Interview

»Identitäten sind ein Teil der Lösung«

Herr Aschheim, das »Project TEN« (Gib!) feiert seinen vierten Geburtstag. Was hat es mit diesem Projekt auf sich?
Es ist eine Hilfsorganisation, die junge jüdische Erwachsene im Alter von 19 bis 35 Jahren aus Israel und der ganzen jüdischen Welt zusammenbringt, um aktiv zu helfen. Wir haben regelmäßig Freiwillige aus Australien, England, Amerika, Kanada. Aus Deutschland leider nur zwei.

Wie sieht die Arbeit der Volunteers aus?

Wir unterscheiden zwischen vier Bereichen. Zum einen informelle Bildung, wie Jugendorganisationen zu gründen oder Kindern Sport als Empowerment nahezubringen. Zwei weitere Bereiche betreffen das Gesundheitswesen, wo wir uns besonders um Ernährung, Hygiene und Erste Hilfe kümmern, und wir helfen der Bevölkerung, nachhaltige und lokale Landwirtschaft zu betreiben.

Was ist das Besondere an »TEN«, verglichen mit anderen Hilfsorganisationen?
Wir haben Zentren direkt vor Ort, die alle von der Jewish Agency geführt und betrieben werden und 365 Tage im Jahr voll besetzt sind. Außerdem arbeiten wir vor Ort mit mindestens einer lokalen Hilfsorganisation zusammen, um auch wirklich auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen.

Wie lange dauert der Freiwilligendienst?

Bei uns ist fast alles möglich. Angefangen mit einmonatigen Sommerprogrammen über dreimonatige Basiskurse bis hin zu fünfmonatigen Programmen in Israel oder einem einjährigen Praktikum als Projektkoordinator.

Welchen Lernerfolg erhoffen Sie sich bei den Freiwilligen durch ihre Erfahrungen?
Sie nehmen zum einen aktiv an Tikkun Olam, der Verbesserung der Welt, teil, einem der wichtigsten jüdischen Werte. Zweitens: Sie kommen mit jüdischen Menschen aus aller Welt, auch aus Israel, zusammen.

Wieso ist das der Jewish Agency so wichtig?
Die Jewish Agency hat bereits Programme wie etwa Taglit oder Masa. »Project TEN« gibt den Teilnehmern etwas, was noch über die Werte dieser Projekte hinausgeht. Viermal habe ich als Soldat deutsche Taglit-Gruppen begleitet und bin Zeuge dieser typischen Identitätskrise deutscher Juden geworden. Die haben sich gefragt: Was bin ich eigentlich: israelisch, deutsch, jüdisch, russisch, ukrainisch?

Machen Sie es den jungen Menschen mit neuen potenziellen Identitäten da nicht noch schwerer?
(Lacht) Wir wollen ihnen zeigen, dass ihre Identitäten ein Teil der Lösung und nicht des Problems sind. Zusätzlich fühlen sich die Freiwilligen den Israelis im Ausland nicht unterlegen, wie etwa, wenn sie mit anderen Jewish-Agency-Projekten als Fremde nach Israel kommen. Im Ausland sind alle gleich.

Welche Ziele verfolgt die Jewish Agency langfristig mit diesem Projekt?
Ein zusätzliches Ergebnis könnte sein, dass »Project TEN« das Ansehen der Juden und Israels vor der Weltgemeinschaft durch seine Unterstützung verbessert.

Etwas, worauf sich die Jewish Agency sonst nicht besonders konzentriert ...
Es war nicht einfach, dieses Projekt durchzubekommen, es ist noch immer umstritten.

Ist das ein Hinweis auf eine mögliche Veränderung innerhalb der Jewish Agency?
Es spiegelt den Wandel der vergangenen Jahre wider. Bis vor etwa fünf Jahren gab es keinen einzigen arabischen Mitarbeiter in der Jewish Agency, und keinerlei Gelder gingen in Projekte für die nichtjüdische Bevölkerung. Jetzt arbeiten wir daran, die israelische Gesellschaft als Ganze zu stärken.

Mit dem Marketingdirektor der Jewish Agency für »Project TEN« sprach Naomi Bader.

Biografie

»Traut euch, Fragen zu stellen«

Auch mit 93 Jahren spricht die Schoa-Überlebende Eva Szepesi vor Schülern. Nun hat sie ein Bilderbuch über ihre Geschichte veröffentlicht

von Alicia Rust  06.07.2025

Freiwilligendienst

Helfen und lernen

Vier Israelis erzählen, warum sie ehrenamtlich in Deutschland arbeiten

von Christine Schmitt  06.07.2025

Porträt der Woche

Die Welt verbessern

Noam Quensel möchte sich engagieren und das Judentum nach außen tragen

von Eugen El  06.07.2025

München

Das Schweigen brechen

Stephan Lebert und Louis Lewitan stellten ihr neues Buch »Der blinde Fleck« über ein deutsches Tabu und seine Folgen vor

von Helen Richter  03.07.2025

Sport

Fit mit Makkabi

Schmerzt der Rücken? Fehlt die Kraft? Wir haben vier Übungen für alle, die fit im Alltag werden wollen. Gezeigt hat sie uns Noah von Makkabi

von Katrin Richter  03.07.2025

Berlin

»Wie vorm Berghain«

Avi Toubiana über das Kosher Street Food Festival, organisatorische Herausforderungen und Warteschlangen

von Helmut Kuhn  06.07.2025 Aktualisiert

Lesung

Familiengeschichten

Der Autor Daniel Zylbersztajn-Lewandowski stellte im »taz-Café« zwei Bücher über seine Vorfahren vor – und lernte bislang unbekannte Verwandte kennen

von Alicia Rust  03.07.2025

Chemnitz

Marx und Mikwe

Die Jüdische Gemeinde präsentiert sich im Kulturhauptstadtjahr zwischen Baustelle, Geschichte und Begegnung. Ein Ortsbesuch

von Anett Böttger  02.07.2025

Meinung

Nicht ohne meine Klimaanlage!

Warum sich Deutschland im Sommer an Israel ein Beispiel nehmen sollte

von David Harnasch  02.07.2025 Aktualisiert