Charlottenburg

Frisch am Start

Kaum geöffnet, stürmen auch schon die ersten Kunden in den Laden im Bezirk Charlottenburg. Zielsicher laufen die beiden Jungen zu den Süßwaren und freuen sich über die riesige Auswahl an Gummibärchen und anderem Naschwerk. Dann kommen auch die Eltern nach, prüfen das Angebot und entscheiden sich für eine große Salami sowie eine Dose Tahina.

Und bald schon herrscht reges Treiben an der Kasse, manche naschen neugierig von den israelischen Bissli-Snacks in diversen Geschmacksrichtungen, die zum Probieren ausliegen, überall hört man muntere Gespräche auf Deutsch, Russisch und Hebräisch.

Eröffnung »Wir dachten, dass es in Berlin endlich einen Ort geben muss, wo man so viele koschere Produkte wie möglich kaufen kann«, bringt Olga Sloniuk das Konzept des neu eröffneten »Kosher Daily Markts«, den sie gemeinsam mit ihrem Partner Andrey Mints betreibt, auf den Punkt.

Beide sind Experten im Segment koschere Lebensmittel, haben zuvor als Sales Manager für Unternehmen reichlich Erfahrungen gesammelt. Auch hatten Sloniuk und Mints bereits in einem Supermarkt in der Wilmersdorfer Straße eine Koscher-Abteilung aufgebaut.

Mit veganen, gluten- oder laktosefreien Lebensmitteln will man ebenfalls punkten.

»Das hat eigentlich recht gut funktioniert«, erzählt die gebürtige Ukrainerin, die vor fünf Jahren nach Deutschland kam. Doch schnell stieß man dort an seine Grenzen. »Zum einen gab es nicht sehr viel Platz, sodass wir trotz der regen Nachfrage unser Sortiment nicht weiter ausbauen konnten. Zum anderen wollten wir, dass unsere Kunden eine hundertprozentige Gewissheit haben, auch wirklich koschere Produkte zu kaufen.«

Genau das war jedoch in einem Geschäft, wo man nur eine Nische bespielen konnte, eben nicht immer gegeben. »So kam uns schließlich die Idee für den ›Kosher Daily Markt‹.« Und die passenden Räumlichkeiten fanden sich schließlich in der Waitzstraße. »Zuvor war hier ein Fahrradgeschäft«, berichtet Sloniuk. »Es gehörte übrigens Israelis.«

INNOVATIV Vor dem Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit mit einem eigenen Laden machten sich Sloniuk und Mints aber erst einmal ausgiebig Gedanken darüber, wie so etwas aussehen sollte. Man wollte weg von der Enge, die in so manchen anderen Koscher-Geschäften zu finden ist, suchte nach innovativen Lösungen.

»Wir haben uns vorher umgeschaut, wie moderne koschere Lebensmittelmärkte in Wien oder Antwerpen aussehen. Daher die Idee für den Boutique-Charakter unseres ›Kosher Daily Markts‹.«

Alles wirkt sehr aufgeräumt und hell, die Präsentation der Waren ist durchdacht, die Displays für Gewürze, Olivenöl oder Kaffee geradezu stylisch. »Und dabei sind wir erst am Anfang.« Denn eine Frischfleisch-Abteilung ist noch im Aufbau. »Aufgrund der Corona-Krise kam es in Straßburg, von wo wir unsere Waren beziehen, zu Verzögerungen beim Schächten.« Auch die Auswahl an koscheren Käsespezialitäten soll sukzessiv ausgebaut werden.

WEIN Ganzer Stolz von Andrey Mints ist das Weinsortiment. »Im Moment führen wir über 100 verschiedene Sorten. Aber bald sollen es doppelt so viele werden.« Sein persönlicher Lieblingswein ist ein Yarden Chardonnay.

Auch Mints stammt aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Belarus. Als er acht Jahre alt war, wanderte seine Familie nach Israel aus. Dann zog es ihn nach Deutschland, erste Station war München, jetzt Berlin. Sloniuk und Mints sind von dem Potenzial koscherer Lebensmittel in Deutschland begeistert.

Auch Non-Food-Produkte sind in den Regalen, unter anderem Schabbatkerzen oder einige israelische Waren, für die kein adäquater Ersatz in Deutschland existiert,

»Viele wissen, dass die Produkte gründlichst geprüft werden, bevor sie überhaupt ein Koscher-Zertifikat erhalten.« In Zeiten, in denen immer mehr Menschen auf ihre Ernährung achten und zahlreiche Skandale die Verbraucher verunsichert haben, ist koscher für manche eben das neue Bio geworden.

Mit veganen, gluten- oder laktosefreien Lebensmitteln will man ebenfalls punkten. Rund zwei Drittel aller Produkte im Laden stammen aus Israel. Wer also Bamba, die berühmten Erdnussflips, vermisst, wird sie hier in gleich mehreren Varianten finden. »Wir sind auch die Einzigen in ganz Berlin, die Krembo im Angebot haben«, sagt Sloniuk.

SCHOKOKUSS Den israelischen Schokokuss gibt es ebenfalls in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Auch Non-Food-Produkte sind in den Regalen, unter anderem Schabbatkerzen oder einige israelische Waren, für die kein adäquater Ersatz in Deutschland existiert, so zum Beispiel ein Textilerfrischer der Marke Badin. »Israelis vermissen diesen Duft einfach. Deswegen haben wir ihn genauso im Sortiment wie Spülschwämmchen aus Israel, die es hierzulande nirgends zu kaufen gibt.«

Doch kein koscherer Supermarkt ohne Mesusa. Und genau die brachte dann eigens Rabbiner Yehuda Teichtal von Chabad Lubawitsch an. »Möge die Schlange der Kundschaft bis an den Ku’damm reichen«, wünschte er den Betreibern scherzhaft.

Für ihn ist ein Ereignis wie die Eröffnung des »Kosher Daily Markt« aus vielerlei Hinsicht ein sehr erfreuliches. »Es ist ein Zeichen dafür, dass das jüdische Leben in Berlin an Kraft gewinnt und wächst. Mit dem Geschäft von Olga Sloniuk und Andrey Mints hat die Stadt noch ein Stück Jiddischkeit mehr.«

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025