Sukkot

Hör mal, wer da hämmert

»Wir sind eine kleine Gemeinde mit rund 160 Mitgliedern, wir könnten gar nicht jedes Jahr eine neue Sukka bauen«, sagt Valeryan Ryvlin von der Jüdischen Kultusgemeinde in Bad Kreuznach und Birkenfeld. Das muss man auch gar nicht, denn »wir haben auf dem Gelände ein festes Gebäude, von dem wir dann das Dach entfernen und es mit Blättern und Ästen bedecken, sodass wir den Himmel sehen können«.

Die ersten und die letzten zwei Tage werden in der Sukka gefeiert, erfahrungsgemäß kommen immer viele Leute. »Wer möchte und kein gesundheitliches Risiko eingeht, kann sogar in der Laubhütte übernachten.« Das Zusammensitzen sei für die Gemeinde sehr wichtig, betont Ryvlin. »Wir sind uns alle sehr nah, reden uns mit Vornamen an, wie in einer Familie eben.«

ukraine Entsprechend freuen sich schon alle auf Sukkot, zumal mittlerweile sechs Familien aus der Ukraine von der Gemeinde betreut werden. »Wir tun alles, damit sie sich bei uns wohlfühlen«, erklärt Ryvlin. Ein entscheidender Faktor ist dabei auch das Essen. »Unsere Küchenmitarbeiterinnen kochen wirklich gern und gut, da fühlt man sich gleich wie zu Hause.«

Das Zusammensitzen ist für alle eine sehr wichtige Angelegenheit.

1989 kam Ryvlin als sogenannter Kontingentflüchtling mit seiner Familie aus der Ukraine nach Bad Kreuznach, seit 2004 gehört er dem Vorstand der Gemeinde an und amtiert seit elf Jahren als erster Vorsitzender. Für eine kleine Gemeinde sei vieles nicht so einfach zu bewerkstelligen, sagt er, zumal für junge Jüdinnen und Juden vor Ort kaum berufliche Möglichkeiten existierten. Gleichwohl gibt es auch einiges, auf das er stolz ist: »Wir haben zum Beispiel immer einen Minjan, das kann nicht jede größere Gemeinde von sich sagen.«

Die Vorfreude auf Sukkot sei wirklich sehr groß, sagt Ryvlin, und wer weiß, vielleicht kommen ja auch jüdische Kurgäste zu Besuch: »Vor Rosch Haschana hatten wir zwei Israelis, die hier zur Kur waren und bei uns Schabbat gefeiert haben.«

wein Nur auf koscheren Wein aus der örtlichen Weinbau-Region muss mangels Angebot verzichtet werden: »Es gab einmal einen Versuch, welchen herzustellen, aber das gelang nicht wirklich. Wir kaufen unsere Weine also weiterhin in Israel.« Elisabeth Schlesinger, ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Oldenburg, erinnert sich noch gern an den Tag, als Ernst Sittig und Silvia Stawski-Sittig mit ihrem Auto mitsamt Anhänger und Materialien für die Sukka angefahren kamen.

Den Bausatz für die Laubhütte hatte das Paar zusammen entwickelt und brachte nun die Utensilien mit. Ernst Sittig gehörte lange Zeit dem Gemeindevorstand an und wusste nur zu gut, dass die Gemeinde dringend eine neue Sukka braucht. »Aber die Baumwurzeln in unserem Garten machten uns den Transport so schwer, dass wir Passanten auf der Straße ansprechen und sie bitten mussten, uns zu helfen.« Nun gibt es genug Platz für die Gemeindemitglieder – und der Bausatz wird gut aufgehoben und jedes Jahr wieder gebraucht.

In der Jüdischen Gemeinde zu Halle gibt es dieses Jahr zu Sukkot eine funkelnagelneue Sukka. »Sie wurde sozusagen ganz frisch vor einem Monat fertiggestellt«, berichtet Gemeindechef Max Privorozki. Die alte Laubhütte sei nach 15 Jahren »nicht mehr in einem guten Zustand gewesen«. Für 70 Leute ist nun in der neuen Sukka Platz, »das ist etwas weniger als zuvor, aber so viele kommen ja auch nicht auf einmal«.

