Drei-Religionen-Kita

Normal, jüdische Freunde zu haben

Die Idee kam ihnen auf einer gemeinsamen Autofahrt. Kennengelernt hatten sich Iman Andrea Reimann und Gesa Ederberg nur Stunden zuvor, beim Berliner Forum der Religionen im Roten Rathaus. Für die Heimfahrt bildeten sie eine Fahrgemeinschaft und stellten fest, dass sie beide Erfahrungen als Trägerinnen von Kindertagesstätten haben. Wäre es nicht schön, eine multireligiöse Kita in Berlin zu gründen? Ist das nicht langsam an der Zeit? Ja, dachten sich beide, und so startete an diesem Novembertag 2014 das Projekt »Drei-Religionen-Kita«.

Iman Andrea Reimann ist Vorsitzende des Deutschen Muslimischen Zentrums Berlin, eines Vereins, der sich außerhalb der großen muslimischen Verbände bewegt und sich für den interreligiösen Dialog und Bildungsarbeit insbesondere unter jungen Musliminnen einsetzt. Außerdem ist sie Leiterin der muslimischen Kita »Regenbogen-Kidz«. Gesa Ederberg ist als Rabbinerin zuständig für die Synagoge Oranienburger Straße und außerdem Vorstandsmitglied des Vereins Masorti Deutschland, der sich dem konservativen Judentum verpflichtet fühlt und in Charlottenburg zwei jüdische Kitas betreibt.

Mit Reimann und Ederberg waren die muslimische und die jüdische Seite von Anfang an vertreten. Schnell kamen mit Kathrin Janert vom Evangelischen Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord und der Pfarrerin Silke Radosh-Hinder vom Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte zwei Mitstreiterinnen evangelischer Konfession hinzu. Das Team aus vier Frauen lud Ende Januar zur digitalen Pressekonferenz ein, um die Baupläne für die Drei-Religionen-Kita der Öffentlichkeit vorzustellen.

STANDORT Zunächst erläuterte Silke Radosh-Hinder, warum zwischen der Idee und der Präsentation konkreter Pläne so viel Zeit vergangen ist: Das größte Problem sei die Suche nach einem geeigneten Grundstück gewesen. Lange sei man über einen möglichen Bauplatz in Verhandlungen mit einer Kirchengemeinde in Moabit gewesen, bis man diesen Plan 2019 schließlich aufgab. In der Zwischenzeit verbreitete man die Idee bereits in der Öffentlichkeit, sicherte sich die Unterstützung der Politik. »Mit der Gemeinde St. Markus im Comeniuskiez in Friedrichshain haben wir schließlich auch einen geeigneten Standort gefunden«, erzählt Radosh-Hinder. Jetzt könne es endlich losgehen.

Die Baupläne für die Kita, die Platz für 135 Kinder bieten soll, stellten Esther Steffen und Wolfgang Stilb vom Architekten-Büro Stark + Stilb vor: Weil man mit der Fläche sparen musste, ist man mit fünf Etagen in die Vertikale gegangen. Jede der drei Religionsgemeinschaften hat eine Etage für sich, ergänzt durch einen »Vierten Raum« in Erd- und Untergeschoss, der aus einer Bibliothek, einem Café und einem Veranstaltungsraum besteht, der bis zu 200 Personen fasst.

Die Sicherheit, die der Entwurf vermittelt, korrespondiert mit dem pädagogischen Konzept.

Besondere Orte sind außerdem der interreligiöse »Raum der Stille« sowie die begrünte Dachterrasse, die noch mehr Raum zum Spielen im Freien lässt. Die Fassade ist durchsetzt mit großen quadratischen Fenstern und ganz umhüllt von einer netzartigen Struktur, die von Nahem an Arabesken erinnert, von Weitem an eine Art Nest.

NEST Die Sicherheit und den Halt, den der Entwurf vermittelt, ohne beengend zu wirken, korrespondiert mit dem pädagogischen Konzept. Anstatt alle Kinder gemeinsam zu betreuen, sollen sie die meiste Zeit in der Gruppe ihrer jeweiligen Herkunftsreligion verbringen.

Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen begründet Gesa Ederberg das mit dem Respekt vor den verschiedenen Traditionen. »Wir nehmen hier die Ausübung der Religion ernst. Im Falle des Judentums heißt das etwa, dass Brachot vor den Mahlzeiten und beim Händewaschen gesagt werden«, erklärt sie.

»Außerdem wird unser Kita-Alltag durch den jüdischen Kalender und seine Feste strukturiert sein. In jeweils abgewandelter Form gilt das auch für die evangelische und die muslimische Gruppe.« Den verschiedenen Religionen könne man also nur gerecht werden, wenn ihre Ausübung größtenteils getrennt stattfinde. Orte, an denen sich alle begegnen können, seien in dem Entwurf aber reichlich eingeplant.

KONZEPT Das Konzept der Drei-Religionen-Kita beruht also auf einem doppelten Prinzip: dem Aufwachsen in der eigenen Religion, der Erziehung gemäß der jeweiligen Werte und Traditionen, sowie auf Akzeptanz und der selbstverständlichen Begegnung mit Menschen anderer Religionen. Im Fall der jüdischen Gruppe kommt noch die Sprache hinzu: Hier soll Deutsch und Hebräisch gesprochen werden.

Zur Evaluierung soll das Projekt wissenschaftlich begleitet werden.

Diese Philosophie soll nicht nur für die Kinder gelten. Mit den Gemeinschafts- und Veranstaltungsräumen wurden auch Möglichkeiten der Begegnung für die Eltern sowie den Kiez geschaffen. Man hofft, so einen Beitrag zu mehr Verständigung und Verständnis zwischen den Religionen zu leisten. Um den Erfolg des Konzepts zu evaluieren, soll das Projekt der Drei-Religionen-Kita wissenschaftlich begleitet werden.

Bis es so weit ist, müssen freilich noch einige Hürden genommen werden. Von den veranschlagten Baukosten von sieben Millionen Euro fehlen circa 1,4 Millionen. Der Bau soll Anfang 2023 beginnen und Mitte 2024 abgeschlossen sein. Bis dahin sollen geeignetes Personal, passende Familien sowie ein Sicherheitskonzept gefunden sein.

Nach mehr als sieben Jahren der Planung und Zusammenarbeit sind die vier Initiatorinnen des Projekts aber zuversichtlich, auch das noch zu schaffen. Getragen wird ihr gemeinsamer Wille von einer geteilten Vision, die Gesa Ederberg so beschreibt: »Es sollte normal sein, jüdische, christliche und muslimische Freunde zu haben. Wer so aufwächst, ist besser vor Rassismus und Antisemitismus gefeit.«

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