Hamburg

Nazis am Millerntor

»Klare Kante gegen rechts« lautet das Motto des FC St. Pauli in Hamburg gegen jede Art von Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung. Das war nicht immer so. Hart geht der Kultverein jetzt mit sich selbst ins Gericht – in einer eindrucksvollen Ausstellung im FC-St.-Pauli-Museum am Millerntor. Unter dem Namen »Fußball in Trümmern – FC St. Pauli im ›Dritten Reich‹« sind mehr als 200 Bilder, Filme, Dokumente und Exponate zu sehen.

Super Stimmung, starker Zusammenhalt und treue Fans schufen 2012 die Grundlagen für ein eigenes Museum im Stadion. Schonungslos steht der Sportverein zu seiner Vergangenheit, und das, bevor andere Vereine den Schalter umlegten und zu einer deutlichen Haltung fanden. »Antifaschismus liegt nicht in der DNA dieses Vereins. Doch wir wollen zeigen, dass eine Veränderung zum Positiven möglich ist, gerade in Hinblick auf die Ereignisse in der Türkei, den USA und den Ergebnissen der Bundestagswahlen«, sagt Christoph Nagel, Vorstandsmitglied des Betreibervereins »1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V.« und Kurator der Ausstellung.

Sportgeschichte Auf mehr als 600 Quadratmetern präsentiert diese eindrucksvolle Entwicklung des Vereins und damit auch der jüdischen Sportgeschichte Hamburgs. Von zahlreichen Schwarz-Weiß-Bildern von Gründern, Spielern und Gegnern über das mit 120 Jahren älteste Exponat – die Original-Festschrift zur Einweihung der großen Turnhalle – bis hin zum Trümmerfeld auf dem Panoramabild, das der Ausstellung ihren Namen gibt. Auch das älteste erhaltene FC- St.-Pauli-Trikot von 1939 gehört zu den Ausstellungsstücken. »Ein Trikot mit Krieg in den Fasern«, sagt Nagel.

»Viele Menschen behaupteten später, sie hätten von der Verfolgung und Ermordung unzähliger Juden nichts gewusst«, erläuterte Lorenz Peiffer, Professor für Sportwissenschaft in Hannover, bei der Eröffnung: »Aber es kann mir keiner sagen, er habe nicht bemerkt, dass der Linksaußen, der immer da war, plötzlich nicht mehr im Verein spielt.«

Anhand von acht St.-Pauli-Mitgliedern, darunter Verfolgte, als »Wehrkraftzersetzer« Verfemte und NS-Karrieristen, wird das Dilemma der Nazizeit deutlich, als Sportler und ihre Unterstützer ins Abseits gerieten, obwohl sie schon auf der Siegertreppe standen.

Rugby Betroffen waren auch Paul und Otto Lang. Sie hatten 1933 die Rugby-Abteilung gegründet. Die beiden jüdischen Brüder verließen den Verein 1935. Welche Rolle Vereinsführer – und ab 1937 NSDAP-Mitglied – Wilhelm Koch dabei spielte, ist heute nicht mehr nachzuweisen. Die Brüder überlebten. »Ihre Söhne haben uns einen berührenden Brief geschickt, nachdem wir sie in den USA ausfindig machen konnten«, erzählt Ralf Creutzburg, Vorstandsmitglied der Rugby-Abteilung.

Fans wie die Dauerkarten-Besitzer Christina und Uwe Böttger zeigen sich begeistert von der Ausstellung. »Wir halten sie für äußerst wichtig, weil man sieht, wie so ein Unheil ganz langsam beginnt. Wehret den Anfängen!« Gunnar Eckle hält es auch 72 Jahre nach Kriegsende für äußerst notwendig, »dass nichts in Vergessenheit gerät. Auch die Vereinsgeschichte nicht.« »Wach bleiben, nicht in Selbstzufriedenheit versinken, den Mund aufmachen: eine Gabe, die St. PaulianerInnen gerade in heutigen Zeiten nie verlieren sollten«, meint Vereinspräsident Oke Göttlich.

Im Rahmenprogramm zur Ausstellung wird am 7. Dezember um 19 Uhr der Film Liga Terezin gezeigt. Das KZ Theresienstadt war als sogenanntes Vorzeigeghetto das einzige Lager mit einer Fußball-Liga, in der Gefangene gegeneinander antraten; die Nazis nutzten die Filmaufnahmen für ihre Propaganda.

Antisemitismusbeauftragter

Salzborn für weitere Straßenumbenennungen

Nötig sei an dieser Stelle ein stärkeres historisches Bewusstsein

 24.09.2023

München

Politische Debatte

Zur bevorstehenden Landtagswahl lud die Israelitische Kultusgemeinde führende Vertreter der demokratischen Parteien ein

von Andrea Kästle  23.09.2023

Einblicke

Pausen? Kaum möglich

Rebbetzins haben während der Feiertage viel zu tun – in der Familie und in der Gemeinde

von Christine Schmitt  23.09.2023

Auszeichnung

Verdienstkreuz am Bande für Ernst Grube

Schon vor der Verleihungszeremonie wurde Grube gratuliert

 22.09.2023

leer

Der Holocaust-Überlebende Weinberg ist Ehrenbürger von Leer

Nachdem er als jüdisches Kind vertrieben wurde, überlebte er Auschwitz

von Karen Miether, Wolfgang Stelljes  22.09.2023

Berlin

Open-Air-Synagoge zu Jom Kippur

Der Grund: Die Gemeinde ist stark gewachsen

 22.09.2023

Moses-Mendelssohn-Zentrum

Neues Netzwerk-Portal »Jüdische Geschichte online« gestartet

Das Fach-Portal ermöglicht eine komfortable und übergreifende Recherche

 21.09.2023

Invictus Games

General trifft Fallschirmjäger

Kurz vor Abschluss der Wettkämpfe fand ein besonderes Training statt

von Annette Kanis  21.09.2023

Interview

»Es hat mich enorm berührt«

Ingo Gerhartz über die Invictus Games

von Annette Kanis  21.09.2023