Duisburg

Martin, Max und Margot

Jungen und Mädchen stehen in Grüppchen zusammen, die einen sind »Chaoten«, die anderen »Angeber«, schüchtern warten dazwischen die »Loser«. Es wird geschubst, beleidigt und verhöhnt – wie auf einem Schulhof unserer Tage. Doch dann sollen sich die Jugendlichen plötzlich im Unterricht mit den Geschwistern Prenski beschäftigen, die vor 70 Jahren in die Schule gingen.

So beginnt das Musical »prenski_live«, das 22 Schülerinnen und Schüler der Lübecker Geschwister-Prenski-Schule in der vergangenen Woche in der Jüdischen Gemeinde Duisburg aufführten. Entstanden waren Idee und Aufführung bei den Vorbereitungen zum 25. Geburtstag ihrer Bildungsstätte im vergangenen Jahr. Die Jugendlichen entwickelten ein Theaterstück, das an die Namensgeber der Schule und deren Schicksale erinnert: die jüdischen Geschwister Max, Martin und Margot Prenski. Sie waren von den Nationalsozialisten nach Riga deportiert und dort 1942 ermordet worden.

Pate Als 1988 in der Hansestadt die integrierte Gesamtschule Lübeck gegründet wurde, wollte man mit der Wahl des Namens »nicht die größten Koryphäen oder illustren Figuren an unsere Spitze stellen«, erzählt Lehrerin Guni Heidermann. »Es sollten Menschen sein, die keine Chance bekommen hatten.« Zu dieser Zeit erforschte eine Gruppe von Schülern Namenslisten von Deportationen aus Lübeck.

Dabei fiel auf, dass in einer der Statistiken dreimal derselbe Name auftauchte: Prenski – Max, Martin und Margot. »Sie waren so alt wie unsere Schüler, zwischen zehn und zwölf Jahre«, erklärt Heidermann. »Es hat dann nicht lange gedauert, bis wir diesen Namen für unsere Schule genommen haben.« Die damals noch in Israel lebende älteste Schwester der Prenski-Kinder wurde ausfindig gemacht, sie stimmte der Idee der Lübecker zu.

Zum Jubiläum der Schule habe sie geplant, mit den Jugendlichen ein Stück aufzuführen. »Das Thema lag nah«, sagt die Lehrerin. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten Arnold Nevolovitsch entstand ein Musical, und die Uraufführung fand im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten statt.

Gastspiel Doch diese Geschichte aus Lübeck, davon war man an der Geschwister-Prenski-Schule überzeugt, sollte auch außerhalb der Hansestadt bekannt gemacht werden. Deshalb nutzten Heidermann und ihre Schüler eine Projektwoche, um zum Gastspiel nach Duisburg aufzubrechen. »Es geht durch den Kopf, aber wegen der Musik und dem Spiel der Kinder auch ins Herz«, kündigt Heidermann vor der Aufführung an.

Nach der Szene in der Gegenwart macht das Stück einen Sprung in die Vergangenheit. Es ist Anfang der 40er-Jahre, kurz vor der Deportation. Nachbarn der Prenskis stellen in einem der ersten Lieder fest: »Euch zu helfen, war gefährlich.« Eine Freundin von Margot Prenski, die das jüdische Mädchen vor der Deportation regelmäßig besuchte und deren Eltern noch »treu zu diesem Kind« hielten, beklagt den Verlust ihrer Freundin. Man habe versucht, ihr zu helfen, heißt es noch.

Bikernieki Offensichtliche Täter kommen in dem Stück nicht zu Wort, vom Grauen wird aus der Perspektive der Familie Prenski berichtet. In der Rolle des Martin Prenski erzählt ein Schüler, wie er mit hinter dem Kopf verschränkten Händen am Rande einer Grube steht, später wird in einer Szene mit Max Prenski eine Erschießung im Bikernieki-Wald geschildert. Die jungen Darstellerinnen und Darsteller stehen dabei allein im Scheinwerferlicht, ihre Sätze sind eindringlich.

Der Wechsel zurück in die Gegenwart wirkt beinahe grotesk, in einem »Freundschaftsboogie« singen die Jugendlichen, was sie aus der Begegnung mit der Vergangenheit gelernt haben. So kommt die Rahmenhandlung des Musicals zu einem Happy End, in den Köpfen der Zuschauer bleibt aber das Schicksal und das schreckliche Ende der Geschwister Prenski zurück.

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025