Besuch

Gespräch am Jakobsplatz

Im Herzen Münchens: die Ohel-Jakob-Synagoge Foto: dpa

Auf der politischen Bühne Berlins sind sich IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch und die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, schon einige Male begegnet.

Die dabei immer wieder ausgesprochene Einladung an die CDU-Politikerin, doch einmal in das Jüdische Gemeindezentrum im Herzen Münchens zu kommen, wurde dankend angenommen. In der vergangenen Woche kam Karliczek nun zu einem mehr als einstündigen intensiven Gedankenaustausch, an dem neben der Präsidentin auch Vize-Präsident Yehoshua Chmiel, IKG-Geschäftsführer Steven Guttmann, Bayerns Antisemitusmusbeauftragter Ludwig Spaenle und der Diplom-Psychologe und Stress-Experte Louis Lewitan teilnahmen.

forschung Eine intensivere Antisemitismusforschung, interdisziplinär ausgerichtet, vom Bildungsministerium in den nächsten Jahren (2021 bis 2025) mit zwölf Millionen Euro und neuen Förderrichtlinien unterstützt: Dieses bereits beschlossene Forschungsvorhaben, das die Ursachen und Verbreitung von Antisemitismus praxisbezogen untersuchen und geeignete Gegenmaßnahmen entwickeln soll, war bei dem Gespräch ein Thema.

»Mein Ministerium«, betonte Bildungsministerin Karliczek in diesem Zusammenhang, »will noch stärker dazu beitragen, dass wir die Ursachen und Erscheinungsformen von Antisemitismus besser verstehen. Wir müssen besser wissen, wo und wie er auftritt, worauf er zurückzuführen ist und wie wir ihn wirksam bekämpfen können.«

Notwendig dafür ist nach ihrer festen Überzeugung ein stärkerer und nachhaltigerer gesellschaftlicher Zusammenhalt. »Der wachsende Antisemitismus ist eine Gefahr für unser friedliches Zusammenleben, Gift für unsere Gesellschaft.« Schutz vor Antisemitismus und Rechtsextremismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der staatliche Institutionen ebenso gefordert seien wie jeder Einzelne.

Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek Foto: Keine Verwendung in Frankreich, Österreich und der Schweiz. ! Bitte Mindestpreis beachten. Keine Weitergabe an Wiederverkäufer

Aufklärung Um Judenhass in die Schranken zu weisen, ihm wenigstens teilweise die Grundlage zu entziehen, seien Wissen und Aufklärung, Forschung und Bildung unersetzbar. IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die das genauso sieht, war bei dem Treffen im Gemeindezentrum deshalb auch erfreut über die konsequente Haltung der Ministerin in dieser Frage. Mit Blick auf den antisemitischen Anschlag von Halle, der sich am 9. Oktober zum ersten Mal jährte, forderte die Politikerin eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus an Deutschlands Schulen. Besorgt zeigte sich Karliczek darüber, dass extremistische Gruppen versuchten, in die Jugendkultur einzudringen. Auch hier seien die Schulen gefordert. »Wir müssen erkennen, dass sich Hass und Hetze in unserem Land mittlerweile nahezu ungehindert im Netz verbreiten«, beschrieb Karliczek die aktuelle Situation.

»Wir müssen wissen, wie wir Antisemitismus bekämpfen können.«

Bildungsministerin Anja Karliczek

Es gehe vor allem darum, Toleranz und gegenseitigen Respekt zur Basis des Zusammenlebens zu machen – damit stieß sie bei den Gesprächspartnern auf höchstes Verständnis. Toleranz und gegenseitiger Respekt sind im Erziehungs- und Schulsystem der Gemeinde ein grundlegendes Element. Zu den grundlegenden Elementen jüdischen Lebens in München gehören allerdings auch Barrieren, umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen – und immer mehr antisemitische Übergriffe. Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman wurde bereits Opfer von Judenhass, ein Trainer des TSV Maccabi wurde beleidigt, eine Rabbinerfamilie bespuckt.

ZIVILGESELLSCHAFT »Um solche Erscheinungen wirksam bekämpfen zu können, brauchen wir noch mehr Wissen über die Wurzeln, die aktuelle Verbreitung und die vielfältigen Erscheinungsformen«, sagte die Bildungsministerin und unterstrich damit die Bedeutung des interdisziplinären Forschungsprogramms.

»Es ist die Voraussetzung dafür, dass die Politik, die Verwaltung, aber auch die Zivilgesellschaft dem Rechtsextremismus besser begegnen können.« Trotz der Thematik, die wenig Anlass zu Euphorie bot, betonte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch: Deutschland, zumindest der große Teil der Bevölkerung, sei sich des Problems ansteigenden Judenhasses durchaus bewusst, habe aber auch viele Fortschritte gemacht. »Jüdisches Leben hat in diesem Land wieder einen festen Platz.«

Bildungs- und Forschungsministerin Anja Karliczek fühlte sich am Jakobsplatz gut aufgehoben. Im Frühjahr 2021 möchte sie zu einem weiteren Gedankenaustausch noch einmal vorbeikommen.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025