Interview

Fünf Minuten mit

»Wenn jemand sagt, ich bin für das Museum, aber der Entwurf gefällt mir nicht, dann habe ich dafür absolutes Verständnis«, Abraham Lehrer Foto: Rafael Herlich

Herr Lehrer, der Rat der Stadt Köln hat nach jahrelangem Ringen am vergangenen Donnerstag entschieden, das Jüdische Museum zu bauen. Jubeln Sie jetzt?
Nach fast 25 Jahren Diskussion um ein Haus der jüdischen Kultur, wie es ja mal heißen wird, haben wir nicht unbedingt Grund zum Jubeln. Wir freuen uns, dass der Stadtrat mit so breiter Mehrheit sich dafür ausgesprochen hat. Dass die CDU aus städtebaulichen und finanziellen Gründen sich dem Hausbau nicht anschließen konnte, stimmt uns ein bisschen traurig. Aber wir haben schon vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Granitzka gehört, dass sie sich – jetzt, wo der Beschluss gefasst ist – aktiv an der Einrichtung beteiligen wollen .

Im Vorfeld zur Abstimmung wurde die Synagogen-Gemeinde sogar als Gegner eines solchen Museums instrumentalisiert. Warum gab es so viele Verständnisschwierigkeiten?
Es ist schade, dass der Fraktionsvorsitzende aus einem Gespräch, welches ich mit ihm im Jahre 2008 geführt habe, unvollständig zitiert hat, indem er sagte, der Standpunkt der Gemeinde sei: Wir brauchen das Museum nicht. Unser Standpunkt ist jedoch: Wir brauchen das Museum nicht für uns! Ich habe immer betont, dass wir ein kleines Museum in unserem Hause mit eigenen Exponaten haben, anhand derer wir unseren Besuchern und den eigenen Kindern, Jugendlichen und Zuwanderern jüdisches Leben und jüdische Geschichte verdeutlichen können. Hätte man die Idee gleich am Anfang am Schopfe gepackt, wäre uns sicherlich vieles, was wir heute haben lesen oder hören müssen, erspart geblieben. Etwa, wenn ich in der Kölner Presse mir Leserbriefe anschauen muss, dass der Zentralrat der Juden seine Finanzierungszusage zurückgezogen habe, oder: Die Juden haben sich mal wieder durchgesetzt. Vor 15 Jahren war die Akzeptanz gegenüber eines solchen Vorhabens bei der nichtjüdischen Bevölkerung größer als heute.

Ist bei der Vermittlung der Idee etwas falsch gelaufen?
Dass es den Politikern damals aus finanziellen Gründen oder sonstigen Beweggründen an Durchsetzungskraft oder Entschlusskraft gefehlt hat, dieses Projekt zu realisieren, ist traurig. Wir haben immer gesagt, dass dies nicht unsere Diskussion ist, ähnlich wie Ignatz Bubis, sel. A., es für das Mahnmal in Berlin gesagt hat: Das ist ein Mahnmal für die Deutschen. Es geht hier um ein Museum für die Kölner, oder für Touristen, die hierher kommen. Aber es ist nicht das Museum oder das Haus der Geschichte für die jüdische Gemeinde.

Wäre so ein Jüdisches Museum nicht auch Beitrag, jüdisches Erbe und Kulturgut zu zeigen?
Ich weiß nicht, ob es unbedingt jüdisches Erbe verdeutlichen kann. Es kann aber sehr gut den nichtjüdischen Bürgern dieser Stadt oder dieses Landes zeigen: Juden waren immer in diesem Land präsent, waren immer Teil der Entwicklung der Gesellschaft und haben – mal mehr, mal weniger geduldet – im Kern von Städten gelebt und sich dort am Leben beteiligt.

Ein Kritikpunkt war auch, die Kölner bauen erst einmal ein Gebäude und dann überlegen sie sich, was sie darin überhaupt zeigen wollen.
Das ist meiner Meinung nach auch nicht richtig dargestellt. Das kölnische Stadtmuseum hat eine große Anzahl jüdischer – einzigartig zu nennender – Exponate. Ich habe immer gesagt, dass das Haus der jüdischen Kultur sich von vielen anderen jüdischen Museen unterscheiden wird, weil hier zu zeigen ist, wie Juden mit der Stadtgeschichte verwoben waren. Es wäre eben nicht nur eine Gedenkkultur – wie bei den anderen etwa – zur Schoa möglich, sondern hier ließe sich plastisch zeigen, dass die jüdische Gemeinschaft am Leben in der Stadt maßgeblich beteiligt war.

Würden Sie sich als jüdische Gemeinschaft, wenn denn das Haus einmal steht, auch beratend daran beteiligen wollen?
Wir werden uns nicht darum bewerben. Wenn ein Museumsbeirat oder ein Sachverständigenrat bei der Einrichtung gewünscht ist, oder unsere Meinung und Rat gefordert sind, werden wir sicherlich nicht nein sagen. Wir wollen nicht der maßgebliche Faktor bei der Einrichtung eines solchen Hauses sein, aber werden uns nicht verweigern, wenn unsere Erfahrung benötigt wird.

Angeblich haben einige Entscheidungsträger für den Bau gestimmt, um sich nicht dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen.
Ich habe mehrfach den Vergleich zum Moscheebau gezogen. Den Muslimen steht mit Sicherheit ein Gotteshaus zu. Die Frage, ob die Kuppel zu massiv ausfällt, oder ob die Minarette zu hoch sind, ist für mich eine städtebauliche Frage. Als der Entwurf für den Museumsbau preisgekrönt wurde, war die Synagogen-Gemeinde nicht beteiligt. Die jüdische Gemeinschaft hat Professor Korn vertreten. Alle haben den Siegerentwurf mitgetragen. Und auch beim Museumsbau sage ich, die Frage, ob er ins Stadtgefüge passt, ist ein städtebauliches Problem. Wenn heute aber jemand sagt, ich habe Angst, dass mein Votum gegen den Entwurf als Antisemitismus gewertet werden könnte, halte ich das für völligen Quatsch. Sagt jemand, ich bin für ein Museum, aber der Entwurf gefällt mir nicht, dann habe ich dafür absolutes Verständnis.

Mit dem Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln sprach Heide Sobotka.

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