Synagogen-Gemeinde

Kölner Antworten

Die Kölner Synagoge Foto: picture alliance / Zoonar

Kurt Marx war 13, als er aus Köln »weggeschickt« wurde. »Weggeschickt« – die Oberbürgermeisterin der Domstadt, Henriette Reker, macht eine kleine Pause, bevor sie das Wort ausspricht. Ja, so erzähle es ihr der Schoa-Überlebende, sagt Reker am Mittwochabend in ihrer Rede zum Jahresempfang der Synagogen-Gemeinde Köln in der Synagoge Roonstraße. Vor sieben Jahren lernte sie Marx kennen, als er im Rahmen des »Jüdischen Besuchsprogramms« von der Stadt eingeladen wurde.

Marx, der als Junge mit einem »Kindertransport« nach Großbritannien kam, erzählt seine Geschichte heute in Schulklassen – beziehungsweise sein Hologramm macht es, das von ihm in den USA angefertigt wurde. Die Schülerinnen und Schüler in den USA, die dem Hologramm von Marx Fragen stellen können, die wiederum mit Hilfe einer »Künstlichen Intelligenz« beantwortet werden würden, seien begeistert.

»So etwas können wir auch abkupfern, denn es wirkt«, betont Reker. Es sei wichtig, »die Erinnerungskultur so aufrecht zu erhalten, denn knapp 60 Prozent der unter 18-jährigen Kölnerinnen und Kölner haben aufgrund auch ihrer eigenen internationalen Herkunftsgeschichte keinen familiären Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus.« Um die jungen Menschen zu erreichen, »müssen wir unsere Erinnerungskultur fit machen für das digitale Zeitalter, wir müssen Zeitzeugen berichten lassen, Hologramme – und Gedenkstätten auch interaktiver ausrichten«.

Modernes, vielfältiges jüdisches Leben

Nach vorne blicken, trotz der Schwere, die die vergangenen Jahre mit sich gebracht haben, das war der Tenor des Jahresempfangs, zu dem der Vorstand der Synagogen-Gemeinde, eingeladen hatte. Neben Engagierten aus sozialen Bereichen, Vertretern anderer Glaubensgemeinschaften, Gästen aus Kultur und der Stadtgesellschaft kamen auch Politikerinnen und Politiker, wie die Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die die Bedeutung der Synagogen-Gemeinde für die Stadt Köln hervorhob – und dabei vor allem das Themenjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« für dessen Vielfalt erwähnte.

Faeser nannte auch zwei Fernsehsendungen, die für den modernen – den kulturellen– Umgang mit vielfältig-jüdischem Leben stehen würden, nämlich die Freitagnacht Jews im WDR und die ARD-Serie Die Zweiflers, die mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde.

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Der andere Blick auf den vielfältigen Beitrag, den Jüdinnen und Juden in Deutschland leisten, war ein Schwerpunkt in Faesers Rede. Beispielhaft dafür sei auch die erste Verleihung des Ehrenamtspreis für Jüdisches Leben gewesen, den die SPD-Politikerin gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, 2022 an die Initiative »Jüdisches Halle - gestern und heute« und den Hamburger Verein »Jüdischer Salon am Grindel« übergab.

»Wie kann es sein, dass die Welt längst zur Tagesordnung übergegangen ist?«

»Was hat unser Jahr ausgemacht?«, fragte Felix Schotland vom Vorstand der Synagogen-Gemeinde, zu Beginn der Rede, die er mit Vorständin Bettina Levy hielt. Die Antwort darauf sei den beiden wegen der vielen bedrückenden Nachrichten nicht leicht gefallen.

Und deshalb gab es mehr Fragen: »Wie kann es sein, dass die Geiseln immer noch in Gefangenschaft sind? Wie kann es sein, dass die Welt längst zur Tagesordnung übergegangen ist? Wie kann es sein, dass die Stimmen für die Geiseln immer leiser werden, während antisemitische Parolen lauter und lauter werden?«

Es seien diese Fragen, diese Sorgen, die Jüdinnen und Juden ständig begleiten, auch in Momenten, die fröhlich seien – unterschwellig sei die Sorge um Israel und die Sorge um die jüdische Gemeinschaft immer da, betonten Levy und Schotland in ihrer Rede.

Zum Jahr der schweren Nachrichten gehörten auch der Tod zweier Gemeindemitglieder, die das jüdische Leben in Köln auf unterschiedliche Weise nachhaltig geprägt hätten – Mihail Capul sel. A. und Michael Licht sel. A.. Die Biografien der Familien, in denen Capul und Licht aufwuchsen, ständen »beispielhaft für jüdisches Leben in Deutschland nach der Schoa, für unermessliches Leid, aber auch für Wiederaufbau, für Verlust, aber auch für eine neue Zukunft«, betonte Levy.

Wie diese aussehen kann, wie der Blick nach vorn gelingt, dafür warf der Neujahrsempfang in einem Video zur Gemeindegeschichte zunächst einen Blick zurück – auf die Anfänge, auf Höhepunkte – vor allem aber immer wieder auf die Stärke und den Optimismus der Kölner Jüdinnen und Juden.

Und die Antwort Kölns, fasste es Henriette Reker in der Synagoge zusammen, sei eben nicht Resignation, sondern noch mehr Engagement.

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