Zuwanderungspolitik in dieser Hinsicht »erbärmlich versagt«.

Brandt regte zudem an, in Lehrplänen jüdischer Schulen auch Informationen über den Islam und das Christentum aufzunehmen: »Wir brauchen Gesprächspartner und Dialogpartner. Leute, die wenig von der Sache verstehen, sind immer schlechte Advokaten.« ag

Lesen Sie einen ausführlichen Nachruf in unserer nächsten Printausgabe.

Umbenennung

Yad-Vashem-Straße in Berlin: Wegner will schnelle Umsetzung

Nach der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll ein Straßenabschnitt im Herzen von Berlin benannt werden. Der Regierende Bürgermeister hofft auf eine schnelle Umsetzung

von Jonas Grimm  18.12.2025

Fachtagung

Ein geschützter Raum

Was passiert, wenn alte Traumata angesichts neuen Terrors wieder hochkommen? In Frankfurt tauschten sich Therapeuten, Sozialarbeiter und Schoa-Überlebende aus

von Mascha Malburg  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Bildungsministerkonferenz

Publizist Friedman: Leben jüdischer Kinder schlecht wie nie seit 1945

Schulen als Bildungsorte für Demokratie und Menschenrechte, gegen Hass und Antisemitismus: Der Publizist Michel Friedman sieht hier große Defizite in Deutschland

 18.12.2025

Безопасность

»Ни одно еврейское мероприятие не должно быть отменено«

После трагедии в Сиднее президент Центрального совета евреев Германии Йозеф Шустер обращается с личным посланием ко всем евреям Германии: не позволяйте отнять у вас радость Хануки

von Йозеф Шустер  18.12.2025

Meinung

Unsere Antwort ist Leben!

Chanukka ist das beharrliche Bestehen darauf, dass Mord und Terror nicht das letzte Wort haben. Ein Kommentar zum Terroranschlag von Sydney

von Jan Feldmann  18.12.2025

Hamburg

»Strong. Jewish. Here.«

Der Jugendkongress 2026 der ZWST setzt ein bewusstes Zeichen des Selbstbewusstseins und der Präsenz

von Imanuel Marcus  18.12.2025

Umbenennung

Medien: Berlin erhält Yad-Vashem-Straße

Ein neues Holocaust-Gedenken mitten im Berliner Regierungsviertel - Ein Teilabschnitt der Dorotheenstraße soll künftig den Namen der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem tragen. Die zweite Umbenennung in kurzer Zeit

 18.12.2025