Neben den Gottesdiensten gibt es in Halle zu Sukkot noch besondere Angebote. »Wir machen ein Fest speziell für Kinder und Familien und eines nur für die Senioren«, erzählt Privorozki. Ferner wird es zum ersten Mal in Zusammenarbeit mit der international tätigen jüdischen Studierendenorganisation Hillel ein Angebot speziell für junge Leute geben. Darauf freue man sich besonders, sagt Max Privorozki, »es wird gegrillt, gespielt – das wird sehr schön werden«.

KARRIERE Er selbst saß erst »1995 oder 1996 zum ersten Mal in einer Sukka«, denn »in der Ukraine haben wir damals nicht gefeiert, das war in der Sowjetunion nicht üblich«.

Jüdische Feste zu feiern, das sei zwar »nicht unbedingt gefährlich, aber doch schädlich für die Karriere gewesen«, erinnert er sich. »In Kiew gab es Mazze für die damals dort lebenden rund 100.000 Juden zum Beispiel nur in der dortigen Synagoge zu kaufen. Vor allem die älteren Leute, die den antijüdischen Terror der Stalinzeit noch erlebt hatten, fürchteten sich, dass der KGB überwacht, wer dort hingeht.«

Das habe sich gründlich geändert, weiß Max Privorozki, »wir haben einige ukrai­nische Gemeindemitglieder, die vor dem Angriffskrieg geflohen sind und sehr gut über das Judentum informiert sind«. Insgesamt sei »das jüdische Leben in der Ukraine zuletzt sehr bunt« gewesen. Er freue sich schon sehr auf Sukkot, »ich werde bei allen Events dabei sein und natürlich auch in der Sukka sitzen, mehrmals, wie jedes Jahr«.

SCHMÜCKEN »Unsere Abteilung Haustechnik ist schon schwer am Schaffen, wie man in Hessen sagt«, berichtet Sandro Huberman, Einrichtungsleiter des Altenzentrums der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Am Bau der Sukka seien die Bewohnerinnen und Bewohner zwar nicht beteiligt, »aber beim Gestalten und Schmücken mit den klassischen Utensilien sind sie dabei«.

Etwa einen Tag braucht der Hausmeister der Synagogengemeinde Köln, um die Sukka aufzubauen.

Im Jahr 2018 war die Sukka erweitert worden. Um die 20 Leute haben darin nun Platz, die große Sukkotfeier findet allerdings im viel größeren Festsaal des Altenzentrums statt. »Im Oktober kann es schon empfindlich frisch werden«, erklärt Huberman, zu kalt für die Senioren und Seniorinnen. »Und außerdem liegen nur 20 Meter zwischen der Sukka im Hof und dem Saal. Es wird also gemeinsam gefeiert.«

Coronabedingt wird die neue Sukka erst wieder seit vergangenem Jahr genutzt. »Wir hatten sie damals nur symbolisch aufgebaut«, so Huberman. »Das enge Zusammensitzen war nicht möglich, zumal der Herbst die Zeit war, in der sich die neuen Covidwellen aufbauten.« Darunter litten auch die externen Besucher, die in der Nähe wohnen und die Synagoge im Altenzentrum regelmäßig besuchen. Nun aber ist die allgemeine Vorfreude auf Sukkot schon sehr groß. »Corona sitzt uns allen noch im Nacken, dass man nun wieder zusammensitzen kann und auch wieder mehr Kinder zu Besuch ins Haus kommen, hat sich ausgesprochen positiv ausgewirkt«, berichtet Huberman.

Etwa einen Tag braucht der Hausmeister der Synagogengemeinde Köln, um die Sukka aufzubauen, so Israel Meller, Mitarbeiter der Gemeinde. Nun steht sie auf dem Hof – und sie dürfte eine der größten in Deutschland sein. »Gedrängt finden etwa 300 Personen Platz, wenn sie bequem sitzen wollen etwa 200«, so Meller. Die Laubhütte wurde 1959 eingeweiht, allerdings in den vergangenen Jahren immer mehr erweitert, da die Gemeinde gewachsen ist.

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